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#Ausstellung „Ferne so nah“ über reisende Künstler

Sofern Sie in diesem Sommer reisen und dabei eine Ausstellung sehen wollen, steuern Sie Dresden an! Dort präsentiert das Kupferstichkabinett eine Zusammenstellung von knapp hundert graphischen Werken vom späten fünfzehnten bis ins späte neunzehnte Jahrhundert, die sich ihrerseits dem Reisen widmen. Einige Namen gefällig von denen, die hier Zeugnis ab­legen von ihren jeweiligen Welterkundungen? Dürer, Holbein, Maria Sibylla ­Merian, Rubens, Angelika Kauffmann, ­Goe­the, Mendelssohn-Bartholdy, Ludwig Rich­ter – man weiß gar nicht, wo man anfangen soll hinzuschauen, und noch viel weniger, wie man jemals aufhören sollte. Beginnen wir aber einmal mit dem oben dargestellten Herrn im Eis.

Jawohl, dort sitzt ein Mann im Eis: ganz klein am oberen Rand des unteren Drittels in der Mitte. Das ist Eugène Emmanuel Viollet-le-Duc, bekannt als Architekturtheoretiker und Bewahrer der französischen Kathedralen, aber auch begeisterter Zeichner und Bergsteiger. Am 11. Juli 1870 war er im Wallis auf dem Schwarzberggletscher unterwegs und in eine Spalte gestürzt, in der er sich aber auf einen Vorsprung tief im Eis retten konnte. Bis er herausgeholt wurde, zeichnete er seine im Sommerlicht faszinierend farbschillernde Umgebung. Das nennt man wohl, kühlen Kopf mit heißer Leidenschaft verbinden.

Ob die Zeichnung, die in Dresden zu sehen ist, im Gletscher entstand, darf man bezweifeln; sie zeigt ja auch den Künstler selbst, und die benutzten Gouache-Farben wird er neben seiner Aquarellausstattung nicht auch noch mitgeschleppt haben. Eher dürfte die Komposition auf Basis der im Gletscher entstandenen Skizzen angefertigt worden sein, aber sie ist typisch fürs Hauptthema der Ausstellung – und für deren wichtigstes Leihgabenkonvolut.

Eine mustergültige Kooperation mit London

In London sammelt die Katrin Bellinger Collection Darstellungen von Künstlern bei ihrer Arbeit, und sie hat fünfzehn Leihgaben nach Dresden gegeben, zu denen auch Viollet-le-Ducs Blatt gehört. Andere Arbeiten stammen von Künstlern, die man eher der zweiten Reihe zurechnen würde wie Antoine-Félix Boisselier, Friedrich Preller d. Ä., Johann Anton Ramboux, Al­lart van Everdingen oder Hubert Robert, die aber hier selbst in Konkurrenz zu einer ganzen Wand mit Meisterzeichnungen von Holbein, Dürer, Petel, Merian glänzen – nicht selten durch Witz. Auch aus London sind historische Malutensilien für reisende Künstler gekommen, etwa die 1841 erfundenen Farbtuben, die neue Möglichkeiten fürs Plein-air-Malen schufen. Nicht zuletzt verdankt die Ausstellung der Kathrin Bellinger Collection die Finanzierung des großartigen Katalogs, der leider nur auf Englisch produziert worden ist – böses Zeichen für die Absatzzahlen derart aufwendig recherchierter Begleitbücher.

London verdankt sich auch die Szenographie der Schau: Das Künstlerduo Langlands & Bell hat zusammen mit Ines Beyer aus Dresden einen wunderbar verlockenden Parcours in die lange Raumflucht gesetzt, der in der Ferne auf das gigantische Panorama der Stadt Rom zusteuert, das Giuseppe Vasi 1765 radiert hat. Dass dieses im eigenen Bestand befindliche Werk erst kürzlich in einer anderen Ausstellung des Kupferstichkabinetts gezeigt worden ist – wen schert’s? Schade eher, dass das Adrian Zinggs Skizzenbuch nicht gemäß der Beschriftung aufgeschlagen in sei­ner Vitrine liegt. Sonst hätte man unter einer subtilen Bleistiftzeichnung des Elbufers vom 30. August 1766 lesen können, dass der Künstler noch am selben Tag verhaftet wurde, weil man ihm unterstellte, die nahegelegene Festung Königstein auszuspionieren – kurz nach dem Siebenjährigen Krieg lagen in Sachsen die Nerven blank. Gleiches war Georg Petel 1623 in Livorno widerfahren, als er eine Detail­studie des dortigen Denkmals für Ferdinand I. de’ Medici anfertigte. Auch Petel notierte seine Festnahme lakonisch auf dem jetzt in Dresden ausgestellten Blatt.

Solche unerklärten Querverweise ziehen sich durch die ganze Schau, und selbst die schönste Präsentation, der zehnteilige Holzschnittfries „Sitten und Gebräuche der Türken“ von 1553 nach Zeichnungen von Pieter Coecke van Aelst, verweist mit serpentinenförmig gefertigten Tischvitrinen auf ein anderes Blatt, das eine sich ähnlich schlangengleich durch Rom windende Prozession zeigt. Coecke van Aelst war ­übrigens höchstwahrscheinlich tatsächlich als Spion durchs Osmanische Reich unterwegs, seine Zeichnungen dienten ihm nur als Vorwand. Auch das lernt man in Dresden.

Ferne so nah – Künstler, Künstlerinnen & ihre Reisen. Im Kupferstichkabinett, Dresden, bis zum 8. Oktober. Der Katalog „Connecting Worlds – Artist & Travel“ (erschienen bei Paul Holborton, London) kostet im Museum 34 Euro.

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