Voluntourismus – wenn Hilfe schadet

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Im Ausland reisen, die Welt sehen und dabei etwas Gutes tun: Voluntourismus verspricht spannende Erlebnisse mit sozialem Engagement verknüpft. Doch die Freiwilligen zahlen oft teure Reisen, die vor Ort dann mehr schaden als helfen.
Die Vorstellung, fremde Länder zu bereisen, neue Menschen und Kulturen kennenzulernen und gleichzeitig einen positiven Beitrag zur Gesellschaft zu leisten, klingt für viele junge Menschen verlockend. Diese Kombination von Freiwilligenarbeit und Reisen wird auch als Voluntourismus bezeichnet und findet gerade bei jungen Menschen viel Anklang. Sie können beispielsweise für einige Wochen in Ghana Englisch unterrichten, Kinder in einem Waisenhaus betreuen oder Wildtieren in Auffangstationen helfen. Ganz so großartig, wie die Idee klingt, ist sie aber nicht.
Freiwillige bekämpfen nur Symptome
Viele Organisatoren solcher Freiwilligenprogramme sind in erster Linie Reiseanbieter. Das Europäische Verbraucherzentrum warnt, dass diese statt wirklicher Freiwilligenarbeit oft überteuerte Urlaubsreisen anbieten, in die ein paar Arbeitsstunden in einem sozialen Projekt eingebunden wurden. Dies führe dazu, dass viele dieser Projekte keine nachhaltigen Lösungen für die bestehenden Probleme seien.
Beispiele finden sich in Ländern wie Kambodscha und Nepal, wo immer mehr Waisenhäuser eröffnet werden. Offiziellen Schätzungen der Regierungen zufolge sind jedoch 80 bis 85 Prozent der Kinder in diesen Einrichtungen keine Waisen. Vielmehr können es sich ihre Eltern oft schlichtweg nicht leisten, für den Lebensunterhalt der Kinder zu sorgen. Die Waisenhäuser fungieren somit eher als Internate, in denen die Kinder betreut werden und Zugang zu Bildung und Essen erhalten. Durch Touristen, die vor Ort spenden, und die Freiwilligen, die dort teils Unterricht und Betreuung übernehmen und dafür bezahlen, fließt gleichzeitig Geld in die Einrichtungen.
Dieses lukrative Geschäftsmodell führt dazu, dass noch mehr Waisenhäuser gegründet werden – teils sogar, ohne dass Bedarf besteht. Bereits 2014 warnte die Organisation Unicef vor Waisenhaus-Voluntourismus und dem Missbrauch, der durch solche Initiativen ermöglicht wird. Zum Teil werden die Freiwilligen dort nicht beaufsichtigt und könnten auch mit einigen der Kinder das Waisenhaus verlassen.
Die billige Arbeitskraft der Voluntouristen kann das Armutsproblem der lokalen Bevölkerung sogar noch verstärken: Organisationen vor Ort ziehen es dann vor, auf diese kostenlose Unterstützung zurückzugreifen, statt angestellte Mitarbeitende angemessen zu bezahlen. So gefährden Voluntouristen ungewollt die Arbeitsplätze der lokalen Bevölkerung, während die Organisationen von der billigen Mithilfe abhängig werden.
Kurze Mithilfe und fehlende Expertise
Ein weiteres Problem ist die kurze Verweildauer der freiwilligen Helfer: Insbesondere in sozialen Hilfsprojekten die Kinder oder Jugendliche unterstützen, ist es wichtig, dass vertrauenswürdige Ansprechpartner langfristig vor Ort sind. Das ständige Verabschieden und Kennenlernen neuer Bezugspersonen kann für die Kinder eine erhebliche Belastung darstellen. Dabei benötigen sie eigentlich ein stabiles und verlässliches Umfeld.
Zusätzlich dazu mangelt es häufig an einer angemessenen Vorbereitung der Freiwilligen. Viele Anbieter entscheiden eigenständig, ob sie die Fähigkeiten der Teilnehmer überprüfen oder nicht. Oftmals verfügen die Freiwilligen nicht über die notwendige Expertise, teils fehlen sogar grundlegende Sprachkenntnisse, um vor Ort sinnvolle Unterstützung leisten zu können. Diese Mängel können dazu führen, dass die gut gemeinte Hilfe möglicherweise sogar mehr Schaden als Nutzen bringt. Auch die Freiwilligen können darunter leiden, wenn sie mit Situationen konfrontiert werden, für die sie nicht ausgebildet wurden.

Vertrauenswürdige Anbieter finden
Wer trotzdem bei einem Voluntourismus-Projekt mitmachen will, sollte ein paar grundlegende Sachen beachten: Das Europäische Verbraucherzentrum empfiehlt einen Blick in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Anbieters, um festzustellen, welche Vorteile und Verpflichtungen mit der Reise verbunden sind. Teils müssen Verpflegung oder Flüge extra gebucht werden, bei manchen Anbietern sind sie hingegen enthalten. Alternativ hilft auch eine kurze Nachfrage, was alles im Paket enthalten ist. Dabei sollten Interessierte auch nach den konkreten Leistungen fragen. Etwa wie viele Arbeitsstunden ungefähr vorgesehen sind, bei welcher Organisation diese geleistet werden sollen und wie viel Freizeit bleibt.
Alternativen für ehrenamtliches Engagement
Allgemein rät das Verbraucherzentrum aber, sich lieber auf eine staatliche Freiwilligenarbeit wie den Bundesfreiwilligendienst zu bewerben. Wer unter 26 Jahre alt ist kann nach der Schule auch ein Freiwilliges Soziales oder Ökologisches Jahr absolvieren – beide sind nicht nur innerhalb Deutschlands möglich, sondern können auch im Ausland abgeleistet werden.
Alternativ bieten viele ehrenamtliche Organisationen in der Nähe des eigenen Wohnorts ebenfalls Möglichkeiten, sich zu engagieren. Bei der Tafel oder für die lokale Tierschutzorganisation zu arbeiten, mag im ersten Moment nicht so spannend klingen. Allerdings benötigen auch sie Hilfe und können Vieles lehren. So kann man etwa auf der Webseite Helfen kann jeder – ein Freiwilligenportal der Hilfsorganisatoren – einen Hilfs-O-Mat ausfüllen, der Präferenzen, Fähigkeiten und Wohnort bei der Suche nach einer Freiwilligenarbeit berücksichtigt.
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