#Wie Menschen mit der Angst umgehen
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„Wie Menschen mit der Angst umgehen“
Heinz B. weiß, was es heißt, kalt zu duschen. Als Erstes macht er sich die Hände nass. Dann führt er die Brause von den Füßen nach oben, Stück für Stück, sodass sich der Körper an die Temperatur gewöhnt. Das Schlimmste: nicht die Haare, nicht der Kopf. Der Oberkörper, sagt B. Man merkt seiner Stimme noch in der Erinnerung an, wie es ihn schüttelt. Zwei Monate lang haben B. und seine Frau kalt geduscht, nachdem die Flut an der Ahr ihre Heizung zerstört hatte. Aber das war im Sommer. „Wenn das im Winter passiert“, sagt Heinz B. – „gute Nacht.“
Eine neue existenzielle Angst breitet sich aus und kriecht weit in die Gesellschaft hinein. Ein wohlhabendes Ehepaar aus Hessen schafft sich Heizdecken an. Eine Schwangere aus Rheinland-Pfalz malt sich aus, mit ihrem Neugeborenen in einer kalten Wohnung zu sitzen – dabei verdient ihr Mann gut. Die Friseurin aus Berlin genehmigt sich gerade einmal eine Woche Urlaub dieses Jahr, weil sie lieber Geld verdienen und für die Nebenkostenabrechnung zur Seite legen will. Schon im Sommer fürchten die Deutschen den Winter.
Jeder zweite Geringverdiener muss sich einschränken
Putins Krieg, Putins Gas haben die Energiekosten explodieren lassen, das treibt alle anderen Preise in die Höhe. Inflationsraten zwischen sieben und acht Prozent. Schon seit Mai. Auf Gartenpartys, beim Lillet Berry, wird gestaunt, dass Biobutter jetzt 3,49 Euro kostet. Und was wird ohne Tankrabatt und 9-Euro-Ticket passieren? Wie schlägt die Gasumlage zu Buche? Was bringen die geplanten Entlastungen? Vier von fünf Deutschen, das hat das Allensbach-Institut im Auftrag der F.A.Z. kürzlich herausgefunden, bereiten die Preissteigerungen große Sorgen. Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung sieht sich jeder zweite Erwerbstätige mit einem Haushaltseinkommen bis 2000 Euro zu Einschränkungen gezwungen.
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Heinz B. aus Sinzig an der Ahr schläft schlecht. Die nagelneue Heizung, die sie ihm im Oktober auf Versicherungskosten eingebaut haben, funktioniert zwar einwandfrei. Was aber, wenn kein Gas mehr kommt? Oder es noch teurer wird? „Und es ist ja nicht gesagt, dass es nur der eine Winter ist“, sagt der 69-Jährige. Also liegt er wach und denkt nach: Was tun?
Am liebsten würde B. die Gasheizung gegen eine Kombination aus Photovoltaik und Wärmepumpe austauschen. Dann wäre er für den Fall der Fälle autark. Kostenpunkt: 50.000 Euro. „Ein normaler Rentner hat so was nicht unterm Kopfkissen liegen“, sagt B. „Ich wäre bereit gewesen, mein Erspartes dafür herzugeben.“ Während er allerdings nach Handwerkern suchte, stiegen die Kosten. Inzwischen würde er wohl bis zu 65.000 Euro benötigen. „Das überschreitet mein Budget“, seufzt B.
Als der Industriekaufmann mit 63 Jahren in Rente ging, legte er eine Excel-Tabelle an, um zu prüfen, ob er sich den vorzeitigen Sprung in die Freiheit leisten konnte. Ergebnis: Mit seinen Ersparnissen hätte die Rente wohl für 20 Jahre gereicht. „Je älter man wird, desto weniger braucht man“, sagt B. Sie fahren ohnehin nicht jedes Jahr in den Urlaub. Alle zwei, drei Monate mal essen gehen. Das Zweitauto und sein Motorrad hat er damals direkt verkauft. „Wir leben nicht schlecht“, sagt B. Dass auch seine Frau neuerdings Rente bezieht, war trotzdem eine Verheißung. Weil sie vor ihrer Zeit als Mutter und Hausfrau erwerbstätig war, bekommt sie 450 Euro im Monat. „Damit haben wir gedacht, wir könnten uns ein besseres Leben erlauben“, sagt B. Er schnaubt. Längst hat er das Extrageld als „Energiezuschuss“ verbucht.
Vermutlich werden alle Ängste in die Höhe schnellen
Seit 30 Jahren ermittelt die R + V Versicherung jedes Jahr per Umfrage „Die Ängste der Deutschen“. Die Auswertung für 2022 kommt erst im Oktober. Studienleiterin Brigitte Römstedt sagt allerdings schon jetzt: „Ich befürchte, dass alle Ängste in die Höhe schnellen.“ In Krisenzeiten – etwa auf dem Höhepunkt des islamistischen Terrors – sei eine „Grundstimmung der Angst“ festzustellen.
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