#„Das Restaurant“ in Wien: Körperspannung wie eine Käsekrainer
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Die beiden Publikumslieblinge Manuel Rubey und Simon Schwarz spielen zum ersten Mal gemeinsam auf einer Bühne – und das Wiener Publikum ist zu Recht entzückt.
Was soll da schon schiefgehen? Zwei äußerst erfolgreiche Schauspieler, die miteinander befreundet sind, tun sich erstmals zu einem gemeinsamen Bühnenabend zusammen. Etwas Neues ausprobieren. Als Teil eines Deals, der zunächst einen Podcast lancierte, der sich gleich an die Spitze der österreichischen Podcast-Charts setzte – „Rubey & Schwarz“. Die beiden Schauspieler sind quasi Weltstars in ihrem Heimatland, auch wenn sie lieber „Publikumslieblinge“ genannt werden wollen.
Der Mittvierziger Rubey hat bereits Kabaretterfahrung, der Anfangfünfziger Schwarz scheut die Bühne eigentlich wie der Teufel das Weihwasser. Vor zehn Jahren war er in ebenjener Rolle im Salzburger „Jedermann“ zu sehen. Das Programm ist eine Mischung aus Theater und Kabarett, mit minimaler szenischer Ausstattung und so tourneefähig, dass es bis in den späten Herbst durchs Land ziehen wird. Aktuell wird im Wiener Stadtsaal in der Mariahilfer Straße gespielt, ausverkauft auf Monate hinaus.
Eine hoch verschuldete Bruchbude
Das Setting kommt als Nachricht aus dem Radio: Klimakrise. In Eisenstadt hat es morgens schon 38 Grad, der Neusiedlersee brennt, überall lauern Klimakleber. Da zieht man sich doch lieber in den bevorzugten Rückzugsort der Wiener Kulturblase zurück, in ein Waldviertler Dorf, wo es noch etwas kühler ist, auch wenn SUV-Fahrer dort aus dem fahrenden Wagen Warnschüsse auf Fußgänger abgeben. In Klagenfurt ist ein Onkel, so meldet es eine Tante per SMS, wegen der Überflutungen in seinem Auto ertrunken. Witz komm raus, du bist abgesoffen.
Wollen nur spielen: Simon Schwarz und Manuel Rubey
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Bild: Ernesto Gelles
Rubey und Schwarz, beziehungsweise ihre Kunstfiguren, haben eine Ruine gekauft und ein Sterne-Lokal namens „Das Restaurant“ eröffnet. Eine hoch verschuldete Bruchbude, Unkraut quillt aus dem Boden, Efeu wuchert, immerhin kehrt Christoph Waltz dort ein. Man kann gar nicht wirklich kochen, serviert aber Salbeirisotto, garniert überhaupt alles mit Aztekensalbei, einem Halluzinogen, das im Keller wächst. Eine einzige Mitarbeiterin gibt es, aber die fällt alsbald aus, weil sie sich, das Auto ihrer Mutter geerbt habend, am Parkplatz festklebt und gegen sich selbst demonstriert. Dann brennt die Bude ab, und die Staatsgewalt ermittelt wegen Brandstiftung und Vergiftung der Kundschaft in mehr als 3800 Fällen.
Die Bühne ist schwarz und leer, die Schauspieler tragen Schwarz, viel Bühnennebel quillt, zwei Stühle kommen zum Einsatz. Simon Schwarz spielt zu Anfang mit dem Rücken zur Kundschaft im Dunkeln. Er habe Panikattacken, ertrage es nicht, von Menschen angeschaut werden. Beim Film ist das etwas anderes, da stört ihn das Publikum nicht: In den Eberhofer-Krimis ist er mit jeder neuen Folge auch im benachbarten Bayern medial omnipräsent.
Rubey spielt den sensiblen Zweifler
Zwei Jahre hat er zusammen mit Rubey und zwei Journalisten, die auch Regie führen (Sebastian Huber und Jürgen Marschal), an dem Stück geschrieben, wirklich rund ist die Sache nicht geworden, darüber kann die ostentative Spielfreude nicht hinwegtäuschen. Auf mehreren Ebenen, die sprunghaft wechseln, wird der Plot rund um „Das Restaurant“ angereichert, anspielungsreich und selbstreferenziell, immer wieder die eigene Rolle als Schauspieler thematisierend, Quentin Tarantino, Klaus Maria Brandauer oder Josef Hader zitierend. „Braunschweig“ – auch ein Hinweis auf den gemeinsamen Auftritt in David Schalkos Kultserie „Braunschlag“ fehlt nicht.
Schwarz’ schon schüttere, rote Kopfbehaarung („Kuperfdachl“, „Pumuckl“) bieten Abschussbasen für Kalauer Richtung Schambehaarung, Namenswitze („schwarz gekauft“, „Schwarzwaltz-Klinik“) inklusive. Rubey spielt den sensiblen, reflektierten Zweifler, der unter der ADHS-Diagnose seines Freundes mehr zu leiden hat als dieser selbst. Die vorgebliche Privatheit umfasst Intimes, etwa wenn Schwarz von seiner „spontanen Analthrombose“ und einer Vorhautverengung berichtet, deren Operation schiefging und ihm seither erträglichen Geschlechtsverkehr nur noch in der Stellung „Gelsenstich“ erlaube – was er athletisch, ganz der gelernte Tänzer, der er ist, vorführt. Überhaupt spielt er mit viel Körpereinsatz, in geduckter Haltung, mit Faustfuchteln und „Tschaka-tschaka“-Gebrüll.
Die Freundschaft ist bedroht, seit Rubey dafür gesorgt hat, dass Schwarz nicht jene Rolle in Tarantinos „Inglourious Basterds“ bekommen hat, mit der Christoph Waltz dann Weltruhm erlangte. Als Wiedergutmachung bietet Rubey an, Schwarz seine Rolle als „Hitlermozart“ in einer ORF-Produktion abzutreten (die dann Robert Palfrader bekommt).
In einer österreichischen Polizeistation haben Menschenrechte nichts zu lachen: Mit wechselseitigen Verhören versuchen Rubey und Schwarz in der Rolle einer Polizei-Inspektorin, den abgebrannten Gastronomen ein Geständnis zu entlocken – mit allen übergriffigen Mitteln. Sollten die beiden sich allerdings dazu bereit erklären, zusammen mit ihr einen Podcast zu betreiben und mit ihrem Ruhm zum Erfolg desselben beizutragen, würde die Inspektorin die Ermittlungen einstellen.
Sind das die Spätfolgen der Droge? Die Eichhörnchen, die Simon Schwarz nun überall sieht, sprechen jedenfalls Kärntner Dialekt wie einst Jörg Haider und mutieren mit Hitlergruß zu „Reichshörnchen“, das ist ganz putzig gemacht. Aber das Genre politisches Kabarett streift der Abend nur zart. Er will unterhalten, Rubey und Schwarz wollen spielen, nicht vor der politischen Großwetterlage handeln. Das Wiener Publikum apportiert diesen mit Pause zwei Stunden währenden Knochen dankbar, gleichwohl ihm eine „Körperspannung wie eine Käsekrainer“ attestiert wird – kommt es doch seinen Lieblingen so nah wie sonst selten. Tschaka-tschaka.
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