Was muss man beim Wiederverkauf von Mode beachten?

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Ein ärmelloses rotes Etuikleid von Diane von Fürstenberg. Ein goldfarbenes Cocktaildress von Talbot Runhof. Zwei bronzefarbene Armreifen mit Türkissteinen der Pariser Schmuckdesignerin Sylvia Toledano. Und rote Lackschuhe der spanischen Marke Pretty Ballerinas. Meine Shopping-Ausbeute der letzten Wochen kann sich sehen lassen. Alles hochwertige Klassiker, an denen ich lange Freude haben werde und die so viel besser aussehen als schnelle Fetzen von Boden, H&M oder Zara.
Dabei habe ich weder im Lotto gewonnen noch mein Konto überzogen. Für die neuen Stars in meiner Garderobe musste ich jeweils nur 35 Euro, 75 Euro, 120 Euro und 65 Euro zahlen – statt der 400 Euro, 1200 Euro, 400 Euro und 200 Euro, die sie sonst kosten würden. 295 Euro zu 2200 Euro, das sind glatte 1905 Euro gespart. Mein Geheimnis? Seit zwei Jahren kaufe ich die Hälfte meiner Kleider auf Vintage-Plattformen, alles online. Früher roch Secondhand nach den Berliner Muffgaragen, in denen man Klamotten nach Kilo kaufen konnte, oder sah nach Rotkreuz-Flohmärkten aus, auf denen wir als Studentinnen alte Fuchsjacken erstanden, die auf den Autositzen der Freunde ihre Haare verloren.
Es geht beim sogenannten Pre-Loved-Trend nicht nur um Geldsparen in Zeiten, in denen im Berliner „Café Einstein“ ein Stück Erdbeerkuchen knappe sieben Euro kostet. Seit die Fashion-Apps Vestiaire Collective, Vinted und Resee auf meinem Handy installiert sind, bin ich dem Reiz von Kleidern mit Geschichte verfallen, die ich vor dem Vernichten und Vergammeln rette. Wie lange ich das machen werde? Keine Ahnung. Auf jeden Fall bringt jedes Kleiderpaket, das die Postbotin an die Tür bringt, einen kleinen Roman aus Stoff mit.
So wie beim besten Fund der vergangenen Monate: dem dramatisch drapierten Talbot-Runhof-Kleid in Gold, das mir Mireille aus Genf schickte. Mir ihr führte ich längere Preisverhandlungen auf Französisch. „Ich habe das Kleid nur einmal auf einer Hochzeit getragen“, schrieb sie mir, als ich nach dessen Biographie fragte, weil ich bei dem günstigen Ausgangspreis Bedenken wegen eines möglichen Fakes hatte. Mireille wollte es so schnell wie möglich verkaufen, weil Gold eine so ausgefallene Farbe selbst für ein Cocktailkleid ist. Wer will schon ein Kleid mit Rüschendrapée über den nackten Armen, das aussieht wie die Verpackung einer Mozartkugel? Also: 75 Euro. „Have fun!“, stand auf einem kleinen Zettel, den mir Mireille aus Genf in das Kleiderpaket gesteckt hatte. Leider hatten wir beide keine so enge Beziehung aufgebaut, dass ich fragen konnte, was denn die Ehe macht, deren Beginn sie in diesem Kleid gefeiert hat. Was es auf der Hochzeit zu essen gab und was die anderen Gäste trugen.
Noch weniger weiß ich von der Besitzerin des roten Etuikleids von Diane von Fürstenberg aus leichtem Stretchjersey für 35 Euro. Es gehörte vorher Vera aus Deutschland. Warum zieht Vera das tolle Kleid nicht mehr an? Der empfindliche Stoff ist in Eins-A-Zustand, man muss den Saum nicht mal kürzen, da man das Material elegant auf den Hüften rauf- und runterschieben kann. Hat Vera zehn Kilo zugenommen? Ist ihr das Rot eine Spur zu korallig? Trägt sie nur noch BoyfriendJeans? Auf alle Fälle: Ich nenne das Diane-Kleid mein Vera-Kleid. Wenn Vera das wüsste.
Rote Ballerinas mit Gute-Laune-Wirkung
Und wo wir schon bei Rot sind: Die roten Lackschuhe für 65 Euro von Pretty Ballerinas sind die überraschenden Gute-Laune-Knaller. Natürlich braucht man Ballerinas im Look von Liebesäpfeln mit Zuckerguss nicht zum Überleben. Trotzdem sollten sie wegen ihres antidepressiven Effekts von der Krankenkasse bezahlt werden. Immer wenn ich sie trage, bekomme ich garantiert ein Kompliment, besonders von Männern, die neben hochhackigen schwarzen Stiefeln rote Schuhe zu lieben scheinen. Wenn ich auf meine Füße schaue und die Schuhe rot hochleuchten, muss ich lächeln. Oft denke ich an die unbekannt-bekannte Verkäuferin, die sie vor mir nur einmal getragen hat. Es klebten sogar noch die Aufkleber auf der Sohle.
Da meine immer weiter ausufernde Vintage-Liebe bei familiären Mitbewohnern zu Territorialkämpfen in der Ankleide geführt hat, gebe ich doch nicht so geliebte Kleider in den Kreislauf zurück. Gerade habe ich meine schwarzen Gucci-Overknee-Stiefel aus geprägtem Logo-Samt mit hohen silberfarbenen Absätzen in Bambusform über Vinted vertickt. Ich hatte sie – es sind schließlich Sammlerstücke aus der Zeit von Tom Ford – mit 400 Euro angesetzt. Als eine Interessentin oder ein Interessent namens Armadio – auf Italienisch heißt das sinnigerweise Kleiderschrank – sich meldete und 250 Euro bot, sagte ich Ja. In den italienischen Wunderwerken konnte ich eh nicht laufen. Schon das Anziehen war eine Qual, das Ausziehen war noch viel schlimmer, denn meine Entenfüße steckten jedes Mal in den extrem engen Spitzen fest. Ich bewunderte sie nur ab und zu wie eine Skulptur.

So gingen sie nach Pesaro in ihr Ursprungsland zurück, nachdem ich sie vor acht Jahren in einem kleinen Secondhandladen in Wolfenbüttel für 100 Euro gekauft hatte. Dort hatte ich, in einem Anfall von Farbenglück, auch orangefarbene Paisley-Pantoletten mit kleinem Absatz von Emilio Pucci erworben – eine halbe Nummer zu groß. Weil sie so schön waren, bildete ich mir ein, auch mit diesen Aperol-Spritz-Hour-Modellen lässig die Terrassen meiner Freundinnen abzuschreiten. Leider kam ich mit ihnen nicht mal die Treppe unseres Hauses hinunter, da sie keine Riemchen hatten und ich aus ihnen praktisch herausfiel. Anfängerfehler. Immerhin konnte ich sie für 60 Euro auch auf Vinted verkaufen und kam mit null heraus.
Manchmal stelle ich nicht mehr oder selten getragene Sammlerstücke online spontan ein – und nehme sie dann wieder heraus, weil ich sie wie alte Kuscheltiere doch nicht hergeben will. So wie die khakifarbenen Marc-Jacobs-Gummistiefel mit hohem Absatz und Kunstfellrand, die in meiner Erinnerung unbezahlbar sind (ich kaufte sie während eines Wolkenbruchs für ein Vermögen in Toulouse, wo es nach deutschem Gefühl eigentlich nie regnet). Dreimal habe ich sie auf der Straße ausgeführt, einmal zu einer Kostümparty präsentiert, das war es. Da sie aus einem merkwürdigen Kunststoff sind, scheinen sie sich am Bein festzusaugen, man schwitzt in ihnen und kommt nicht allein aus ihnen heraus. Dennoch sind sie toll. Aber Mode ist eben nicht logisch. Sonst hätten wir nur einen einzigen Rock für die Woche und einen zweiten für den Sonntag, so wie unsere Mütter nach dem Zweiten Weltkrieg.
An Geoffrey Beene traue ich mich noch nicht heran
Eine Reise durch die Seiten von Vestiaire Collective und ihrer Online-Konkurrenz ist auch immer eine Mischung aus Modeseminar, „Vogue“-Archiv und dem imaginären Mitspielen in Netflix-Serien wie „Mad Men“. Gerade befinde ich mich gedanklich in einer Geoffrey-Beene-Phase, habe mich aber noch nicht getraut, ein Stück des legendären amerikanischen Designers aus den Sechzigerjahren zu bestellen. Die knielangen Kleider und Mäntel mit den großen Knöpfen sehen schon auf dem Handydisplay – nun ja – gestrig aus. Altmodisch und muffig wirken auch die fotografierten Etiketten. Aber mich locken die Erzählungen von Betty Halbreich über ihn. Die im vergangenen Jahr verstorbene Personal Shopperin des New Yorker Kaufhauses Bergdorf Goodman schrieb in ihrem letzten Buch über die legendäre Qualität von Beenes Kleidern.
Auf meiner Vintage-Wunschliste steht auch noch ein Yves-Saint-Laurent-Kleid aus der Kollektion Frühjahr/Sommer 2011. Eine Art trägerloses schwarzes Flamenco-Maxikleid mit wilden pinkfarbenen Rüschen und orangefarbenem Rand am Ausschnitt. Die daumennagelgroßen Bilder dieses Modells auf meinem Handydisplay haben mich so fasziniert, dass ich mir an meinem großen Computerbildschirm einen ganzen Abend lang Bilder dieser Kollektion im Netz anschaute. Die ganz große Oper. Vielleicht könnte ich das ersteigerte Kleid ja an die Wand hängen wie ein Kunstwerk. Es kostet aber immer noch 534 Euro, und es wäre sicher vernünftiger, für das Geld Aktien zu kaufen. Doch: Zu wissen, dass es dieses Kleid irgendwo gibt, macht mich glücklich.

Für die Modemacher unserer Zeit, die ihre Kleider verkaufen müssen, ist der Pre-Loved-Hype natürlich schlecht für den Umsatz. Auf der anderen Seite ist er eine Hommage an die Bedeutung ihrer Entwürfe und gibt ihren Ideen die Illusion von Unsterblichkeit. Neulich habe ich bei einem trip down memory lane auf Ebay genau das Modell Abendkleid von Laura Ashley wiedergefunden, in dem ich mich Mitte der Neunzigerjahre durch die Wiener Bälle tanzte. „Laura wer?“, fragte meine Tochter. Ich hatte das Prinzessinnenkleid irgendwann weggeben – wohin, weiß ich gar nicht mehr – und es dann immer wieder bedauert. Denn mit seinem rubinfarbenen Taftrock, den schwarzen Samtapplikationen und dem schwarzen Samtoberteil war es wie für mich gemacht.
Aber dann der Fund: Mein Kleid lebt bei einer Ebay-Verkäuferin in Bonn! Leider war ich zu langsam, und es wurde unterdessen für 81,99 Euro verkauft. Dafür überlege ich, ob ich in ein schwarz-rotes Mantelkleid mit Schottenmuster investieren soll, auch ein Laura-Ashley-Modell aus der Winterkollektion 1985. Ich trinke schließlich gern Earl Grey mit Milch, lese mit Vorliebe das Magazin „Tatler“ beim Bahnfahren und sehe vor mir, wie unser nicht existierender Labrador sich an den schwarzen Samtkragen schmiegen könnte. Allerdings nimmt die Verkäuferin 189,90 Euro für das Kleid, und das finde ich dann doch etwas viel.
Aber was ist viel Geld für ein Stück Stoff? Was ist wenig? Wie viel sind die Fäden von Geschichten wert? Während ich diesen Text schreibe, klimpern die schmalen goldfarbenen Armreifen mit Türkissteinen von Sylvia Toledano an meinem Armgelenk. Sie haben 120 Euro gekostet. Dafür denke ich bei ihrem Anblick an Paris, an meine Freundin Ali, die in New York einmal einen Gürtel mit Türkissteinen kaufte. An Byzanz, an die französische Schriftstellerin Christine Orban mit ihrem Kleiderroman „Fringues“. An Schatzkisten in der Phantasie – und im Netz.
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