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Was der Ausfall von Ito, Davies und Upamecano bedeutet

Auf deutschen Amateurfußballplätzen wird immer wieder dasselbe Witzchen gemacht. Wenn ein Spieler den Ball mit seinem sogenannten schwachen Fuß ungenau stoppt, passt oder schießt, sagt am Spielfeldrand meistens ein Mann, der meistens früher selbst so halbgenau gestoppt, gepasst und geschossen hat, dass der Spieler diesen Fuß wohl nur zum Bierholen habe. Haha!

In dieser Saison ist das Witzchen aber auch schon von einem bekannten Vertreter eines bekannten Vereins gemacht worden. Als die Fußballmanager des FC Bayern München mit Alphonso Davies, dem Außenverteidiger aus Kanada, eine Vertragsverlängerung verhandelten, sagte ein Vertreter heimlich, dass dieser Davies seinen rechten Fuß zum Bierholen habe. Der Witz daran war, dass die Manager den Vertrag von Davies danach aber nicht nur vorzeitig verlängerten, sondern ihm, so berichtete das die „Bild“-Zeitung, zusätzlich auch noch ein Handgeld in Höhe von 22 Millionen Euro zahlten.

Dafür, dass seine Fußballmannschaft mit dem Ball den höchsten Maßstab setzen will, sind Davies‘ Fähigkeiten mit dem Ball höchstens mittelmäßig. Doch in der vergangenen Woche merkte man, wie wichtig dieser Davies den Managern in München dennoch ist. Als der kanadische Nationalspieler mit einem Kreuzbandriss aus seiner Heimat zurückkam (der dort allerdings noch nicht als solcher diagnostiziert worden war), sind die Manager fast schon so inquisitorisch aufgetreten, wie im Freistaat Bayern sonst nur das Kulturministerium, wenn eine Lehramtsstudentin das Wort „Profitmaximierung“ sagt.

Davies‘ entscheidende Eigenschaft

In dieser Saison, das dürfte die Aufregung beim FC Bayern erklären, findet das Finale der Champions League im Stadion in München statt. Doch wie erklärt sich, dass die Chancen darauf durch das Saisonaus eines Spielers gesunken sind, über den selbst im eigenen Klub gewitzelt wird, dass er den rechten Fuß zum Bierholen habe?

Auf diese Frage gibt es eine kürzere und eine längere Antwort. Die kürzere geht so: Er hat die wichtigste Eigenschaft, die ein Spieler im modernen Fußball haben muss. Er ist schnell, sehr schnell sogar.

Man kann an dieser Stelle schon festhalten, dass die Chancen, dass der FC Bayern das Finale der Champions League in seinem Stadion spielen und sogar gewinnen wird, in der vergangenen Woche wirklich signifikant gesunken sind. Weil sich in der Länderspielwoche nicht nur der Linksverteidiger Alphonso Davies, sondern auch der Innenverteidiger Dayot Upamecnao (freie Gelenkkörper im Knie – Saisonaus sehr wahrscheinlich) verletzt hat.

Und weil es dann am Samstag beim Bundesligasieg gegen St. Pauli (3:2) auch noch Hiroki Itō (Mittelfußbruch – Saisonaus) erwischt hat, der sowohl als Innen- als auch als Linksverteidiger spielen kann. Spätestens seitdem würden Pessimisten wohl sagen, dass der FC Bayern von einem Finale „dahoam“ so weit entfernt ist, wie Uli Hoeneß von einem Eintritt in eine sozialistische Partei. Davies, Upamecano, Itō – das sind nämlich nicht nur Abwehrspieler, die ins Spielsystem passen, sondern solche, die wegen ihrer Eigenschaften als spielsystemrelevant erachtet werden können, seit Vincent Kompany im Sommer 2024 der Trainer des FC Bayern geworden ist. Und damit zur längeren Antwort.

Kompanys aggressives Pressing

Am 13. August 2024, als Kompany erst seit vier Wochen mit seiner neuen Mannschaft arbeitete, verkündete der FC Bayern, dass Innenverteidiger Matthijs de Ligt den Verein wechseln wird. In München irritierte das manche. Weil der Klub erst im Sommer 2022 mindestens 67 Millionen Euro Ablösesumme für ihn ausgegeben hatte.

Und weil die Mannschaft in der Vorsaison mit ihm als Abwehrchef fast ins Finale der Champions League gekommen war. Doch als Kompany seine Spielidee präsentierte, war sofort klar, dass seine Abwehrspieler wegen des aggressiven Pressings immer wieder in Eins-gegen-Eins-Situationen geraten würden. Und in solchen Situationen müssen sie schnell sein. Die Innenverteidiger Upamecano, Itō und Minjae Kim sind das. Der Außenverteidiger Davies sowieso. Der Innenverteidiger de Ligt nicht.

In dieser Saison, in der Itō wegen derselben Mittelfußverletzung fast durchgehend fehlte, spielten daher Upamecano und Kim in der Mitte – und steigerten sich, nachdem sie in den ersten Wochen und Monaten der Saison immer wieder irritiert wirkten. Im Achtelfinale der Champions League gegen Leverkusen spielten sie gut. Und Alphonso Davies spielte wahrscheinlich so gut wie noch nie, seit er 2019 nach München gewechselt ist.

Mit Blick auf das Viertelfinale gegen Inter Mailand, das am 8. April (21.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Champions League und bei Prime Video) mit dem Spiel in München startet, wird Kompany in der Abwehrmitte voraussichtlich auf Kim und Eric Dier setzen. Und linksaußen auf Raphaël Guerreiro oder Josip Stanišić, der schneller ist als Guerreiro, dafür aber mit dem Ball deutlich fehleranfälliger.

Downgrade auch in der Offensive

So oder so konnte man am Samstag gegen St. Pauli sehen, dass das nicht nur in der Defensive (vor dem zwischenzeitlichen 1:1 war Dier mindestens einen Schritt zu spät) ein Downgrade war, sondern auch in der Offensive.

Als Leroy Sané den Ball einmal durch seine Beine rollen ließ und damit die Abwehrspieler aus dem Strafraum lockte, fehlte Guerreiro die Geschwindigkeit, um mit dem Ball aufs Tor zuzurennen. Mit Davies wäre das sehr wahrscheinlich anders gelaufen.

Im Anschluss an das Spiel saß der Trainer aus St. Pauli, Alexander Blessin, in dem Pressekonferenzsaal im Stadion und sagte, dass sein Team trotz der Niederlage „mit wenig Kontakten schnell nach vorne gespielt“ habe, dass es das „ein um das andere Mal richtig gut gemacht“ habe und dass aus seiner Sicht „ein bisschen mehr drin gewesen wäre“. Was sagt das über die Chancen der Bayern gegen den italienischen Meister, wenn schon der Trainer des Tabellenfünfzehnte der Bundesliga so spricht?

Die Chancen sind gesunken, ja. Doch anderseits sollte man nichts ausschließen nach einer Woche, in der sich Uli Hoeneß – kein Witz – für die Stadiongenossenschaftsaktion des FC St. Pauli hat fotografieren lassen in einem T-Shirt mit der Aufschrift: „Jetzt Genoss*in werden!“

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