#Italiens Präsidentenwahl wird zur Kraftprobe
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„Italiens Präsidentenwahl wird zur Kraftprobe“
Eine vollständige Arbeitswoche hat die Wahl des italienischen Staatspräsidenten bisher in Anspruch genommen. Herausgekommen ist bis zum Freitagabend nach insgesamt sechs umständlichen Wahlgängen in geheimer namentlicher Abstimmung: nichts. Am Donnerstagabend hatte Matteo Salvini von der rechtsnationalen Lega versprochen, die rund 450 Wahlleute des Mitte-rechts-Bündnisses würden – anders als an den Tagen zuvor – nicht mehr „schede bianche“, leere Wahlscheine abgeben. Stattdessen würden sie alle erstmals den Namen einer Kandidatin, jenen von Senatspräsidentin Maria Elisabetta Casellati, auf die Wahlzettel schreiben. Und damit tatsächlich zum ersten Mal seit Beginn des Abstimmungsmarathons vom Montag für jemanden stimmen. Statt fortgesetzt für niemanden. „Ich vertraue darauf, dass morgen ein guter Tag sein wird“, hatte Salvini, Parteichef der rechtsnationalen Lega, am Donnerstagabend prophezeit.
Doch daraus wurde nichts. Für die Kandidatin der Rechten stimmten am Freitagmorgen nur 382 Wahlleute. Es mussten also knapp 70 Abgeordnete und Senatoren des Mitte-rechts-Bündnisses bei der geheimen Wahl für andere Kandidaten gestimmt haben. Oder ein weiteres Mal für niemanden: Es gab 406 Enthaltungen. Zur erforderlichen absoluten Mehrheit von 505 der insgesamt 1009 Wahlleute-Stimmen fehlten der 75 Jahre alten Politikerin von Silvio Berlusconis christlich-demokratischer Partei Forza Italia sogar 123 Stimmen.
So viele „leere“ Stimmen wie im ersten Wahlgang
Das schlechte Abschneiden der konservativ-katholischen Senatspräsidentin war nicht in erster Linie für Casellati selbst eine Niederlage, sondern vor allem für den früheren Innenminister Salvini, den informellen Sprecher des Mitte-rechts-Bündnisses. Denn Salvini hatte es nicht vermocht, das Bündnis zusammenzuhalten – gar konnte er genügend Stimmen von Wahlleuten der politischen Mitte und aus dem Kreis der Unabhängigen und Fraktionslosen gewinnen, um der Senatspräsidentin den Weg vom zweithöchsten ins höchste Staatsamt zu ebnen.
Am Freitagnachmittag gab es einen weiteren Wahlgang, der erwartungsgemäß wieder zu keinem Ergebnis führte. Die drei Parteien des Mitte-rechts-Bündnisses – neben Lega und Forza Italia die postfaschistische Partei „Brüder Italiens“ von Giorgia Meloni – schickten ihre gescheiterte Kandidatin Casellati nicht noch einmal ins Rennen. Sondern gaben wieder „schede bianche“ ab. Auch die Parteien der Linken enthielten sich, sodass es beim letzten Wahlgang der Arbeitswoche in etwa so viele „leere“ Stimmen gab wie es schon beim ersten vom Montag gegeben hatte. Die meisten Stimmen (336) erhielt im sechsten Wahlgang der am 3. Februar aus dem Amt scheidende Präsident Sergio Mattarella, obwohl dieser seit Wochen versichert, er stehe nicht für eine zweite Amtsperiode von sieben Jahren zur Verfügung. Dazu kamen 445 Enthaltungen.
Labile und temporäre Bündnisse
Das Bild, das die politische Klasse während fünf Tagen beim umständlichen Versuch einer Präsidentenwahl abgab, dürfte die wenigsten Italiener überrascht haben. Gefangen in ihrer selbstreferentiellen Parallelwelt, auf Schritt und Tritt begleitet von Journalistenscharen, sponnen die Volksvertreter eifrig Intrigen und schmiedeten Ränke. Und gegenüber den Journalisten beklagten sie unisono, angesichts von Pandemie, Energiekrise und Kriegsgefahr sei gerade jetzt nicht die Zeit, Intrigen zu spinnen. Und dann schmiedeten sie, in Hinterzimmern, Kaffeebars und Restaurants, gleich die nächsten Ränke.
In der politischen Bilanz hat keiner der maßgeblichen Akteure die fünf Wahltage mit sechs Abstimmungen unbeschadet überstanden. Was Salvini auf der Rechten nicht vermochte, das gelang dem sozialdemokratischen Parteichef Enrico Letta und Giuseppe Conte von der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung auf der Linken ebenso wenig: ihr Bündnis zusammenzuhalten. Keines der beiden Lager konnte dem anderen seinen Willen oder Kandidaten aufzwingen. Von der Linken über die Mitte bis zur Rechten ist die politische Landschaft so zerklüftet, dass allenfalls labile und temporäre Bündnisse zustande kommen können.
Höchste Zeit für ein neues Staatsoberhaupt
Zur inneren Uneinigkeit der beiden Lager tritt der Dissens unter den politischen Einzelkräften, die doch eigentlich seit Februar 2021 in der Koalition der nationalen Einheit unter Ministerpräsident Mario Draghi zusammengeschlossen sind. Dieser Umstand lastet wiederum auf Draghi, dessen Autorität nicht über den Kabinettstisch hinausreicht. Sobald die Politiker der Koalitionsparteien, die in beiden Kammern zusammen über jeweils vier Fünftel der Mandate verfügen, nicht mehr im Amtszimmer des Regierungschefs zusammensitzen, brechen die alten Grabenkämpfe wieder auf.
Noch am Freitagabend kamen die Partei- und Bündnisführer zu weiteren Gesprächen zusammen. Für diesen Samstag, wenn weitere zwei Wahlgänge stattfinden sollen, gaben sich manche zuversichtlich. Andere äußerten Skepsis. Und alle sagten, es sei höchste Zeit, gemeinsam ein neues Staatsoberhaupt zu wählen.
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