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#Tinder sei Dank!

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Tinder sei Dank!

Ein Mitbewohner hat auf Tinder mit einer Medizin-Studentin angebändelt. Die zwei sind zuckersüß. Als Kirsche auf dem Sahnehäubchen kommt hinzu, dass sie in einem Impfzentrum arbeitet. Eines Tages im Juni rief sie ihren Tinderello, also meinen Mitbewohner an, und sagte, dass er schnell vorbeikommen solle, er könne sich spontan impfen lassen. Ohne Zähneputzen schwang er sich aufs Rad und nahm noch zwei Mitbewohnerinnen mit, die in der Küche frühstückten. Vierzig Minuten später wurde Moderna verschossen, abends bestaunten wir anderen die Pflaster am Oberarm.

Aber damit nicht genug, meine und eine andere Impfung geht auf das hübsche Lächeln einer Mitbewohnerin zurück. Ihr Fang beim Online-Dating war zwar kein Mediziner, aber ein gewitzter Kerl, der genau wusste, was man wann und wo tun muss, um einen Termin in der Impflotterie alias impfterminservice.de zu bekommen, ohne faule Tricks. Meine Mitbewohnerin ist genesen, für sie war das nicht relevant. Daher hat er mir – und nicht ihr! – die Vorgehensweise per Whatsapp genau erklärt. Wenig später floss Biontech in meinen Adern. Dabei haben wir uns an die Regeln gehalten. Mein Wissen gab ich weiter.

Man könnte jetzt sagen, dass Liebeswillige immer härtere Geschütze auffahren, um das Objekt ihrer Begierde von sich zu überzeugen. Aber das ist es nicht; die zwei Tinder-Dates waren einfach hilfsbereit. Aus meiner Mitbewohnerin und dem schlauen Kerl ist nichts geworden. Biontech für die Mitbewohner statt der großen Liebe. Finde ich gut, danke lieber Tinder-Boy.

Danke, liebe Studierende

Was die zwei Dates uns getan haben, beobachte ich aktuell zuhauf. Wir jungen Menschen haben uns in den vergangenen Wochen untereinander geholfen, damit wir bei der Impfkampagne nicht als allerletzte am Zug sind. Diese Solidarität finde ich beeindruckend. Wir können sowieso stolz auf uns sein. Ohne Murren haben wir uns über ein Jahr lang in unsere winzigen Studentenbuden gesetzt und Online-Uni gespielt. Da hatten manche mit Einsamkeit zu kämpfen, andere mit ihren Mitbewohnern. Gemacht haben wir das nicht, weil wir als Zwanzigjährige große Angst vor Corona hatten, sondern aus Solidarität mit den Älteren.

Wir haben dafür kein Dankeschön erwartet, aber doch zumindest ein bisschen Respekt für unsere Situation. Dazu gehört auch, zu verstehen, dass junge Menschen besondere Bedürfnisse haben. Klar, feiern und reisen muss niemand, aber es gehört zum Erwachsenwerden dazu. Wer was anderes behauptet, hatte wohl eine traurige Jugend.

Die jungen Menschen früh zu impfen, wäre eine respektvolle Geste gewesen, die da sagt: Wir nehmen eure Lage ernst, wir impfen euch, damit ihr ab dem Herbst sicher wieder in der Uni sitzen könnt. Es wäre eine Gelegenheit gewesen, Danke zu sagen. Danke liebe Studierende, dass ihr ein Jahr lang in kleinen Ranzbuden alleine ausgeharrt habt, während es viele andere bei Grillwurst und Aperol im eigenen Garten so schwer hatten. Danke, dass ihr ein Jahr lang nicht auf Partys wart, obwohl jetzt der letzte Zeitpunkt dafür ist, bevor ihr arbeiten, arbeiten, arbeiten sollt ­– für Rente und Vaterland.

Zu einer respektvollen Geste gehören Vakzine, die vom Robert-Koch-Institut auch für junge Menschen uneingeschränkt empfohlen werden. Aktuell sieht es eher nach Resterampe aus. An der Uni Mannheim gab es für die Studierenden kürzlich über 1.100 Johnson-&-Johnson-Dosen und 700 von Astrazeneca. Bei rund 12.000 Studierenden ist das eine Menge. Von der Uni war das perfekt organisiert und das Angebot wurde gut angenommen. Ich finde das super. Aber die Frage bleibt doch: Wie kann es sein, dass es bei Sonderimpfungen für Studierende nur die Dosen gibt, die die älteren Leute nicht wollen? Vakzine von der Resterampe sind gute Impfstoffe, aber sie sind wie Schnapspralinen als Geburtstagsgeschenk für einen Fünfzehnjährigen. Kann man machen, aber ein Geschenk von Herzen ist das nicht.

Wenn die Menschen in Zukunft von Corona sprechen, werde ich von Tinder und vom Einsatz, von der Solidarität und dem Verantwortungsgefühl der jungen Leute erzählen. Ich werde berichten, dass man das bereits beim Tindern gespürt hat ­– eine Tätigkeit, die für viele verantwortungslos wirkte. Das ist übrigens Blödsinn, denn die meisten hatten auf ein Date mit einer Corona-Infektion als Andenken keine Lust. Man hielt sich an das Gebot der Stunde: Gemeinsam einsam im Digitalen. Aktuell werben immer mehr Nutzer in ihren Kurzbiographien mit dem Prädikat „Geimpft“. Laut Zahlen von Tinder tauchte das Wort „Geimpft“ in den Selbstbeschreibungen der Nutzerinnen und Nutzer in Deutschland im Mai dieses Jahres 1050 Prozent häufiger auf als im Februar 2021. Und das zu einem Zeitpunkt, als die Impfkampagne noch nicht bei den Studierenden haltgemacht hat. Ich tinder, also bin ich geimpft.

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