Wissenschaft

Wenn Bürger mitforschen

Manchmal fehlen in der Wissenschaft das Personal und die Zeit, um relevante Daten zu erheben. Engagierte Bürger können diese Aufgabe in Citizen-Science-Projekten übernehmen und so Forschenden zu wertvollen Erkenntnissen verhelfen, die ohne ihre Beteiligung nicht erreichbar wären. Diese Projekte decken ein breites Themenspektrum ab, von Umweltschutz- über Biodiversitätsstudien bis hin zu sozialen Fragestellungen. Teilnehmer lernen dabei nicht nur wissenschaftliche Methoden kennen, sondern tragen auch dazu bei, das Bewusstsein für wichtige gesellschaftliche Herausforderungen zu schärfen.

Wissenschaft und Forschung sind oft mit dem Bild von stickigen Laboren verbunden. Viele bedeutende Erkenntnisse entstehen aber direkt in der Natur. Besonders wenn es darum geht, die Umwelt zu untersuchen, müssen Wissenschaftler umfangreiche Daten im Freien sammeln. Dazu gehören etwa Videos und Bilder zur Dokumentation bestimmter Tier- und Pflanzenarten an verschiedenen Standorten oder Bodenproben zur Analyse von Mikroorganismen. Je mehr Daten gesammelt werden, desto präziser können Forschende ihre Ergebnisse ableiten.

Die Erhebung großer Datenmengen ist allerdings zeitaufwendig und erfordert oft mehr Personal, als wissenschaftliche Institute zur Verfügung haben. Eine vielversprechende Lösung für dieses Problem sind Bürgerwissenschaftsprojekte, auch bekannt als Citizen-Science-Projekte. Dank Smartphones und der relativ einfachen Entwicklung von Apps kann mittlerweile jeder bei der Datenerhebung helfen.

Foto einer Rotdrossel auf einem Baum
Bei der Mitmachaktion „Stunde der Gartenvögel“ können Naturfreunde Vögel in ihren Gärten oder Parks beobachten und melden. © Dave Dunn/iStock

Gartenvögel für die Wissenschaft melden

Einige erfolgreiche Beispiele dafür leitet der NABU (Naturschutzbund Deutschland). In einem seiner Projekte möchte der NABU herausfinden, wie sich die Populationen heimischer Vogelarten entwickeln: Wie viele Vögel gibt es aktuell? Nimmt ihre Anzahl zu oder ab? Wo leben sie? Es würde aber äußerst lange dauern, mit einer kleinen Gruppe von Forschenden oder sogar 30 geschulten Freiwilligen durch ganz Deutschland zu ziehen, um Vögel zu zählen. Außerdem könnten sie nur begrenzte Orte über einen kurzen Zeitraum untersuchen.

Hier kommen interessierte Bürger ins Spiel: Seit 2005 organisiert der NABU die Mitmachaktion „Stunde der Gartenvögel“. An drei Tagen im Mai – in diesem Jahr vom 8. bis 10. Mai – werden Naturfreunde dazu aufgerufen, eine Stunde lang Vögel in ihren Gärten oder Parks zu beobachten und ihre Beobachtungen zu melden. Früher geschah dies noch mithilfe von Ausfüllformularen; heute wird alles über die einfache App „Vogelwelt“ abgewickelt. Sie bietet Informationen zu mehr als 300 Vogelarten, inklusive Bildern und Tonaufnahmen von Vogelrufen. Durch verschiedene Filterfunktionen können Nutzer Vogelarten miteinander vergleichen und gesichtete Tiere korrekt identifizieren. Teilnehmer können für die Aktion so einfach die Vögel definieren, die sie gesehen haben, und diese melden.

Inzwischen hat sich die „Stunde der Gartenvögel“ zur größten Vogelbeobachtungsaktion Deutschlands entwickelt. Im Mai 2024 meldeten über 58.000 Menschen zusammen mehr als 1,2 Millionen Vögel – eine beeindruckende Zahl, die ohne das Engagement von Bürgern nicht möglich gewesen wäre. Zusätzlich wird jährlich im Januar die ähnliche Mitmachaktion „Stunde der Wintervögel“ durchgeführt. Die beiden Aktionen liefern wertvolle Daten für die Forschung über Größe und Veränderungen verschiedener Vogelpopulationen. Die freiwilligen Helfer tragen so zur Erfassung von Biodiversitätsdaten bei und helfen dabei, Trends im Vogelbestand über Jahre hinweg zu verfolgen.

Von Spielvergnügen bis Forschungseinblicke 

Doch nicht nur in der Natur, auch in anderen Forschungsbereichen können Bürgerwissenschaftler aktiv mitwirken. In der App „Brain Explorer“ können Kinder und Jugendliche beispielsweise kleine Spiele auf ihrem Handy spielen, um verschiedene kognitive Hirnfunktionen zu testen. Gelegentlich werden sie zusätzlich nach ihrem Befinden gefragt. Die Forschenden des Max Planck UCL Centre for Computational Psychiatry and Ageing Research möchten auf diese Weise herausfinden, warum psychische Erkrankungen häufig während der Pubertät auftreten und wie sie mit der Hirnentwicklung zusammenhängen. Im Projekt „Microbelix“ vom Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland können Bürger wiederum Bodenproben aus dem eigenen Garten einschicken, damit Forschende die darin enthaltenen Bakterien untersuchen können.

Ob Bürgerwissenschaftler Proben einsenden, spielerisch Daten bereitstellen oder eigene Beobachtungen melden – Citizen-Science-Projekte bringen stets wissenschaftliche Experten und interessierte Laien zusammen. Diese Zusammenarbeit bietet Vorteile für beide Seiten: Bürger werden stärker in wissenschaftliche Prozesse eingebunden und haben die Möglichkeit, spannende Einblicke in verschiedene Forschungsbereiche zu gewinnen. Gleichzeitig profitieren die Forschenden von einer breiten Datenbasis und den vielfältigen Perspektiven der Teilnehmer, was ihre Studien bereichert und die Qualität ihrer Ergebnisse verbessert.

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