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Thunderbolts* bricht mit nerviger Marvel-Tradition – und das war nach 35 Filmen bitter notwendig

Thunderbolts* ist eine der positivsten Überraschungen des MCU aus den letzten Jahren. Ein Grund dafür ist das Finale, das mit einer schlimmen Tradition bricht.

Seit dem 1. Mai treiben die Thunderbolts* auf der Kinoleinwand ihr Unwesen. Der liebenswert-chaotische Haufen verwandelt sich darin von Wegwerf-Antihelden zur nächsten Generation von Marvel-Superhelden. Diese etwas anderen Avengers rütteln aber nicht nur inhaltlich am Status Quo des MCU, sondern brechen mit ihrem ungewöhnlichen Finalkampf mit erzählerischen Traditionen.

Thunderbolts* überzeugt mit einem Marvel-Finale der anderen Art

Es ist nicht zu leugnen, dass das MCU nach 17 Jahren und mittlerweile 36 Filmen so einige Klischees und Erzählmuster angehäuft hat, die ihre einstige Faszination längst verloren haben. Das trifft leider vor allem auf die finalen Höhepunkte vieler Marvel-Projekte zu – egal, ob Kinoabenteuer oder Serie bei Disney+.

Die meisten Finale laufen für Marvel-Superhelden mittlerweile nach Schema F ab: Es gibt einen bombastischen Endkampf mit völliger CGI-Eskalation und meist matschige, digitale Kulissen. Aber nicht so bei Thunderbolts*. Anstatt Großstädte in Schutt und Asche zu legen und Energiestrahlen in den Himmel zu schießen, werden in der letzten Konfrontation des Films nur Emotionen abgefeuert.

Wenn im großen Finale der finstere Void seine zerstörerischen Kräfte entfesselt, hätte in jedem anderen MCU-Beitrag ein bombastischer Fight auf und über den Straßen New Yorks stattgefunden. Da die Thunderbolts selbst aber keine effektreichen Superkräfte besitzen, schlägt der Film eine gänzlich unerwartete Richtung ein.

Versteht mich nicht falsch: Krachende Bossfights und ausufernde Actionszenen sind natürlich ein essenzieller Bestandteil des Superheldenkinos. Nur hat Marvel in diesem Punkt mit der Zeit eine gewisse Schablonenhaftigkeit entwickelt, die mehr dem Abhaken einer To-Do-Liste gleichkommt. Dass sich ein MCU-Blockbuster traut, sein Finale gänzlich in beengten und vor allem echten Innenräumen und ohne Effektgewitter stattfinden zu lassen, ist nicht nur mutig, sondern auch eine willkommene Abwechslung von typischen 08/15-Showdowns.

Und ganz nebenbei positioniert das überraschende Finale das neue Marvel-Team visuell und erzählerisch als erfrischenden Gegenentwurf zu den Avengers.

Thunderbolts wird im Endkampf zum Anti-Avengers

Seit dem Kinostart ist die Katze aus dem Sack: Die Thunderbolts werden am Ende des Films zu den New Avengers und rückblickend haben wir quasi zwei Stunden lang eine Antithese zum ersten kunterbunten Superhelden-Auflauf Marvel’s The Avengers zu sehen bekommen. Das wird im großen Finale besonders deutlich.

Als wären etliche Avengers-Nennungen, eine Avengers-Ausstellung und der ehemalige Avengers Tower nicht schon offensichtlich genug, versammelt der Showdown von Thunderbolts* seine Held:innen schließlich auch auf einem New Yorker Straßenzug zwischen Häuserschluchten.

Hier verwandeln sich Yelena (Florence Pugh), Bucky (Sebastian Stan), John (Wyatt Russell), Ava (Hannah John-Kamen) und Alexei (David Harbour) plötzlich sinnbildlich in die Anti-Avengers. Anstatt New York vor zerstörerischen Aliens mit reichlich Explosionen und coolen Moves zu retten, verfrachtet Thunderbolts* den Endkampf buchstäblich in das Innenleben seiner Figuren.

Keine Energiestrahlen, Magie oder mächtige Hammer bezwingen die dunkle Seite von Bob (Lewis Pullman), sondern Zusammenhalt, Verständnis und eine Umarmung, die selbst das zynischste Herz erweichen kann. Manch einem Fan mag an dieser Stelle vielleicht der erwartete visuelle Superhelden-Bombast fehlen. Die reduzierte und auf CGI-Geballer verzichtende Konfrontation mit dem Void in Traumaräumen der Charaktere ist aber für die emotionale Botschaft des Films die treffendere und richtige Wahl.

Nicht nur das Finale, sondern die gesamte Machart mit ihrem starken Fokus auf praktische Effekte und echte Setbauten ist untypisch für das MCU der vergangenen Jahre – und stellvertretend für einen aufregenden Umbruch im Mega-Franchise.

Thunderbolts ist der Beginn einer aufregenden neuen MCU-Phase

Bereits das Jahr 2023 markierte einen Umbruch für Marvel Studios in Form eines Strategiewechsels, der nicht nur die Anzahl an veröffentlichten Filmen und Serien pro Jahr betrifft, sondern auch die Art, wie neue MCU-Titel produziert werden sollen. Statt digitaler Fließbandware sollen wieder Geschichten im Fokus stehen, während vermehrt praktische Effekte den ein oder anderen Dollar einsparen können. Denn egal, wie gut oder schlecht CGI auch aussehen mag: Es ist verdammt teuer.

Das alte Produktionsmodell für Marvel-Filme ist nicht mehr tragbar. Eine inflationäre Abhängigkeit von CGI, sich während der Produktion ständig ändernde Storys und massive Nachdrehs ließen nicht nur die Kosten jüngster MCU-Beiträge in fassungslose Höhen schnellen, sondern erzeugten meist auch unterwältigende Filmerlebnisse. Bei Marvel heißt es deshalb jetzt: Back to basics.

Thunderbolts* ist der erste MCU-Film, der vollständig nach dem Strategiewechsel produziert wurde. Ähnliche Auswirkungen waren bereits in den Disney+-Serien Daredevil: Born Again und Agatha All Along zu sehen, die Charakterarbeit dem Spektakel vorzogen und mit praktischen Effekten und handgemachter Action sämtliche Konventionen brachen, wie eine typische MCU-Erzählung auszusehen hat.

Wie erfrischend und aufregend die neue Machart und MCU-Projekten wirklich ist, zeigt ein direkter Vergleich mit dem erst im Februar gestarteten Captain America 4: Brave New World. Dieser vereinte alles, was bei Marvel nicht mehr funktioniert: umfangreiche Nachdrehs, kreative Überarbeitungen und absolute Durchschnittlichkeit. Die sprunghafte Erzählung kulminierte in einem typischen MCU-Finale mit teils grauenhaften Greenscreen-Aufnahmen und einer CGI-Zerstörungsorgie des roten Hulk, während der eigentliche Star zur uninteressanten Nebenfigur degradiert wurde.

Weniger Filme wie Capain America 4 und mehr Filme wie Thunderbolts* wünsche ich mir für die Zukunft des MCU. Und The Fantastic Four: First Steps könnte im kommenden Juli diesen Wunsch bereits erfüllen. Obwohl das retrofuturistische Abenteuer der Superhelden-Familie weitaus mehr digitale Effekte als Thunderbolts* erfordert, soll die Welt der Fantastic Four auch hier mit vielen echten Setbauten und Miniaturen zum Leben erweckt werden.

Natürlich werden in Zukunft nicht alle Marvel-Filme wie Thunderbolts* aussehen. Der vielversprechende Beginn einer neuen Gattung von MCU-Blockbustern hat uns aber vor allem eines gelernt, wie das Superhelden-Universum auch in Zukunft wieder begeistern kann: kreative Einfälle, eine klare thematische Linie, spannende Charakterarbeit und eine durchdachte Geschichte sind wichtiger als jede computergenerierte Effekthascherei.

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