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#Weine doch, wenn es dir passt!

Weine doch, wenn es dir passt!

Die namenlose Erzählerin liebt Ivan und ist depressiv. Dann liebt sie Malina und ist immer noch depressiv. Sie läuft mit einem grauen, gerafften Kreppkleid und einem schwarzen Netzoberteil über die Bühne. Ihre lange Schleppe ist so schwer wie die Gedanken, die sie in sich trägt. Die Wohnung in der Ungargasse 6, im dritten Bezirk von Wien, ist ein Kabinett aus Spiegeln. Papier liegt am Boden. Aus jeder Ecke blicken Gesichter auf die Erzählerin, mal müde, mal traurig und manchmal tot. Zwei übermenschlich große Füße treten eine Zigarette aus. Die Erzählerin liebt das Rauchen, wenn sie nachdenkt und schreibt, in den langen, einsamen Nächten – in den Momenten, wo die „erratischen Monologe“ entstehen.

Die Kammerspiele des Schauspiels Frankfurt haben sich bei ihrer ersten Premiere in dieser Spielzeit an den Roman „Malina“ von Ingeborg Bachmann gewagt. Das Buch der Österreicherin, das 1971 erschien, erzählt die Liebesgeschichte zwischen einer namenlosen Intellektuellen in Wien und den beiden Männern, die mit ihr zusammenleben – Ivan, der Ungar, der in der Finanzbranche arbeitet, und Malina, der Historiker. Bachmanns Roman trägt autobiografische Züge und ist eine Kritik an der Gewalt, die von Männern ausgeht. In ihm reflektiert sie die gescheiterten Beziehungen zu Paul Celan und Max Frisch, die Gräuel der nationalsozialistischen Herrschaft und der Kriegszeit.

Lilja Rupprecht und Katrin Spira haben die Romanfassung für eine zweistündige, aber dennoch rasante Inszenierung für die Bühne adaptiert. Das Schauspiel inszeniert den dreiteiligen Roman als genderfluide Trauma-Elegie. Inga Busch, Manja Kuhl und Fridolin Sandmeyer wechseln in den Rollen der drei Protagonisten. Mal trägt er ein geblümtes Kleid. Mal sind die beiden Frauen maskiert. Dann tanzen sie im grauen Reifrock über die Bühne.

Nur noch Geschichten, die glücklich machen

Der erste Akt erzählt die glückliche Liebesgeschichte von Ivan und der Erzählerin, die allmählich auseinanderbricht. Der „schöne Ivan“, in diesem Teil gespielt von Sandmeyer, ist ein selbstbewusster, stolzer Mann. Die Welt und die Erzählerin scheinen ihm zu Füßen zu liegen. In seinem langen, beigen Trenchcoat kehrt er von seinen Dienstreisen zu seiner Geliebten zurück. Mit ihren Gefühlen jedoch, den Verlustängsten und Sorgen, kann er nicht umgehen – „geh aus, lies weniger, schlaf mal richtig“. Unausweichlich bekommt die Beziehung der beiden erste Risse. Die Erzählerin taumelt zwischen Lebenslust und dem geistigen Abgrund hin und her. Sie will wieder ein Buch schreiben. Ein „Esultate, jubilate“ soll es werden, regt Ivan an. Sie soll nicht wieder einen Text verfassen, der sich „mit dem Elend auf der Welt“ auseinandersetzt.

Ihr Blick ist fahl, ihr Gesicht zerfurcht. „Ivan weiß nichts von der Liebe.“ Er entgegnet flapsig: „Wir haben ja noch ein ganzes Leben.“ Einen Moment später steht sie im langen Designerkleid vor ihm. Keine Trauer mehr, verspricht sie, nur noch bunte Kleider und Geschichten, die glücklich machen. Doch wieder folgt der Zusammenbruch. Der Streit. Die falschen Gedanken. Die schlaflosen Nächte. Das Schreiben. Der Alkohol. Die Zigaretten. Bis Malina auftaucht.

Wieder geht er mit ihrem Leid flapsig um

Malina ist anders als Ivan. Er sorgt sich um ihre Gefühle, wird jedoch im Laufe der Zeit immer dominanter. Langsam gewinnt er die Oberhand über die scheinbar fragile Frau. Malina sagt fast gar nichts. Nur in den Gedanken der Erzählerin und den nächtlichen Monologen formt sich sein Charakter.

So wie der Roman dreigliedrig ist, besteht auch das Theaterstück aus drei Akten. Die Handlung wird durch Monologpassagen, lyrische Einwürfe und Musikdarbietungen unterbrochen. Dadurch entsteht ein atmosphärischer Rahmen für die Auseinandersetzung mit den Gedanken der Erzählerin. In der Dunkelheit der Nacht herrscht Stille, nur leises Wimmern ist zu vernehmen, bis eine launische Klaviermelodie erklingt. Philipp Rohmer spielt in einem silbern glänzenden Paillettenkleid Klavier. Malina ist wieder da. Sie stürzt sich ins Leben, trägt roten Lippenstift, die müden Augen sind weit aufgerissen. Ein Lachen geht durch den Saal. Sie liegt neben Ivan und schaut ihn verliebt, mit durchdringendem Blick, an. Doch wieder geht er mit ihrem Leid flapsig um: „Wenn du nicht glücklich bist, dann wirst du nie etwas Gutes tun können.“

Nur eine Gewissheit

Im zweiten Teil verwandelt sich die Bühne in ein groteskes Gruselkabinett. Die drei Schauspieler tragen Masken und künstliche Perücken. Ein Feuer lodert am Klavier. Die Erinnerungen an ihren schmierigen und dominanten Vater dringen an die Oberfläche. „Wer will denn schlafen in einem Nachtwald voller Fragen?“ Die Erzählerin schildert den sexuellen Missbrauch durch ihren Vater und dessen Vorliebe für „junge Frauen“. Die Masken fallen auseinander. Alle drei Schauspieler schreien um ihr Leben. Im Hintergrund erklingt der Song „Open Book“ von Cake: „You think she’s an open book. But you don’t know which page to turn on.“

Kuhl und Busch stellen eine Erzählerin dar, die zusammenbricht, aber immer wieder aufsteht. Nach der qualvollen Nacht erholt sie sich und beginnt wieder zu schreiben. Das Spiel der drei Schauspieler offenbart auch die Rolle von Malina, der gar nicht existiert, sondern der männliche Part ihrer Seele ist – das Zerstörerische, dessen sie sich entledigen muss. Doch die Frankfurter Adaption schließt nicht versöhnlich.

In den einsamen Stunden der Nacht, in denen sie an ihrem Buch arbeitet, gibt es für die Erzählerin nur eine Gewissheit: „Es gibt keinen Krieg und Frieden. Frieden ist nur eine kurze Pause. Es herrscht immer Krieg. Immer Gewalt.“ Sie muss sich mit ihrer Erinnerung arrangieren, nur das ermöglicht ihr die Emanzipation. „Ein Tag wird kommen, sie werden frei sein, alle Menschen. Es wird eine größere Freiheit sein, sie wird über die Maßen sein, sie wird für ein ganzes Leben sein.“

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