#Britischer Vize-Premier Raab tritt zurück
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Fast 24 Stunden brauchte der britische Premierminister Rishi Sunak, um seine jüngste Regierungskrise zu lösen. Sein Stellvertreter und Justizminister Dominic Raab war im vergangenen November von mehreren Seiten des Mobbings und der Verächtlichmachung von Mitarbeitern beschuldigt worden. Sunak hatte eine unabhängige Untersuchung angeordnet, deren Ergebnis ihm am Donnerstagmittag übergeben wurde. Während aus der Regierungszentrale in der Downing Street zunächst verlautete, eine Entscheidung werde bis zum Abend fallen, hieß es später, es sei mehr Zeit notwendig zur Prüfung des Berichts.
Am Freitag Vormittag verbreitete Raab dann selbst die Ankündigung, er trete zurück, schloss daran aber die Erläuterung an, er halte das Ergebnis der Prüfung gegen ihn für fehlerhaft. Sechs der acht Fälle angeblichen Mobbings seien entkräftet, in zwei Fällen sei der untersuchende Anwalt falschen Anschuldigungen aufgesessen.
Dominic Raab hatte sich binnen eineinhalb Jahrzehnten Einfluss und politisches Gewicht in der Partei der Konservativen erarbeitet. Er begann nach einem Jurastudium in Oxford und Cambridge seine politische Karriere als Abgeordneter für Esher und Walton – einen Wahlkreis im Südwesten Londons, der mit seiner wohlhabenden bürgerlichen Wählerschaft eine Hochburg der Konservativen darstellt.
Gescheiterte Kandidatur für Parteispitze
2016 versah er unter Premierminister David Cameron kleinere Regierungsämter und stieg – als Befürworter des EU-Austritts Großbritanniens – unter Premierministerin Theresa May schließlich zum Minister für die Handhabung des Brexits auf. Raab trat von diesem Amt jedoch zurück, nachdem deutlich geworden war, dass May für ihre Brexit-Variante, die Großbritannien näher an der EU gehalten hätte, keine ungeteilte Zustimmung in der eigenen Partei und damit im Parlament finden würde.
Raab kandidierte nach dem Rücktritt Mays für ihre Nachfolge an der Parteispitze, unterlag jedoch in einer frühen Runde dem späteren Sieger Boris Johnson. Seither hat er – abgesehen vom Intermezzo der Premierministerin Liz Truss im vergangenen Sommer – stets herausragende Kabinettsposten innegehabt. Unter Johnson war er erst Außen- und dann Justizminister und zudem mit dem Titel „Erster Minister“ versehen; unter Sunak wurde er wieder Justizminister und zudem offiziell Stellvertretender Premierminister. Die jeweiligen Ehrentitel spiegeln Raabs Ehrgeiz, aber auch seine Bedeutung im Lager der europafeindlichen, auf dem rechten Flügel der Partei beheimateten Konservativen.
Acht Beschwerden mit 24 Beteiligten
Die Vorwürfe, die Raab jetzt zu Fall brachten, waren weniger ihrer Schwere, als ihrer Häufung wegen relevant. Acht Beschwerden mit insgesamt 24 Beteiligten wurden gegen den Minister während seiner Amtszeit in verschiedenen Ressorts erhoben. Die Anschuldigungen betrafen fast immer das Verhalten Raabs gegenüber Untergebenen; Raab sei verletzend, laut und herabsetzend gewesen, hieß es in Medienberichten über die gegen ihn vorgebrachten Beschwerden. Jüngere Mitarbeiter seien vor Begegnungen mit ihm durch ältere Vorgesetzte geschützt worden. Mitunter habe er Mitarbeiterinnen durch seine hochfahrende, verletzende Art zum Weinen gebracht.
Der Ablauf der Ereignisse am Donnerstag und Freitag offenbart das Dilemma, in das sich der Premierminister in dieser Sache selbst gebracht hat. Sunak hatte Raab in jene wichtigen Ämter zurückberufen, die dieser einst unter dem Vorvorgänger Boris Johnson innehatte, um das Band zum Flügel der fundamental-konservativen Brexit-Anhänger zu stärken. Nachdem die Vorwürfe gegen Raab aufkamen, suchte Sunak selbst den Eindruck zu wecken, er sei agil und zu harten Entscheidungen fähig. So stand er nun vor der Alternative, unbeirrt an Raab festzuhalten oder ihn trotz offenbar nur halb verifizierbarer Vorwürfe umstandslos als Gefahr für seine Regierung zu kategorisieren und zu entlassen. Sunak zeigte stattdessen einen Moment der Unentschlossenheit und überließ Raab die Initiative.
Der Premierminister hatte im vergangenen November schon einen politischen Mitstreiter wegen ähnlicher Vorwürfe verloren. Verteidigungsminister Gavin Williamson trat nach Vorwürfen zurück, er habe während seiner Zeit als Fraktionsgeschäftsführer in Textnachrichten an Kollegen einen nötigenden Ton angeschlagen. Außerdem musste Sunak den Parteipräsidenten der Konservativen, der die Rolle eines Generalsekretärs hat, austauschen. Der Amtsinhaber Nadhim Zahawi hatte dem Premierminister verschwiegen, dass die Finanzbehörden gegen ihn ein Steuerverfahren führten.
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