#Warum Kohfeldts Stern bei Werder Bremen sinkt
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„Warum Kohfeldts Stern bei Werder Bremen sinkt“
Schon im Juni vor einem Jahr wirkte Florian Kohfeldt, als wisse er, dass für ihn bei Werder Bremen nur wenig zu gewinnen sein könnte. Natürlich wird Kohfeldt nicht zuerst in diesen Kategorien gedacht haben. Er ist so lange im Verein, dass man ihm die Identifikation mit dem SV Werder abnimmt. Zunächst wirkte Kohfeldts Bitte ungewöhnlich, als er nach überstandener Relegation um Zeit bat, bis er sich entscheiden würde. War nach dieser Saison, nach diesem Gezitter gegen den 1. FC Heidenheim nicht der Verein am Zug?
Sollte nicht Werder bestimmen, ob es mit Kohfeldt weitergehen würde? Ein knappes Jahr später hat jeder verstanden, warum sich Kohfeldt Bedenkzeit ausbat, ehe er sich dann doch aufmachte, seinen Vertrag bis Ende Juni 2023 zu erfüllen. Nicht nur hatte ihn die Spielzeit 2019/20 an den Rand der Erschöpfung gebracht. Die Aussichten schienen wenig prickelnd: Kohfeldt sollte mit einem schwächeren Kader mehr erreichen als zuletzt, sprich, Abstiegskampf in den letzten Saisonwochen verhindern.
Nach sechs Niederlagen hintereinander steht Werder an einer ähnlichen Stelle wie zum Ende der Vorsaison. Die Relegation war kein Ausrutscher. Der 38 Jahre alte Fußballlehrer hat aus einer deutlich schwächeren und günstigeren Truppe als 2019/20 nicht mehr herausgeholt als Platz 14 mit 30 Punkten. Und so sind die Diskussionen rund um Werder ähnlich. Sportvorstand Frank Baumann stützt den Coach, will mit ihm in die verbleibenden vier Spiele gehen. Aufsichtsrat Marco Bode, Baumann, Kohfeldt: Sie ziehen an einem Strang, haben sich dem Sparkurs verschrieben, den Finanzvorstand Klaus Filbry bemerkenswert transparent vorgibt.
Werder wirkt abgehängt
Allerdings ergibt sich vor dem wichtigen Spiel bei Union Berlin am Samstag (15.30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Fußball-Bundesliga und bei Sky) aus der Gemeinsamkeit kein Wettbewerbsvorteil mehr, im Gegenteil: Der Traditionsklub wirkt auf deprimierende Weise abgehängt, nicht nur finanziell, sondern auch, was den Spielstil betrifft – man muss kein Schwarzseher sein, um sich für Werder ganz allgemein nicht wesentlich mehr als Abstiegskampf vorzustellen. Dass die Mannschaft nominell geschwächt in die Saison 2021/22 gehen wird, ist beschlossene Sache. Die Kaderkosten müssen gesenkt werden. Und Baumanns glückliche Griffe, ohne Geld wichtiger denn je, sind rar geworden.
Es ist dieses ungute Gefühl des Abstiegs auf Raten, das sich im ganzen Verein breitmacht und das man beim Hamburger SV gut kennt. Zweimal vermied der HSV den Abstieg in der Relegation. 2019 war das Unvermeidbare nicht mehr zu verhindern. Nun versuchen die Hamburger im dritten Zweitligajahr in veränderten personellen Konstellationen aufzusteigen; sind nach dem 1:2 beim SV Sandhausen am Donnerstag aber wieder kurz davor, an sich selbst und der fehlenden Widerstandskraft der Spieler zu scheitern. Die Nord-Relegation wäre ein unterhaltsamer Quoten-Rekord.
Tief durchatmen: Für Werder Bremen wird es nochmal eng.
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Bild: EPA
Doch wer das Abschmieren der Urgesteine nicht nur hämisch betrachtet, sieht mit einem weinenden Auge, wie alte Marken von den großen Linien des Fußballs abgekoppelt werden. Gerade in Zeiten des ungehemmten Kapitalismus könnten sie ein gewichtiges Wort mitreden, mit der Wucht ihrer Anhängerschaft. Aber so? Als Abstiegskandidat, als Nicht-Aufstiegsaspirant? Schon fragt die „Bild“-Zeitung, ob nicht Horst Hrubesch statt Daniel Thioune der geeignete Mann wäre, den HSV kurz vor Schluss noch aufs richtige Gleis zu setzen.
Ein Trend zur Ausrede
Womit man in Bremen bei der Trainerfrage wäre. Seit Januar sinkt Kohfeldts Stern. Ob wahr oder nicht, er war seinerzeit ein denkbarer Nachfolger Marco Roses in Gladbach. Die 31 Punkte in der Saison 2019/20, Vereins-Minusrekord, gerieten in Vergessenheit, denn Kohfeldt hatte aus wenig relativ viel gemacht. Plötzlich spielte der SVW nicht mehr ansehnlich, punktete aber verlässlich. Mit dem 2:0 in Bielefeld am 10. März schien die grün-weiße Saison vor einem undramatischen Ende zu stehen. Schon da hatten aber längst andere Trainer Konjunktur. Pellegrino Matarazzo, Urs Fischer, Adi Hütter, Julian Nagelsmann sowieso: Ihre Aktien stiegen.
Kohfeldt hing bei Werder fest. Auch solche Gedanken dürfte er sich gemacht haben, als er vor einem Jahr über seine Bremer Gegenwart und Zukunft nachdachte. Vom Trainer des Jahres zum Pleiten-Rekord mit Werder: das hat nur zwei Jahre gedauert. Gewiss, zwei Jahre wären beim HSV eine rekordverdächtige Verweildauer. Aber die schon sprichwörtliche Ruhe und das Vertrauen der Führung haben Kohfeldt nicht gereicht, um aus dieser Mannschaft mehr rauszuholen als Gerangel mit Köln, Hertha und Bielefeld. Klubs wie Mainz, Stuttgart und Freiburg haben sich langsam von Werder abgesetzt.
Aber: Ist überhaupt mehr möglich? Kohfeldt hat keinen verlässlichen Torschützen. Ihm fehlt ein bissiger Abfangjäger. Ein fitter Innenverteidiger von Format. Es sagt alles über die Kaderstärke, wenn der aussortierte Philipp Bargfrede zurückkehrt, auch, um fehlende „Mentalität“ einzubringen, damit Werder gegen entschlossene Teams wie Mainz nicht wie eine Jugendmannschaft wirkt. Spielerisch ist wenig hinzugekommen: Konter wirken wie plötzliche Einfälle. Das Mittelfeld ist ermüdend unkreativ.
Dreieinhalb Jahre trainiert Kohfeldt Werder. Er hat sich Offenes, Authentisches bewahrt. Aber da ist auch der Trend zur Ausrede, zum Schönreden. Das Verlieren im sprachlichen Detail, statt Dinge klar zu benennen: etwas, das zum Beinahe-Absturz 2020 beitrug. Dort sind Kohfeldt und der SV Werder in diesem April 2021 wieder angekommen.
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