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#Mehr Form als Funktion

Mehr Form als Funktion

Ironisch betrachtet, ähnelt Bikepacking dem Versuch, ein Formel-1-Fahrzeug zum Wohnmobil umzubauen: Einem Rennrad oder noch etwas häufiger einem Mountainbike werden nicht nur praktischerweise dicke Reifen spendiert. Es müssen an jeder sich bietenden Stelle des Fahrradrahmens auch Taschen und Behältnisse angebracht werden, genug für eine spartanische Campingausrüstung mit Biwacksack, Kocher und allem, was man in der Wildnis hinter Bad Salzuflen braucht. Dieses selbstverständlich aufs letzte Gramm hin optimierte Gepäck, und dieser Punkt ist nun ganz besonders wichtig, muss dem Rad alles aufgepackt werden ohne die Verwendung eines Gepäckträgers. Den hat schließlich alle Welt am Rad, und daher ist er ziemlich uncool. Um das Wesentliche im Werbedeutsch des Herstellers Ortlieb zu wiederholen: Bikepacking ist „atemberaubende Orte mitten in der freien Natur erleben und alles für deinen Trip auf dein Bike packen“.

Ursprünglich war Bikepacking eine Sache von Spezialisten: Die Selbstversorger, die Nordamerika durchquerten, bastelten sich anfangs ihre Ausrüstung selbst. Geschäftstüchtige Bastler machten kleinste Manufakturen auf und versorgten die weniger Geschickten mit Rahmen-, Sattel- und Lenkertaschen – nicht selten zu horrenden Preisen und mit langen Lieferfristen. Aus den Basteleien entwickelte sich ein eigener Stil, den etablierte Ausrüster übernehmen mussten, als die Nischenprodukte zur Mode wurden. Zum Beispiel ersetzt ein einfach vorn an den Lenker geschnallter Rollbeutel (Burrito) am Rad des Bikepackers häufig die gewöhnliche Lenkertasche des Radreisenden. Wohl am auffälligsten sind die langen Taschen, die an Sattelbrücke und -stütze befestigt werden, und schräg nach oben den Leerraum über dem Hinterrad nutzen. Im Rücken des Radlers sind sie zugleich ein heillos verdreckender Ersatz für ein Schutzblech. Zwar ist die Position dieser Taschen an sich überhaupt nicht neu, wohl aber ihre Größe. Ein solcher Backloader von Topeak kann 15 Liter fassen, rund das Dreifache der Größe von herkömmlichen unter dem Sattel montierten Taschen.

Beim Bikepacking wird auch der zentrale Raum im Dreieck des Rahmens über dem Tretlager genutzt. Auch das ist schon mit flachen Ledertaschen kleinerer und größerer Art in der Frühzeit des Fahrrads gemacht worden, hat sich aber nicht wirklich durchgesetzt. Zum einen erfordern unterschiedliche und sich immer wieder wandelnde Rahmenformen sehr verschieden geformte Taschen. Andererseits wird der Platz über dem Unterrohr von Flaschenhaltern oder heute von den Akkus der Elektroräder beansprucht. So ist es bei kleinen Dreieckstaschen und flach unter dem Oberrohr anzubringenden Taschen geblieben.

Krallt sich fest: Boa Drehverschluss.


Krallt sich fest: Boa Drehverschluss.
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Bild: Pardey

Schaut man sich die in Grau und Signalorange gestaltete Bikepacking-Serie von Ortlieb an, immerhin Hersteller einer großen Vielfalt von Fahrradausrüstung, sieht man, dass die Taschen, die sich ausdrücklich an Bikepacker richten, an den gleichen Stellen wie andere Fahrradtaschen sitzen. Sie verzichten auf den Gepäckträger, was sie nicht praktischer erscheinen lässt. Die Gesamtzuladung ist deutlich geringer als bei einem Reiserad mit Taschen, die auf Trägern montiert sind. Bikepacking-Ausrüstung unterscheidet sich von herkömmlichen Taschen abgesehen von den saftigen Preisen durch geringeres Gewicht und einen anderen Stil: mehr sichtbare Funktionalität und gegen Schmutz unempfindliche Robustheit.

Dass Ortlieb mit der Kernkompetenz Waterproof, wie es auf praktisch jedem Produkt steht, Stauraum speziell für das Bikepacking anbietet, erscheint selbstverständlich. Bei Topeak finden sich einzelne geeignete Taschen, Vaude bietet mit „3 x Trail“ an Lenker, Rahmen und Sattel 39 Liter Volumen. Auch Evoc Sports in München, bekannt vor allem für die mit Wirbelsäulenprotektor ausgestatteten Rad- und Wintersport-Rucksäcke, hat eine Bikepacking-Serie aufgelegt. Etwas Besonderes ist die Befestigung der Taschen vorn und hinten: Dabei kooperiert Evoc mit Boa, dem Hersteller der vor allem von Wintersportschuhen her bekannten Drehverschlüsse.

Die Serie ist in verschiedenen Größen und zwei Farben, Carbon Grey und Loam, also in Anthrazit und in einem an Mostrich erinnernden Gelbton, zu haben und ausgesprochen teuer. Wenn man sein Bike mit der jeweils größeren Tasche am Lenker und unter dem Sattel ausstattet und noch ein an verschiedenen Stellen plazierbares „Multiframe Pack“ dazu nimmt, bekommt man bloße neun Liter Stauvolumen (5 + 3 + 1 Liter) für 325 Euro. Einigermaßen überzeugt hat davon nur das Multiframe für 45 Euro, weil es rund um seine ovale Form ein in Abständen geschlitztes Trägerband besitzt. Man kann also die drei Klettbandagen an unterschiedlichen Stellen anbringen. Dass dann der Reißverschluss nicht immer so sitzt, dass das herzlich kleine Täschchen praktisch zu öffnen ist, muss man allerdings hinnehmen.

Am Handlebar Pack Boa und Seat Pack Boa (jeweils 140 Euro) haben gleich eine ganze Reihe von Punkten geärgert. Zum einen sind beide Taschen für echtes Bikepacking viel zu klein. Außerdem nervt im praktischen Gebrauch die spröde Steifigkeit des Materials. Evoc gibt – wie Topeak und Ortlieb, während Vaude ein Exoskelett verwendet – seinen Bikepacking-Taschen einen innen liegenden Rahmen. Die Außenhülle aber lässt sich nur schwer wickeln, so dass wirkliche Dichtigkeit besonders an der Satteltasche mit ihrem lediglich einen in der Mitte sitzenden Riemen und dem fummeligen Verschluss trotz einer Dichtlippe mit Klett kaum herstellbar war. Dass die Befestigung mit einer keilförmigen Klemmung am Lenker wie an der Sattelstütze und mit dem Boa-Drehverschluss universell passt und bombenfest hält, ist richtig. Der Sinn von Boa an Schuhen, dass nämlich die Spannung und damit die Passform jederzeit angepasst, also vergrößert und verringert werden kann, spielt bei der Befestigung der Taschen jedoch keinerlei Rolle.

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