Wissenschaft

#Tierischer Kompass: Magnetfelder prägen Ameisen-Hirne

Dem geheimnisvollen Magnet-Sinn auf der Spur: Wüstenameisen kalibrieren ihr Navigationssystem durch einen inneren Kompass, verdeutlicht eine Studie durch Einblicke ins Gehirn der Insekten. Der damit verbundene Lernprozess hinterlässt demnach neuronale Spuren, die sich auffällig verändern, wenn man die Ameisen durch künstliche Magnetfelder durcheinanderbringt. Durch ihr relativ kleines Nervensystem bieten die Insekten besonderes Potenzial, weitere Einblicke in die Grundlagen der mysteriösen Fähigkeit bei Tieren zu gewinnen, sagen die Wissenschaftler.

Die Zugvögel sind das bekannteste Beispiel, doch auch bei anderen Tiergruppen wurde der „sechste Sinn“ bereits nachgewiesen: Manche Säugetiere, Reptilien und auch einige Insektenarten besitzen ein Orientierungsvermögen, das zumindest teilweise auf der Wahrnehmung des Erdmagnetfelds beruht. Die Mechanismen dieser tierischen Kompass-Systeme geben Wissenschaftlern aber noch einige Rätsel auf. Neben dem Sinnesorgan sind auch die neuronalen Verarbeitungssysteme bei der Wahrnehmung und Einprägung von geomagnetischen Informationen unklar.

Erste Einblicke in diese Prozesse hat nun ein Forschungsteam der Julius-Maximilians-Universität Würzburg bei Cataglyphis-Ameisen gewonnen. Diese werden auch Wüstenameisen genannt – einige Arten kommen aber auch im südlichen Europa vor. Sie zeichnet im Vergleich zu anderen Ameisen ein besonders komplexes Orientierungsvermögen aus: Auf verschlungenen Wegen entfernen sie sich bei der Nahrungssuche teils mehrere hundert Meter weit von ihrem Nest, können dann aber auf einer direkten Linie zum Eingang zurücklaufen. Diese Fähigkeit steht bereits seit einiger Zeit im Fokus der Forschung. Dabei hat sich gezeigt, dass sich die Cataglyphis-Ameisen neben weiteren Anhaltspunkten am Magnetfeld der Erde orientieren können.

Neuronaler Signatur auf der Spur

Die Würzburger Forscher konnten dabei zeigen, dass die Fähigkeit mit einem charakteristischen Verhalten verbunden ist: „Bevor eine Ameise zum ersten Mal ihr unterirdisches Nest verlässt und sich auf Futtersuche begibt, muss sie ihr Navigationssystem kalibrieren“, erklärt Seniorautorin Pauline Fleischmann den Hintergrund der Arbeit. Bei sogenannten Lernläufen erkunden die Insekten dabei die nähere Umgebung rund um den Nesteingang und drehen sich wiederholt um die eigene Körperachse. Dabei machen sie Pausen, bei denen sie sich immer exakt auf die Position des Nesteingangs ausrichten. Offenbar kalibrieren sie dabei ihr Navigationssystem mithilfe ihres Magnet-Sinns, ging aus den Voruntersuchungen hervor.

Nun sind die Forschenden der Frage nachgegangen, ob sich neuronale Spuren dieses Systems im Gehirn der Ameisen feststellen lassen. Sie führten dazu Untersuchungen an Cataglyphis-Ameisen in Südgriechenland durch. Die Wissenschaftler analysierten dabei die Hirnstrukturen von jungen Arbeiterinnen, bevor und nachdem sie ihre ersten Lernläufe unternommen haben.

Mithilfe einer mobilen Helmholtzspule hat das Forschungsteam das Magnetfeld an Eingängen von Ameisennestern manipuliert. © Robin Grob

In einigen Fällen manipulierten sie das natürliche Magnetfeld um den Nesteingang allerdings mithilfe einer Helmholtzspule, die für chaotische Richtungsinformationen sorgte. Erneut bestätigte sich dabei grundsätzlich: Durch die verwirrenden Informationen konnten sich die Ameisen bei den Lernläufen nicht korrekt auf den Nesteingang ausrichten.

Deutliche Veränderungen im Nervensystem

Durch die Untersuchungen der Nervenstrukturen im Gehirn der Versuchstiere konnten die Forschenden zeigen: Bei den Ameisen, die ihre ersten Ausflüge unter natürlichen Magnetfeld-Bedingungen machten, zeichnete sich eine deutliche Zunahme der synaptischen Verbindungen in Gehirnbereichen ab, deren Bedeutung für das Orientierungsvermögen bekannt ist.

Eine konfokalmikroskopische Aufnahme zeigt die Nervenstrukturen in einem Dünnschnitt eines Ameisen-Gehirns. © Wolfgang Rössler

Darin spiegelt sich wider, wie sich die Insekten bei dem Lernprozess eine Kombination aus Informationen über das Magnetfeld, den Verlauf des Sonnenstands und die visuelle Umgebung einprägen, erklären die Forschenden. Bei den Ameisen, die den verwirrenden Magnetfeldern ausgesetzt waren, zeigte sich hingegen ein anderes Bild: Die Forschenden stellten ein geringeres Volumen und weniger synaptische Komplexe in dem relevanten Gehirnareal fest.

Wie das Team erklärt, geht aus diesen Befunden hervor, dass die magnetische Information für die Bildung des räumlichen Gedächtnisses der Cataglyphis-Ameisen entscheidend ist: Die Ergebnisse belegen, dass sie einen funktionsfähigen Magnetkompass während ihrer Lernläufe brauchen, um ihr Navigationssystem zu kalibrieren und in Verbindung mit weiteren Informationen im Langzeitgedächtnis abzuspeichern. Bemerkenswert ist den Forschenden zufolge dabei, dass das vergleichsweise wenig Neuronen umfassende Insektengehirn diese komplexen Leistungen erbringen kann.

Genau darin steckt wiederum Potenzial für die weitere Forschung: Im Vergleich zu den komplizierten Strukturen bei anderen Tieren mit Magnetsinn lassen sich die Grundlagen der Fähigkeit bei den Insekten leicht erforschen. Deshalb wollen die Wissenschaftler nun auch am Ball bleiben: Sie hoffen, dem magnetischen Sinnesorgan und seinen Verknüpfungen bei den Cataglyphis-Ameisen auf die Spur kommen zu können.

Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Fachartikel: PNAS, doi: 10.1073/pnas.2320764121

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