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Trumps Russland-Politik: Zuckerbrot und Pipelines

Der sogenannte Friedensplan, mit dem der amerikanische Präsident Donald Trump Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine beenden will, ist noch nicht offiziell veröffentlicht worden. Das amerikanische Portal Axios berichtet von einem einseitigen Dokument, das ukrainischen Emissären in Paris vorgelegt worden sei. Darin ist ganz allgemein davon die Rede, dass Sanktionen, die seit 2014 gegen Russland verhängt wurden, aufgehoben würden und eine Zusammenarbeit besonders im Energie- und Industriebereich verstärkt werden sollte. Für den Kreml wäre das ein großer Erfolg. Zwar stellt Präsident Wladimir Putin die Sanktionen als Chance für Russland dar, sich zu entwickeln, lehnt sie aber zugleich als angeblich rechtswidrig ab.

Faktisch bremsen sie Russlands wirtschaftliche und militärische Entwicklung. Auch stört den Kreml, dass zahlreiche Funktionäre mit Einreiseverboten und Kontosperren belegt worden sind, zunächst unter dem Magnitsky Act von 2012, der nach einem in Moskauer Haft qualvoll umgekommenen Wirtschaftsprüfer benannt ist, und dann wegen des Kriegs gegen die Ukraine. Das Ende solcher Maßnahmen wäre ein Zeichen an Putins Personal, dass Menschrechtsverletzungen und Kriegsunterstützung straflos bleiben. Zudem würde das Ausscheren Washingtons, des bislang wichtigsten Akteurs der Sanktionskoalition, deren Bruch bedeuten und könnte andere Länder zum Ausstieg animieren.

Trump kann Sanktionen alleine aufheben

Trump könnte laut amerikanischen Medienberichten mehr als 90 Prozent der US-Sanktionen im Alleingang aufheben: diejenigen, die durch Erlasse des Präsidenten oder eines Bundesministeriums verhängt worden sind, im Rahmen einer Delegierung durch den Kongress. Die Präsidenten Barack Obama und Joe Biden stützten sich auf ein Gesetz aus den Siebzigerjahren, das dem Präsidenten das Recht gibt, bei einem „nationalen Notfall“ Sanktionen zu verhängen. Dessen Fortdauer muss einmal im Jahr vom Präsidenten selbst festgestellt werden. Für Obamas Sanktionen hat Trump dies Anfang März, für Bidens Sanktionen vor gut zwei Wochen getan und die Sanktionen gegen Russland verlängert – aber keine neuen erlassen. Er könnte nun den „Notfall“ für beendet erklären und die Strafmaßnahmen einzeln oder gebündelt aufheben.

Schon der vierte Besuch: Putin empfängt Witkoff am Freitag in Moskau.
Schon der vierte Besuch: Putin empfängt Witkoff am Freitag in Moskau.AP

In besonders wichtigen Fällen ist Trump auf den Kongress angewiesen. Während seiner ersten Präsidentschaft wurde 2017 der Countering America’s Adversaries Through Sanctions Act erlassen; Trump setzte ihn widerstrebend in Kraft. CAATSA gab vielen unter Obama erlassenen Beschränkungen Gesetzescharakter. So dem Ausfuhrverbot für sogenannte Dual-Use-Güter, die sich zivil wie militärisch verwenden lassen. Biden knüpfte Mitte Januar in seinen letzten Tagen als Präsident Sanktionen gegen russische Unternehmen wie die unter anderem mit Rüstung befasste Staatsholding Rostec, die Moskauer Börse und staatliche Geldhäuser wie die Sberbank und die Gazprombank an dieses Gesetz. Jetzt müsste Trump daher den Kongress einschalten, um diese Russland besonders störenden Sanktionen aufzuheben. Es ist ein kompliziertes Verfahren mit politischen Unwägbarkeiten.

Seinerseits ist Putin sehr daran interessiert, russischen Banken wieder den Weg auf internationale Kapitalmärkte zu öffnen. Das zeigte sich im März, als er den amerikanisch-ukrainischen Vorschlag einer Waffenruhe im Schwarzen Meer an die Bedingung knüpfte, „die Rosselchosbank und andere Finanzorganisationen“ von Sanktionen zu befreien und wieder an SWIFT anzuschließen, das wichtigste internationale Zahlungsabwicklungssystem. Doch hier könnte Trump nicht im Alleingang handeln. Die Rosselchosbank etwa steht unter Strafmaßnahmen nicht nur der USA, sondern auch der EU und Großbritanniens. Der Anbieter von SWIFT sitzt in Belgien und muss die Maßnahmen der EU einhalten. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass mit Euroclear und Clearstream die wichtigsten Clearinggesellschaften, die für den Handel mit Finanzinstrumenten entscheidend sind, in der EU sitzen.

Russland umgeht die Sanktionen

Zwar hat sich die russische Wirtschaft an die Sanktionen angepasst. Dennoch wäre eine Aufhebung der amerikanischen Strafmaßnahmen gegen den Finanzsektor eine große Erleichterung für sie, da internationale Transaktionen dann – auch jenseits von SWIFT – wieder einfacher und günstiger abgewickelt werden könnten als derzeit. Der Ausschluss aus dem System war eine der Maßnahmen, die unter Biden im G-7-Rahmen vereinbart wurden. Gleiches gilt für das Einfrieren von rund 300 Milliarden Dollar Währungsreserven der Russischen Zentralbank. Davon liegen aber nur etwa fünf Milliarden Dollar in den USA, mehr als zwei Drittel in europäischen Ländern. Eine einseitige amerikanische Freigabe hätte damit wenig Folgen. Außerdem ist Russland auf die Reserven nicht unbedingt angewiesen, da es am Ölexport weiter gut verdient und noch deutlich mehr Schulden aufnehmen könnte, um seine Ausgaben zu decken.

Schon vor einigen Wochen wurde darüber spekuliert, Trump könne Putin anbieten, aus der Vereinbarung über den Preisdeckel von 60 Dollar je Barrel für russisches Öl und Ölprodukte auszusteigen. Darauf hatten sich die G-7-Staaten im Dezember 2022 geeinigt. Zwar gilt die Maßnahme als wenig effektiv, da Russland sie mithilfe seiner Schattenflotte umgeht und das Öl statt wie früher nach Europa nun vor allem nach China und Indien verkauft. Doch entstehen Russland dadurch erhebliche Transport- und Versicherungskosten. Sollten die Amerikaner sich von dem Preisdeckel lossagen, würden diese Ausgaben deutlich sinken. Russland könne sein Öl dann leichter auch an andere Länder verkaufen, sagt Sergej Wakulenko, Fachmann für Russlands Energiesektor bei der Denkfabrik Carnegie, der F.A.Z.

Aus Sicht der russischen Wirtschaft wäre es zudem gut, würden die amerikanischen Sekundärsanktionen enden. Washington droht damit Unternehmen aus Drittstaaten, die Geschäfte mit russischen Partnern machen. Die Maßnahme gilt als eine der effektivsten, da etliche Banken und Geschäftspartner Russlands, auch in China und Indien, deshalb keine Geschäfte mehr mit russischen Unternehmen machen. Zwar hat man dafür ebenso Umwege über regionale Banken, Zwischenhändler und andere Länder gefunden, aber auch dies hat erhebliche Mehrkosten zur Folge. Wakulenko zufolge wäre es zudem eine große Erleichterung, wenn amerikanische Produzenten wieder Elektronik und Mikrochips, Turbinen für Energieprojekte und Flugzeuge nach Russland liefern dürften, da es schwer ist, dafür Ersatz in China zu finden.

Gespräche über Nord Stream 2

Das Weiße Haus wies gerade einen Bericht des Portals Politico zurück, demzufolge darüber diskutiert wird, die Sanktionen gegen die Ostseegaspipeline Nord Stream 2 aufzuheben. Trump hatte die Sanktionen in seiner ersten Amtszeit verhängt, Biden hatte sie ausgesetzt, aber nach dem russischen Angriff auf die Ukraine vor drei Jahren wieder in Kraft gesetzt. Einer der beiden Stränge von Nord Stream 2 ist noch intakt, der zweite sowie beide Röhren von Nord Stream 1 wurden durch Sabotage im September 2022 schwer beschädigt. Auch in diesem Fall würde eine Aufhebung der US-Strafmaßnahmen allein nicht ausreichen, um das Gas fließen zu lassen. Zunächst müsste die Röhre noch von Deutschland zertifiziert werden. Dann müssten sich europäische Kunden für das Gas finden, wohingegen sich die EU von russischen Energieträgern unabhängig machen will.

Aus amerikanischer Sicht hätte die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 den Nachteil, Interessen amerikanischer Exporteure von Flüssiggas (LNG) zu schaden. Spekuliert wird auch darüber, dass Washington die Leitung betreiben könnte, um auf diese Weise die russischen Gasmengen nach Europa zu kontrollieren. Gerüchte über einen Einstieg der Amerikaner gibt es ebenso rund um ein Flüssiggasprojekt des russischen Unternehmens Novatek namens Arctic LNG 2, das laut Politico in der Debatte über Sanktionserleichterungen auch eine Rolle spielt.

Im Bereich Rohstoffe könnte das unter Biden verhängte Verbot fallen, Öl, Gas und Kohle aus Russland in die Vereinigten Staaten zu importieren – wobei die USA auch vor dem Krieg nicht zu den wichtigsten Kunden Russlands gehörten. Insgesamt tauschten Russland und die Vereinigten Staaten 2021 Waren im Wert von rund 36 Milliarden Dollar aus; zwischen der EU und Russland waren es dagegen knapp 258 Milliarden Euro.

Ein großer Erfolg für den Kreml wäre auch die Rückkehr amerikanischer Unternehmen auf den russischen Markt, die diesen nach der Invasion verlassen haben. Dass es dazu in großem Umfang kommt, gilt aber als unwahrscheinlich. Seit 2022 hat es eine Welle von Enteignungen zugunsten von Regimegünstlingen gegeben, die auch ausländische Konzerne getroffen hat. Zudem bleibt das Risiko, dass nach einem Ende von Trumps Präsidentschaft wieder Sanktionen gegen Russland erlassen werden.

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