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#Tränen, Dank und Liebe

Tränen, Dank und Liebe

Ein Spiel und so viele Geschichten. Die eines Siegers, der überlegen und ohne zu zittern den ersten ganz großen Titel seiner Karriere gewinnt; die eines Besiegten, der am Ende die Last der historischen Tat nicht mehr schultern kann, der aber etwas gewinnt, was ihn zu Tränen rührt; die eines nicht besonders fairen Publikums, das alte Versäumnisse mit neuen Fehlern bezahlt; die der Generation der Herausforderer und dem Gleichstand eines unvergleichlichen Rennens. Das alles passierte am letzten Tag der US Open 2021, eines atmosphärisch dichten, ereignisreichen, ziemlich unvergesslichen Turniers.

Der Sieger. Daniil Medwedew, erster Russe auf dem obersten Podest eines Grand-Slam-Turniers seit Marat Safin, der einen seiner beiden Titel 21 Jahre zuvor an gleicher Stelle gewann. Safin verblüffte die Welt damals mit einem unwiderstehlichen Auftritt in New York gegen den großen Pete Sampras, und genauso überlegen gewann Medwedew diesmal gegen die Nummer eins, Novak Djokovic (6:4, 6:4, 6:4). Er hatte den klareren Spielplan, schlug extrem stark auf, war auf alles gefasst und war frischer in Körper und Geist.

Fünfeinhalb Stunden weniger Tennis in den Beinen als Djokovic im Laufe des Turniers machten sich bemerkbar, und der einzige, der ihm auf dem Weg zum Triumph einen Satz abgenommen hatte, war ein holländischer Held aus der zweiten Reihe, Botic van de Zandschulp. Der erste Grand-Slam-Titel, gewonnen am dritten Hochzeitstag, stand schon fest, als die Sonne drüben in Manhattan noch nicht im Häusermeer versunken war; ganz anders als vor zwei Jahren, als er unter einem Abendhimmel in fünf Sätzen gegen Rafael Nadal verlor.

So planlos hatte man ihn selten gesehen

Der Besiegte. Vermutlich verging kein Tag in diesem Sommer, an dem Djokovic nicht daran dachte, was ihm der Grand Slam bedeuten würde, diese höchst exklusive Sammlung der vier großen Tennistitel in einem Jahr. In jedem seiner Spiele schleppte er diesen mit Hoffnung und Ambitionen gefüllten Rucksack mit, am Ende fehlte ihm die Kraft. So planlos, überhastet hatte man ihn selten in einem Finale gesehen, und spätestens nach dem Ende des zweiten Satzes war klar, dass ihn der Rucksack in die Tiefe ziehen würde.

Im Moment, als er den Grand Slam nicht gewann, wurde noch mal klar, was es bedeutet hätte, hätte er ihn gewonnen. Und mindestens ein Gedanke in diesem Moment galt Stefanie Graf, die 1988 in New York mit einem mindestens so großen Rucksack den vierten Titel des Jahres und den Grand Slam gewonnen hatte. Als Djokovic später gefragt wurde, was er nach dem Spiel zuerst empfunden habe, sagte er: „Erleichterung. Ich war froh, dass es endlich vorbei war. Zur gleichen Zeit war ich traurig, enttäuscht, aber da war auch Dankbarkeit ans Publikum für die besonderen Momente, die es mir auf dem Platz geschenkt hat.“

Als hätte er Balsam für die Seele gewonnen

Das Publikum. Ganz sicher hatten die Leute einiges gutzumachen. Ganz am Anfang gehörte Djokovic mal zu den Lieblingen der New Yorker, doch die Begeisterung hielt sich nicht lang, und oft genug ließen sie ihn im Regen stehen. Als er 2015 im Finale gegen Roger Federer spielte, bejubelten sie seine Fehler auf eine Art, die weit über die Grenzen der Fairness hinausging. Diesmal waren sie nicht ganz so wild drauf beim Versuch, ihn zu unterstützen.

Aber Medwedew brauchte schon ein ziemlich dickes Fell, um den Beifall bei seinen Fehlern nicht zur Kenntnis zu nehmen. Die Herausforderer. Zwei der Titel, die ihm am meisten bedeutet hätten, verlor Djokovic in diesem Jahr an die jüngere Generation. Alexander Zverev, geboren 1997, besiegte ihn in Tokio auf dem Weg zum olympischen Gold, und der ein Jahr ältere Medwedew ist der erste der Nachfolger, gegen den er ein Grand-Slam-Finale verlor. Was er dazu sagt? „Die neue Generation, wenn man sie so nennen will, ist ja nicht mehr neu. Sie ist schon gegenwärtig, etabliert. Ich denke, Tennis ist bei ihr in guten Händen.“

Mag sich lieber verstecken: Novak Djokovic nach dem verlorenen Finale


Mag sich lieber verstecken: Novak Djokovic nach dem verlorenen Finale
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Bild: AFP

Und die bewährten, älteren Hände sind am Jahresende immer noch gleich gefüllt. Die Formel 20-20-20 bei Djokovic, Roger Federer und Nadal steht, und auf einmal meldet sich wieder der Gedanke, wie cool es wäre, wenn die Granden so in Rente gingen. Und was den Grand Slam betrifft, so spricht einiges dafür, dass Rod Laver auf seine alten Tage vielleicht keine Konkurrenz mehr fürchten muss. Wobei, er wäre der Erste gewesen, der seinem Nachfolger von Herzen gratuliert hätte.

Und noch mal zum Besiegten. Djokovic weiß am besten, was er an diesem Tag in New York verlor. Aber es sah so aus, als habe er Balsam für seine Seele gewonnen. Die ungewohnte Erfahrung, von der Unterstützung der Leute getragen zu werden, rührte ihn zu Tränen; nicht erst nach dem Spiel, sondern schon kurz vor dem Ende. Beim letzten Seitenwechsel legte er sich das weiße Handtuch über den Kopf, aber man konnte trotzdem sehen, wie er darunter weinte.

Strahlender Sieger: Daniil Medwedew mit der US-Open-Trophäe


Strahlender Sieger: Daniil Medwedew mit der US-Open-Trophäe
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Bild: AFP

Es waren, so sagte er später, immer noch gerührt, keine Tränen der Enttäuschung oder der Erschöpfung, sondern Tränen der Dankbarkeit. Er habe nichts erwartet, aber an die Unterstützung, Energie und Liebe des Publikums werde er sich ewig erinnern. „Das Gefühl war einfach so stark. So stark, wie 21 Grand-Slam-Titel zu gewinnen.“ Wer weiß, vielleicht wird er, der immer darunter gelitten hat, weniger geliebt zu werden als Federer oder Nadal, ähnliche Erfahrungen machen wie einst Ivan Lendl.

Der wurde auch erst mit größerem Wohlwollen betrachtet, als er gegen Ende seiner Karriere immer wieder beim Versuch scheiterte, in Wimbledon zu gewinnen. Deshalb vielleicht das Schlusswort von einem großen, weisen Mann. „There’s a crack in everything/That’s how the light gets in“, sang Leonard Cohen in einem seiner Lieder.

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