VfL Bochum muss in Liga zwei: Viel Liebe zum Bundesliga-Abstieg

Dieter Hecking, das neue Gesicht des VfL Bochum, neigt nicht zu besonders ausschweifenden Erzählungen, und so wunderte sich niemand, dass der Trainer den Abstieg seines Klubs äußerlich sehr gefasst über sich ergehen ließ. Doch ganz am Ende dieses traurigen Nachmittags entglitt ihm dann doch eine sehr schöne Liebeserklärung an den Klub, der seltsamerweise mit Zuneigung und Anerkennung überschüttet worden war in diesem Moment des Versagens.
„Hier sind zwei ehrliche Häute unterwegs: der Verein und ich“, sagte Hecking nach dem 1:4 gegen Mainz 05 und dem Sturz in die zweite Liga. Das passte zu diesem eigentlich schmerzlichen Fußballereignis, das paradoxerweise enorm positive Gefühle produzierte. Selbst der Mainzer Trainer Bo Henriksen war beeindruckt vom emotionalen Setting, das entstanden war. „Was für ein wunderschönes Erlebnis mit diesen Fans, das ist total wahnsinnig“, sagte der Däne über die Art und Weise, wie die Bochumer ihren Untergang zelebriert hatten. „Ich habe sowas noch nie gesehen, das ist absolute Weltklasse.“
Während an anderen Standorten zu solchen Anlässen der blanke Zorn hervorbricht und schon mancher Spieler aus Furcht vor Übergriffen aus dem Stadion fliehen musste, feierten die Bochumer sich selbst und ihre Mannschaft. Obwohl das Team in der Gesamtbilanz nicht wettbewerbsfähig war in dieser Liga.
Aber das war nur noch nebensächlich, es ging um andere Dinge: Vor der Partie waren schon der langjährige Kapitän Anthony Losilla und der Kultspieler Christian Gamboa nach elf beziehungsweise sechs Jahren beim VfL in den Fußballruhestand verabschiedet und bejubelt worden. Und als immer klarer wurde, dass der Abstieg unausweichlich sein würde, weil Heidenheim in Berlin führte und der Rückstand gegen Mainz weiter anwuchs, füllte sich die Luft im Stadion mit Trostgesängen: „Zweite Liga, tut schon weh. Scheißegal, ist okay.“

„Dass so eine Unterstützung, so eine Positivität ausgestrahlt wird von den Rängen, ich glaube, das ist einmalig“, sagte der Rechtsverteidiger Maximilian Wittek. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Spürbar war eine gewisse Dankbarkeit für vier insgesamt schöne und ereignisreiche Jahre in der Liga. Dass dieser kleine Klub so lange durchgehalten hat, während Konkurrenten wie Köln, Schalke oder Hertha BSC abgestiegen sind, ist ein großer Erfolg.
Es gab in dieser Zeit viele denkwürdige Erlebnisse: Siege gegen die Bayern, Frankfurt, Leverkusen und den BVB. Und die verrückten Relegationsspiele im vergangenen Jahr, als das Team trotz einer 0:3 Heimniederlage im Hinspiel gegen Düsseldorf doch noch den Klassenverbleib schaffte. Zudem hat die Ankündigung von Dieter Hecking, trotz des Abstiegs in Bochum zu bleiben, ein Gefühl der Zuversicht entstehen lassen.
Dass Klub und Trainer „ehrliche Häute“ sind, die zueinanderpassen, empfindet wohl auch der Bochumer Anhang so. Hecking wird zugetraut, dass er eine erfolgreiche Zweitligazeit hinbekommt. „Ich verspreche euch eins: Wir werden alles tun, das zu reparieren“, sagte der 61 Jahre alte Trainer. Obgleich er erst im Herbst einen sehr unausgewogenen Kader übernommen hatte, übernahm er einen Teil der Verantwortung und rief den Fans zu: „Wir haben es leider nicht gelöst, dafür entschuldige ich mich bei euch.“
Die großen Fehler sind jedoch dem Sportchef Marc Lettau unterlaufen, der im vergangenen Sommer nach den Weggängen von Patrick Osterhage sowie Kevin Stöger keine konkurrenzfähige Mannschaft zusammengestellt und mit Peter Zeidler einen Trainer ausgewählt hatte, der kein einziges Spiel gewinnen konnte. Mit Hecking wurde es besser, aber das schlichte Grundmuster des Misserfolgs blieb: Im Angriff war die Mannschaft zu harmlos und in der Defensive unterliefen den Spielern konstant folgenschwere Fehler. „Das ist eine Mixtur, die dann toxisch wird“, sagte Hecking, der dem Verein dennoch eine neue Perspektive gibt. „Jetzt liegt es an mir, am Staff, am Trainerstab, wieder eine Mannschaft zu haben, die für mehr stehen kann“, sagte er.
Gemeinsam mit dem Geschäftsführer Ilja Kaenzig und dem neuen Sportchef Dirk Dufner habe er schon grob skizziert, wie ein Kader aussehen sollte, mit dem eine schnelle Rückkehr in die Bundesliga möglich ist. Wirtschaftlich wird der VfL nach vier Jahren Bundesliga aufgrund der Geldverteilungsmechanismen vorerst zu den stärksten Zweitligaklubs zählen. Außerdem hat Bochum sich in dieser Zeit geschickt als Standort profiliert, wo Fans Sehnsüchte nach einem ursprünglichen Ruhrgebietsfußball stillen können. Wo es um Zusammenhalt, Intensität sowie Leidensfähigkeit geht und wo ein Stadion steht, in dem sich diese Kräfte besonders gut entfalten können.
Das wird bleiben und auch in der zweiten Liga funktionieren. Auch wenn Hecking bei aller Zuversicht auch auf „warnende Beispiele“ hinwies: auf Vereine wie Arminia Bielefeld oder den SC Paderborn, die nach einer Zeit in der Bundesliga ziemlich schnell bis in die dritte Liga hinabgestürzt sind. Doch solche düsteren Gedanken wirkten sehr fern inmitten dieser Bochumer Abstiegsparty.
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