#Treffen am symbolträchtigen Ort
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„Treffen am symbolträchtigen Ort“
Bei der „Area Camper Matera“ ist dieser Tage wenig los. Das Geschäft komme nur schleppend in Gang, seufzt Donna Michela, die den Familienbetrieb führt. Die Pandemie und der Lockdown haben den Fremdenverkehr in ganz Italien getroffen, und den im „tiefen Süden“ besonders. Dorthin ist der Weg von den Ballungszentren im Norden und in der Mitte des Landes weit, und auch von den ausländischen Touristen zieht es eher wenige hier herunter. In Matera geht es seit 2019, als die Stadt in der Basilikata gemeinsam mit Plowdiw in Bulgarien Kulturhauptstadt Europas war, heute sogar noch ruhiger zu als vor dem singulären „Boomjahr“: Danach schloss sich gleich die Pandemie an.
Italien hat 2021 den Vorsitz in der G-20-Gruppe der maßgeblichen Industrie- und Schwellenländer inne, und für das erste persönliche Treffen der Außen- und der Entwicklungsminister der G-20-Staaten seit zwei Jahren hat die Regierung in Rom in den Süden eingeladen. Nicht nur in der „steinernen Stadt“ Matera mit ihren berühmten Sassi-Höhlen wurde konferiert. Auch Bari und Brindisi in der benachbarten Region Apulien sollten etwas abbekommen vom Konferenzbetrieb: Dort kamen die Entwicklungsminister zu ihrem eigenen Treffen zusammen.
„Im Moment hilft nur, was schnell geht.“
Die 500 Delegationsmitglieder und die 150 Journalisten würden allein der Stadt Matera einen „direkten wirtschaftlichen Nutzen“ in Höhe von 1,3 Millionen Euro bringen, hatte Bürgermeister Domenico Bennardi schon vor dem Treffen vom Dienstag errechnet. Andererseits waren das „centro storico“ und die Sassi den Tag über für Besucher gesperrt. Viele Geschäfte und Restaurants in der Altstadt blieben am Dienstag geschlossen. Hunderte Polizisten und Carabinieri, einige zu Pferd, waren im Einsatz. Den ganzen Tag kreisten Hubschrauber über der Stadt.
Rom hat das Jahr seiner G-20-Präsidentschaft auf drei Pfeiler gestellt: People, Planet, Prosperity. Schon beim „Weltgesundheitsgipfel“ der G 20 im Mai in Rom hatten sich die zwanzig Staaten der Gruppe, die 80 Prozent der globalen Wirtschaftskraft sowie 75 Prozent des Welthandels ausmachen und 60 Prozent der Weltbevölkerung stellen, auf eine engere Zusammenarbeit in Krisen wie der Corona-Pandemie geeinigt. Danach soll es Exportstopps oder Blockaden von Lieferketten für medizinische Güter wie in den vergangenen Monaten künftig nicht mehr geben. Impfstoffhersteller sicherten beim Treffen in Rom ärmeren Ländern außerdem die Lieferung von mehr als einer Milliarde Corona-Impfdosen bis Jahresende zu.
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sagte in Matera, man müsse ergebnisoffen „über die Aufhebung vom Impfstoffpatenten sprechen“. Weil dies aber eine langwierige Diskussion sei, müsse man „zweigleisig“ vorgehen und vor allem den Ausbau von Produktionsstätten in ärmeren Ländern vorantreiben: „Im Moment hilft nur, was schnell geht.“ Washington hatte schon vor Monaten die Aussetzung der Patente für Corona-Impfstoffe ins Gespräch gebracht, um deren Produktion für ärmere Länder zu erhöhen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich mehrfach gegen eine Aussetzung der Patentrechte ausgesprochen. Auch die EU-Kommission und Großbritannien sind gegen eine Aussetzung des Patentschutzes.
Hitze am Mittag
Außenminister Maas sagte in Matera mit Blick auf Russland und China, man habe bei dem Treffen klar gemacht, „dass wir von deren Impfstoff-Diplomatie nichts halten“. Es dürfe nicht um „kurzfristige geostrategische Vorteile“ gehen, denn „jeder von uns wird erst dann sicher sein, wenn wir alle sicher sind“.
Auch der amerikanische Außenminister Antony Blinken bekräftigte, dass die reichen Länder mehr für die ärmeren Staaten tun müssten, zumal in Afrika. „Um die Pandemie zu einem Ende zu bringen, müssen wir mehr Impfstoffe in mehr Länder bringen“, sagte Blinken. Die Pandemie habe die ökonomische Ungleichheit in der Welt weiter verschärft, sagte Blinken, deshalb müssten die G-20-Staaten den armen Ländern bei der Bewältigung von deren Schuldenkrisen helfen.
Zu einer Zusammenkunft von Blinken mit dem chinesischen Außenminister Wang Yi kam es ungeachtet mancherlei Spekulationen vor dem Treffen in Matera freilich nicht: Nicht nur der chinesische Chefdiplomat nahm lediglich über Videoschaltung an den Besprechungen teil, auch die Außenminister Australiens und Brasiliens waren nicht eigens nach Matera geflogen und ließen sich zuschalten. Russland und Südkorea hatten jeweils ihre stellvertretenden Außenminister nach Süditalien geschickt.
Am frühen Nachmittag, nach der Sitzungspause zu Mittag, führte Italiens Außenminister Luigi Di Maio seine Gäste durch die „Höhlenlandschaft“ der Sassi, die vom Plateau der Altstadt steil zum Fluss Gravina drunten in der Schlucht abfällt. Die in den Fels gehauenen Höhlenwohnungen, deren älteste schon in der Jungsteinzeit entstanden, sind nach Osten hin ausgerichtet und heizen sich schon in den Morgenstunden im Sonnenschein auf. Bis kurz nach der Mittagszeit waren die Temperaturen schon auf 36 Grad gestiegen. Ein Hoch über Nordafrika bestimmt seit Tagen das Wetter in Italien, vor allem im Süden des Landes. Für ein Treffen der Industrie- und Schwellenländer, bei dem es um die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Arm und Reich, zwischen Nord und Süd zur Bekämpfung von Pandemie- und auch der Klimakrise ging, war Matera der richtige Platz.
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