Wissenschaft

Verlust des Y-Chromosoms behindert Immunabwehr von Krebs

Wenn in Blut- und Krebszellen von Männern das Y-Chromosom verloren geht, haben sie ein erhöhtes Risiko, an Krebs zu sterben. Warum das so ist, haben Mediziner nun herausgefunden. Demnach betrifft der Verlust des männlichen Geschlechtschromosoms auch weitere Zellen im Gewebe rund um den Tumor. Das wirkt sich negativ auf die Funktion des Immunsystems aus, wodurch sich aggressivere Krebsarten entwickeln können, wie das Team in „Nature“ berichtet. Die Erkenntnisse könnten nun helfen, die Immuntherapie zu optimieren und damit die Überlebenschancen von Männern mit Krebs erhöhen.

Jede Zelle im Körper von Männern enthält normalerweise ein X- und ein Y-Chromosom. Doch im Verlauf des Lebens verlieren die weißen Blutkörperchen oft ihr Y-Chromosom. Dieser „Y-Verlust“ im Erbgut ist nicht erblich, sondern wahrscheinlich eine Alterserscheinung oder Folge des Lebensstils und kommt bei älteren Männern häufig vor. Das Verschwinden des Y-Chromosoms kann das Herz, Hirn und andere Organe schädigen und so die Lebensdauer von Männern verkürzen. Wenn Männer zusätzlich einen Tumor entwickeln, beobachten Mediziner zudem immer wieder, dass diese Personen häufiger an dem Krebs sterben als Männer, in deren Blutzellen das Y-Chromosom noch vorhanden ist.

Auch Nicht-Krebs-Zellen verlieren ihr Y-Chromosom

Warum das so ist, haben jetzt Forschende um Xingyu Chen vom Cedars-Sinai Medical Center in Los Angeles näher untersucht. In früheren Studien hatten sie bereits herausgefunden, dass bei Blasenkrebs auch die Tumorzellen ihr Y-Chromosom verlieren. Jetzt haben die Mediziner bestehende Genom-Datensätze von rund 4.000 Menschen ausgewertet, um herauszufinden, ob das auch bei anderen Krebsarten der Fall ist und wie sich der Y-Verlust dabei auswirkt. Dabei schlossen sie aus den aktiven Genen indirekt, ob ein Y-Chromosom vorhanden war oder nicht. Zusätzlich untersuchten sie auch Gewebeproben von Tumorpatienten und Mäuse mit Y-Verlust in allen Körperzellen.

Es zeigte sich, dass bei allen 29 untersuchten Krebsarten nicht nur die weißen Blutkörperchen ihr Y-Chromosom verlieren, sondern auch die Krebszellen im Tumor. Überraschenderweise entdeckte das Team dabei zudem, dass auch normale Zellen im Gewebe im und rund um den Tumor, einschließlich Epithelzellen, Bindegewebszellen und Immunzellen, kein Y-Chromosom mehr haben. „Dieses Ergebnis war unerwartet, da Immunzellen als genetisch viel stabiler gelten als Krebszellen“, schreiben Nicholas McGranahan vom University College London und Rahul Roychoudhuri von der University of Cambridge in einem Kommentar zur Studie. Vom Chromosomenverlust betroffen waren auch die T-Zellen des Immunsystems, die eigentlich die Krebszellen angreifen und bekämpfen. Ohne Y-Chromosom konnten die Immunzellen diese Aufgabe aber nicht mehr so effektiv erledigen und es entwickelten sich aggressivere Krebsarten, wie das Team feststellte.

„Wenn Krebszellen kein Y-Chromosom mehr haben, ist es sehr wahrscheinlich, dass auch Immunzellen ihr Y-Chromosom verloren haben. Der gleichzeitige Y-Verlust in diesen beiden Zelltypen korrelierte mit hyperaggressiven Krebszellen und fehlerhaften Immunzellen, die die Krebszellen angreifen sollen. Dadurch entsteht ein aggressiver Tumor“, erklärt Co-Autor Simon Knott vom Cedars-Sinai Medical Center. Chen und Kollegen schließen daraus, dass die Tumore durch ihren Y-Verlust der Immunerkennung und -unterdrückung entgehen können, deshalb aggressiver werden und betroffene Patienten daher häufiger an Krebs sterben. Wie genau und in welcher Reihenfolge die verschiedenen Zelltypen im Tumorumfeld ihr Y-Chromosom verlieren und ob sie den Y-Verlust gegenseitig beeinflussen, geht aus den Daten nicht hervor und muss weiter erforscht werden.

Anpassungen bei der Immuntherapie nötig?

Krebspatienten könnten dank der Erkenntnisse jedoch künftig auf eine bessere Therapie hoffen: „Die Studie hat potenzielle Auswirkungen auf aktuelle Immuntherapien, einschließlich der CAR-T-Therapie“, sagt Seniorautor Dan Theodorescu von der University of Arizona in Tucson. Denn diese Krebstherapie setzt auf die körpereigenen T-Zellen eines Patienten, um Krebs zu bekämpfen. Die Abwehrzellen werden dafür aus dem Körper entnommen, im Labor optimiert und dann dem Patienten zurückgegeben. „Wir vermuten, dass Therapien mit T-Zellen, denen das Y-Chromosom fehlt, deutlich weniger wirksam sind als solche mit einem intakten Y-Chromosom“, so Knott.

Folgestudien müssen nun klären, ob sich die CAR-T-Zell-Therapie so anpassen lässt, dass sie auch für Männer mit Y-Verlust funktioniert. „Vielleicht könnten die T-Zellen aus dem Immunsystem eines Patienten auf einen möglichen Y-Verlust untersucht werden, bevor sie in der Behandlung eingesetzt werden“, so Theodorescu. Das könnte dann die Überlebensrate von Männern mit Krebs erhöhen.

Quelle: Xingyu Chen (Cedars-Sinai Medical Center, Los Angeles) et al.; Nature, doi: 10.1038/s41586-025-09071-2




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