#„Vision und Schrecken der Moderne“ im Von der Heydt-Museum Wuppertal
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„„Vision und Schrecken der Moderne“ im Von der Heydt-Museum Wuppertal“
Hinter dem Rücken des Biedermeiers tobten die Dämonen der frühen industriellen Revolution. Während ein Spitzweg 1841 noch das bürgerliche Idyll des „Sonntagsspaziergangs“ feierte – väterlicher Schmerbauch vorneweg durchs leuchtende Getreidefeld, Frau und Kinder wie gehorsame Gänseküken dicht hinter ihm –, zeigte der Kölner Weberssohn Wilhelm Kleinenbroich nur vier Jahre später eine intime Szene ganz anderer Art. Ein Zeitungsleser hält in der Lektüre inne, schaut zur Seite, den Kopf in die Hand gestützt – und weint. Es sind die Tränen einer neuen sozialen Klasse, die hier fließen. Kleinenbroich nannte sein Bild „Der Proletarier“.
Mit dem Schraubstock der Karlsbader Beschlüsse hatte Metternich 1819 das politische Leben fixiert und zum Stillstand verdammt. In sozialer und ökonomischer Hinsicht indes gerieten die Verhältnisse an manchen Orten in heftigste Bewegung. Barmen, wo Friedrich Engels 1820 geboren wurde, gehörte schon damals mit etwa 20 000 Einwohnern zu Preußens Großstädten, aber 1861 waren es bereits fünfzigtausend Menschen, die hier lebten. Das Textilgewerbe hatte dem Tal der Wupper Wohlstand beschert, Dampfmaschinen und Frühindustrialisierung brachten ihm zusätzlich Armut und Elend. Während zahlreiche Haushalte verelendeten, wuchsen die großen Vermögen weniger Familien, die nach dem Vorbild der Aristokratie eine ausgeklügelte Heiratspolitik betrieben. Im Tal nannte man sie die „Meistbeerbten“. Von Künstlern wie Heinrich Christoph Kolbe oder Fritz Roeber ließen sie sich verewigen.
Das Blut der Armen
Die sozialen Unterschiede waren groß und wurden beklagt: „Oh, rühmet mir nicht einseitig das Glück dieses Tals“, mahnte 1828 Adolph Diesterweg. „Ich sehe nur allgemeinen Jammer und schleichendes Elend neben einigen scheinbar Glücklichen, welche sich durch das Blut der Armen, durch die Arbeit der Kinder bereichern. Auch sie sind nicht wirklich glücklich, wenn sie menschlich denken.“ Anderen war die Kluft zwischen Arm und Reich noch nicht tief genug.
„Vision und Schrecken der Moderne“ ist die Ausstellung im Von der Heydt-Museum überschrieben; „Industrie und künstlerischer Aufbruch“ lautet ihr Untertitel; ihr Anlass war der zweihundertste Geburtstag von Friedrich Engels im vorigen Jahr. Sie umfasst etwa 150 Arbeiten, Gemälde, Skulpturen, Grafiken und Fotografien, aus der Zeit des frühen neunzehnten Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Nur etwa zwanzig Leihgaben zählen dazu, alles Übrige stammt aus den eigenen Beständen des Museums, die ihren Ursprung in der Stiftung einer Wuppertaler Familie haben: die von der Heydts waren indes nicht in der Textilbranche, sondern im Bankgeschäft.
Von der Heydt-Museum Wuppertal
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Bilder einer Ausstellung
Banken haben keine Schlote. Im Weichbild einer Stadt sind sie anders als Fabriken kaum zu erkennen. Im Jahr 1867 soll der Rauch aus 290 Schornsteinen von Dampfmaschinen den Himmel über Wuppertal verdunkelt haben. Auf seiner Ansicht von Elberfeld bringt Hermann Würz die Insignien der Industrialisierung wie Eisenbahn und Fabrikgebäude noch mühelos in Einklang mit Spaziergängern, spielenden Kindern und einem alles ins Auge fassenden Mönch. Dass es Probleme etwa mit schlechtem Trinkwasser gab und soziale Unruhen wie den Textilarbeiterstreik von 1855 im benachbarten Kreis Lennep, ist hier nicht zu ahnen.
Der Arbeiter, der vielfach vierzehn Stunden täglich arbeiten musste, wurde zur Elendsgestalt, erfuhr aber auch Verklärung und Idealisierung, wie die Ausstellung mit Skulpturen wie Bernhard Hoetgers „Tauzieher“ (1902), Meuniers „Hammerschmied“ (1890) oder Lehmbrucks „Steinwälzer“ (1904) zeigt. Der arbeitende Körper wurde ästhetisch idealisiert, doch die heroische Pose verweist oft auch auf ein proletarisches Selbstbewusstsein, die wichtigste Errungenschaft der aufkommenden Arbeiterbewegung.
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