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#Die (Nicht)Entdeckung von Planet 9 in 40 Jahre alten Daten – Astrodicticum Simplex

Die (Nicht)Entdeckung von Planet 9 in 40 Jahre alten Daten – Astrodicticum Simplex

“Planet 9 wurde vielleicht schon vor 40 Jahren entdeckt” – so oder so ähnlich lauten diverse Schlagzeilen in den Medien. Es geht um den hypothetischen Planeten der sich in den äußeren Regionen des Sonnensystems befinden könnte und um eine neue Auswertung alter Daten. Das Resultat dieser Forschung entspricht aber nicht unbedingt dem, was die Schlagzeilen glauben machen…

Über “Planet 9” habe ich hier im Blog schon viel geschrieben. Eine ganze Serie über die lange Geschichte der Suche nach einem “Planet X” im Sonnensystem und sehr viel mehr Artikel über die konkrete Forschung, mit der dieser hypothetische Himmelskörper entdeckt werden soll. Im Jahr 2016 hat man bei der Untersuchung der Bahnen ferner Asteroiden ein paar Auffälligkeiten entdeckt, die auf die Existenz eines größeren Himmelskörpers hinweist, der mit seiner Gravitationskraft für die Bahnstörungen verantwortlich sein könnte. So etwas ist absolut plausibel; alles was wir über die Entstehung von Planetensystemen wissen macht es äußerst wahrscheinlich, dass sich fern der Sonne noch größere Planeten herumtreiben. Sie sind halt schwer bis unmöglich zu finden: Sie sind klein, sie leuchten nicht und bewegen sich sehr langsam. Es wäre also absolut verständlich, wenn wir das Ding bis jetzt übersehen haben. Vor allem, wenn man nicht genau weiß, was man sucht.

Jetzt haben wir aber Teleskope, die ständig den Himmel beobachten. Sie sehen dort das, was die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gern konkret sehen wollen. Aber auch jede Menge anderes Zeug mit dem wir vorerst vielleicht noch nicht viel anfangen können. Wir können ja nicht jeden Lichtpunkt der sich auf den astronomischen Aufnahmen zeigt, im Detail analysieren. Aber die Daten bleiben da und mit etwas Glück und Mühe kann man sehr viel später doch noch etwas darin finden.

Bei der Suche nach Asteroiden gibt es immer wieder sogenannte “Precoveries”. Man entdeckt einen neuen Asteroid oder Komet und bestimmt anhand der wenigen vorliegenden aktuellen Beobachtungsdaten eine vorläufige und eher ungenaue Umlaufbahn. Die man gerne etwas genauer hätte, aber was soll man tun, wenn man Daten nur aus einem kurzen Zeitabschnitt ab? Man kann zum Beispiel in den Archiven kramen! Man weiß ja zumindest so ungefähr, wo er in der Vergangenheit langgeflogen ist. Und vielleicht hat irgendein Teleskop die entsprechende Region am Himmel ja damals gerade fotografiert? Dann kann man schauen, ob sich der Asteroid – bis dahin unbemerkt – auf der Aufnahme befindet. Und wenn das der Fall ist, kann man die alten Daten nutzen um die Bahn sehr viel genauer zu berechnen.

Planet 9: Vielleicht gibt es ihn, vielleicht auch nicht Künstlerische Darstellung: Caltech/R.Hurt(IPAC)

Die aktuelle Geschichte zu Planet 9 ist so ähnlich, aber doch anders. Es weiß ja immer noch niemand, ob es den überhaupt gibt. Insofern kann man auch keine “precoveries” machen; dafür braucht es zuerst einmal eine “discovery”… Aber die Suche in alten Daten kann sich dennoch lohnen. Das hat sich jedenfalls der Astronom Michael Rowan-Robinson gedacht und die Arbeit “A search for Planet 9 in the IRAS data” verfasst. Es geht um das Weltraumteleskop IRAS, das 1983 die erste (fast) komplette Durchmusterung des Himmels im Infrarotlicht angestellt hat. Bei all dem, was IRAS damals beobachtet hat, könnte theoretisch auch ein Planet des Sonnensystems dabei gewesen sein; im Infrarotlicht “leuchtet” so ein Ding ja auch.

Wie kann man nun unter all den Infrarotlichtquellen in den IRAS-Daten einen Planeten finden? Dazu muss man verstehen, wie IRAS gearbeitet hat: Beobachtungen wurden nach unterschiedlichen Abständen wiederholt. Zuerst hat man Bilder im Abstand von wenigen Sekunden aufgenommen und nur was auf beiden Bildern zu sehen war, gilt überhaupt als vernünftige Quelle. Danach hat man nach ein paar Stunden nochmal hingeschaut, ob die Quelle noch am gleichen Ort ist; das gleiche hat man nach ein paar Wochen und ein paar Monaten ebenfalls getan. Hat man jetzt zum Beispiel einen erdnahen Asteroiden im Blickfeld, dann wird der sich zwar nach ein paar Sekunden noch nicht sehr weit bewegt haben, nach ein paar Stunden aber schon. Man wird ihn also in den Bildern finden, die im Abstand von ein paar Sekunden gemacht worden sind, aber nicht in den anderen. Ein weiter entfernter Asteroid bewegt sich langsamer und wird nach ein paar Stunden immer noch im Blickfeld sein; eine ferne Galaxie bewegt sich aus unserer Sicht quasi gar nicht und wird auch noch ein paar Monate später an der selben Stelle des Himmels stehen. Ein Planet im äußeren Sonnensystem sollte nach ein paar Wochen noch auffindbar sein; nach ein paar Monaten aber das Blickfeld des Teleskops verlassen haben.

Rowan-Robinson hat dieses Kriterium (und ein paar andere, die mit der Wellenlänge des IR-Lichts zu tun haben) genutzt, um nach passenden Kandidaten zu suchen. Tatsächlich hat er eine Quelle gefunden, die bisher nicht identifiziert war und die Eigenschaften eines potenziellen Planeten aufweist. Aber (und es haben sicher schon alle damit gerechnet, dass jetzt ein “Aber” kommt) es wäre absolut nicht angemessen, von einer “Entdeckung” zu schreiben.

Das sieht auch Rowan-Robinson selbst so und schreibt: “Before we consider what the orbit of such an object
might be, it should be noted that the source(s) lie at low Galactic latitude, in a region strongly affected by cirrus. The detections are not of high quality, do not show a strong correlation with a point-source profile, and therefore allow a suspicion of being extended and thus cirrus.”
. Kurz gesagt: Die Qualität der Daten ist in diesem Fall so schlecht, dass man nicht ausschließen kann, dass es sich um hochfliegende Wolken handelt und keinen Planeten. Außerdem erklärt Rowan-Robinson, dass man den Planeten, wenn er denn tatsächlich da ist, auf jeden Fall auch leicht in anderen Datenbanken finden sollte. Dann wüsste man ja, wo man suchen sollte. So eine Suche verlief aber erfolglos: “The failure to recover the candidate in the Panstarrs data suggests that this candidate object is not in fact real”. Und er schließt mit der Aussage: “Given the poor quality of the IRAS detections, at the very limit of the survey, and in a very difficult part of the sky for far infrared detections, the probability of the candidate being real is not overwhelming.”

Es ist also zwar nicht unmöglich, dass IRAS schon damals im Jahr 1983 den Planet 9 auf einer Aufnahme erwischt hat. Es ist aber alles andere als wahrscheinlich! Und selbst wenn, dann wäre dieser Planet 9 nicht der Planet 9 auf den die Daten hingewiesen haben. Das muss nichts heißen; es kann da draußen ja mehr als nur einen Planeten geben (es wäre seltsam, wenn da nur einer wäre). Und diese Daten sind vielleicht auch nicht so klar, wie man dachte. Anfang des Jahres hat sich gezeigt, dass die “Hinweise” auf Planet 9 vielleicht nur ein Auswahleffekt sind.

Die Sache bleibt also weiterhin unklar. Wir wissen, dass aller Wahrscheinlichkeit nach irgendwo fern der Sonne noch ein oder mehrere große Himmelskörper existieren. Wir wissen, dass diese Dinger schwer bis unmöglich zu finden sein werden. Und wir wissen, dass alle Daten die wir bis jetzt dazu analysiert haben, keine klare Aussagen ermöglichen. Tja – auch so ist Wissenschaft manchmal.

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