#Tour vom Wannsee zum Neuen Garten: Zwischen Krieg und Totalismus
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„Tour vom Wannsee zum Neuen Garten: Zwischen Krieg und Totalismus“
Kriegsentscheidende Schlachten fanden entlang der Havel nicht statt. Dennoch gibt es am Flussufer einige historische Orte und Stätten zu entdecken. Auf einer gut dreistündigen Tour vom S-Bahnhof Wannsee zum Potsdamer Hauptbahnhof geht es vorbei am Haus der Wannseekonferenz, in dem die Perversion der nationalsozialistischen Diktatur ihren grausamen Höhepunkt in der „Endlösung der Judenfrage“ erreichte. Der zweite Höhepunkt dieser ebenso natur- wie wasserreichen Wanderung ist Schloss Cecilienhof, der letzte Prachtbau der Hohenzollern, in dem nach Kriegsende die Potsdamer Konferenz tagte.

Spaziergang auf den Spuren des Kriegs: Von Wannsee zum Schloss Cecilienhof
Vom Bahnhof aus geht es in Richtung Westen, wir folgen dem Flussufer vorbei an Häfen, Bootsmanufakturen und Segelclubs. Nach einigen hundert Metern taucht die Liebermann-Villa auf, das Sommerhaus des Impressionisten Max Liebermann (1847-1935). Das Museum ist derzeit geschlossen, Eindrücke des schönen Gartens gibt es auf Youtube. Liebermann war selbst Jude, als Reaktion auf die nationalsozialistische Machtergreifung trat er aus der preußischen Akademie der Künste aus, lebte zuletzt zurückgezogen.
Nur wenige Gehminuten von der pittoresken Villa entfernt liegt das Haus der Wannseekonferenz. In dem Gebäude, das heute eine Gedenk- und Bildungsstätte beherbergt, wurde der systematische Mord der europäischen Juden geplant. Erst im Januar diesen Jahres wurde eine neue Dauerausstellung eingeweiht, die sich mit Antisemitismus, der Planung eines Massenmordes und dessen Folgen beschäftigt. Auch hier gilt: Es gibt zahlreiche digitale Angebote, gerade auch für Berliner Schüler*innen, für die ein Besuch während ihrer Schullaufbahn schon fast obligatorisch ist.
Vorbei an schönen Badestellen und geschlossenen Ausflugslokalen
Die nächsten Kilometer geht es nun entlang des Ufers, auf der einen Seite endloses Wasser, auf der anderen der Düppeler Forst, in dem neben Rehen, Wildschweinen und anderen Wildtieren auch wilde Mufflons leben. Der Weg führt vorbei an einigen der schönen Badestellen in Berlin. Bald erreichen wir die Pfaueninsel mit ihrem vom Ufer aus sichtbaren historischen Fregattenschuppen sowie der Fassade des kleinen, aber sehr schönen Schlosses (wird aktuell renoviert!). Wer sich nicht die gesamte Tour zutraut, kann sie hier zweiteilen. Stündlich bringt der BVG-Bus 218 – oftmals ein historischer Doppeldecker – Ausflügler zum S-Bahnhof Wannsee.
Die nächsten Kilometer erfreuen vor allem Naturliebhaber. Auch wenn das Ausflugslokal Blockhaus Nikolskoe derzeit geschlossen ist, lohnt der Aufstieg dorthin, denn von der Terrasse der Institution hat man einen wunderbaren Blick über die Havel. Ebenfalls für eine kurze Einkehr geeignet: das Wirtshaus Moorlake, in dem vor der Krise auch regelmäßig Lesungen mit hochkarätigen Autor*innen stattfanden.

Auf der Glienicker Brücke wurden mehrfach Spione ausgetauscht
Nun kommen wir langsam in die Nähe von Potsdam, der brandenburgischen Landeshauptstadt, die immer einen Besuch wert ist. Linker Hand sieht man die Ausläufer des Glienicker Parks. Mit dem kleinen Schlösschen verwirklichte Prinz Carl von Preußen (1801-1883) im jahr 1823 den Traum von italienischem Flair am Rande Berlins. Direkt am Wasser liegt das dazugehörige Casino, das wir passieren.
Die Glienicker Brücke markiert den Übergang nach Brandenburg. Bereits im Zweiten Weltkrieg stark umkämpft, konnte ihre Sprengung nur durch Glück verhindert werden. Später bildete sie die Grenze zwischen DDR und West-Berlin. Berühmt wurde sie dafür, dass auf ihr Spione aus Ost und West ausgetauscht wurden. Sie gehört zu den interessantesten Brücken der Stadt.

Wir halten uns am Wasser und erreichen den Neuen Garten über die Schwanenbrücke. Dort gibt es einige spannende Orte zu entdecken: die Muschelgrotte ebenso wie hölzern verkleidete Eremitage oder eine von Carl Gotthard Langhans (1732-1808), dem Architekten des Brandenburger Tors in Mitte, entworfene Pyramide, die zum einen dem Ägyptenkult jener Zeit huldigte, zum anderen eine ganz profane Funktion hatte – als Kühlschrank.
Nach Kriegsende trafen sich Churchill, Truman und Stalin auf Schloss Cecilienhof

Das bei weitem bekannteste Gebäude ist das letzte Schloss der Hohenzollern, Cecilienhof, erbaut im englischen Landhausstil. Es wurde für den Kronprinzen Wilhelm (1182-1951) und seine Ehefrau Cecilie (1886-1954) zwischen 1913 und 1917 verwirklicht. 1926 erhielten Wilhelm und Cecilie das Schloss zurück, lebten dort bis 1945, flohen dann Hals über Kopf. Die Sowjets machten kurzen Prozess und enteigneten die Hohenzollern endgültig. Bekannt wurde Cecilienhof vor allem als Ort der Potsdamer Konferenz, die dort vom 17. Juli bis 2. August 1945 stattfand und bei der die Siegermächte Großbritannien, die Vereinigten Staaten von Amerika und die Sowjetunion weltpolitische Entscheidungen diskutierten. Eigentlich sollte anlässlich des Kriesendes eine Sonderausstellung eröffnen – der Termin wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.

Die Sowjets sollten noch bis 1994 rund um den Neuen Garten bleiben. In der Nähe des Schlosses schufen sie das „Militärstädchen Nr. 7“, neben Karlshorst einer der wichtigsten nachrichtendienstlichen Außenposten in der ehemaligen DDR. Über die Aktivitäten der Sowjets informiert die Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße Potsdam, es gibt eine Online-Ausstellung und einen interessanten Geschichtspfad.

Wer nach all dem noch Muße hat, sollte weitermarschieren in Richtung Potsdamer Innenstadt, die ebenfalls voller Highlights steckt wie dem Holländischen Viertel, dem Brandenburger Tor mit anschließender Flaniermeile, dem Museum Barberini. Für alle anderen gibt es die Möglichkeit, mit einer der diversen Tram- oder Buslinien zum Potsdamer Hauptbahnhof zu fahren.
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