#Themenwoche Zukunft: Leben auf dem Land: Dorfgemeinschaften zwischen Trend und Wandel
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„Themenwoche Zukunft: Leben auf dem Land: Dorfgemeinschaften zwischen Trend und Wandel“
Das Leben auf dem Land wird immer attraktiver. Das zeigt sich in hohen Zuzugszahlen. Doch was bedeutet es für Dorfcharakter und Miteinander, wenn Gemeinden immer weiter wachsen?
Allmannshofen ist führend in Schwaben, was die Prognosen für den Bevölkerungszuwachs bis 2033 angeht. Um 19,8 Prozent soll die nördlichste Gemeinde des Landkreises Augsburg in den kommenden elf Jahren wachsen. Was ein großer Zuzug bedeutet, weiß Bürgermeister Markus Stettberger aber bereits. Schon in den vergangenen zehn Jahren ist seine Gemeinde um rund 20 Prozent gewachsen. Seit 1818 gibt es die Gemeinde in ihrer heutigen Form. Blickt man auf die Karte, so sieht man, dass flächenmäßig fast ein Drittel der Gemeinde erst in den vergangenen Jahren entstanden ist.
Immer mehr Menschen ziehen aus der Stadt ins Umland
Damit ist Allmannshofen zwar ein Ausreißer, aber keine Ausnahme, was das Bevölkerungswachstum angeht. Denn das Leben auf dem Land wird immer beliebter. Laut einer Auswertung der Datenanalysefirma Empirica Regio verlieren große Städte immer mehr Menschen ans Umland. Trendforscher sprechen von einer „Provinzrenaissance“ und vom Land als neuen Zukunftsraum. Aber wie sieht das Landleben der Zukunft aus? Hat es noch etwas mit dem Landleben der Vergangenheit zu tun? Wie steht es um Dorfgemeinschaften, Vereinsleben und Pendler, für die das Dorf zur reinen Schlafstätte wird?

Foto: Marcus Merk
Schützenverein, Gymnastik, Freiwillige Feuerwehr: Das Vereinsleben in Allmannshofen ist laut Stettberger noch intakt. Einen Treffpunkt bietet der Dorfwirt direkt beim Rathaus, ein jährlicher Höhepunkt für alle Allmannshofer der Johannimarkt. Trotz all dem beobachtet der Bürgermeister: „Die Gemeinschaft wird weniger. Digitale Medien ersetzten immer mehr persönliche Treffen. Auch die Bereitschaft, einen Verein zu führen, hat aufgrund der immer größeren Verantwortung abgenommen.“
Weniger Ehrenamt, mehr Pendler: Landleben im Wandel
Das formuliert er nicht als Vorwurf oder führt es auf steigende Neubürger-Zahlen zurück, sondern auf aktuelle Krisen. Die Corona-Pandemie und Lockdowns: Begegnungsmöglichkeiten sind weniger geworden. Höhere Preise, weniger Geld, mehr Zukunftssorgen: Sich für die Gemeinschaft zu engagieren, sei nicht die erste Priorität. Stettberger betont, wie wichtig er gesellschaftliches Leben in der Gemeinde aber findet. „Die Menschlichkeit und das Miteinander dürfen nicht verloren gehen.“
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Der hohe Zuzug hat durch viele junge Familien für ein Bedürfnis nach mehr Kindergartenplätzen gesorgt, dem er nun mit Hochdruck nachgeht. Weitere Neubaugebiete möchte er vorerst nicht ausschreiben und, wo möglich, nachverdichten.
Wie sich städtische und ländliche Lebenswelten wandeln, erforscht Dr. Ralph Richter am Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS). Um zu verstehen, was ein großer Zuwachs für Gemeinden in Hinblick auf sozialen Wandel bedeutet, müsse man auf die Ausgangsbedingungen blicken. Gemeinden, die im Speckgürtel von Städten liegen, seien schon seit den 1960er Jahren hohen Zuzug gewohnt und, was die Gemeinschaft angeht, urban geprägt. Anders sieht das in Gemeinden aus, die in der sogenannten Peripherie liegen und in der Vergangenheit von Landflucht und Entvölkerung betroffen waren: „Dort ist Zuzug ein Segen, was die Zukunftsfähigkeit angeht.“
Mit neuen Ideen und Homeoffice gegen Vereinssterben
Das klassische, teilweise romantisierte Landleben sei bereits in den vergangenen Jahrzehnten zur Ausnahme geworden. Viele Menschen auf dem Land lebten sogenannte „individualisierte Lebensmodelle“. Sie pendeln und verbringen nur wenig Zeit in der Gemeinde. Hinzu komme: Soziale Begegnungspunkte, wie Dorfkneipen oder regelmäßige Treffen nach der Kirche am Sonntag, würden konstant abnehmen.
Gleichzeitig beobachtet er, dass seit einigen Jahren immer mehr Menschen sich nicht nur für das Leben auf dem Land, sondern auch für das „ländliche Lebensmodell“ bewusst entscheiden. Seine Hoffnung: „Dass die Möglichkeit des Homeoffice die Menschen wieder mehr Zeit in den Landgemeinden verbringen lässt. Damit gibt es die Chance, dass viele Aktivitäten im Ort wieder selbstverständlicher geschehen.“

Foto: Marcus Merk
Vanessa Eckstein ist eine Allmannshoferin, die es selbst in die Hand genommen hat, für mehr Miteinander in der Zukunft zu sorgen. Die junge Mutter ist vor fünf Jahren aus der Nachbargemeinde Ellgau wegen eines Baugrundstücks hergezogen. Vor drei Jahren gründete sie den Verein „Dorferleben Allmannshofen“. Ihr Ziel: Jeden Bürger und jede Bürgerin, egal ob jung, alt, neu oder gebürtig aus dem Ort, zu erreichen und für Begegnung zu sorgen. Der Verein organisiert jedes Jahr Kinderflohmärkte, den Osterbrunnen und aktuell einen Bücherschrank für Schülerinnen und Schüler.
Wie wird das angenommen? Eckstein sagt, dass das Interesse nicht von allein da sei: „Man muss aktiv auf Menschen zugehen und präsent sein.“ Sie sieht sich nicht in der Rolle als Vermittlerin zwischen Neu- und Altbürgern, sondern vielmehr als jemand, der Zugezogene bewusst ins Boot holt. Einen Großteil des Vereins machen Familien aus, Eltern zwischen 35 und 45 Jahren. 60 Mitglieder hat „Dorferleben“ als jüngster Verein Allmannshofens.
Dieser Artikel ist Teil der Themenwoche Zukunft unserer Volontäre. Alle Themen und Texte zum Schwerpunkt finden sich hier in unserer Übersicht.
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