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#Wer zagt, gewinnt

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Wer zagt, gewinnt

Jeder Schauspielschüler kennt Tschechows Gesetz vom Gewehr: Wenn es im ersten Akt an der Wand hängt, muss im letzten Akt mit ihm geschossen werden. In Michael Hanekes Film „Liebe“ mit Emmanuelle Riva und Jean-Louis Trintignant von 2012 ist das Gewehr ein Schemel.

Patrick Bahners

Patrick Bahners

Feuilletonkorrespondent in Köln und zuständig für „Geisteswissenschaften“.

Ein Star wurde Trintignant 1966 mit Claude Lelouchs Film „Ein Mann und eine Frau“, in dem er den Mann spielt und Anouk Aimée die Frau. Der Mann und die Frau sind beide verwitwet. Ihr Ehemann war Stuntman und ist bei einem Arbeitsunfall gestorben. Seine Ehefrau hat sich das Leben genommen, weil er, ein Autorennfahrer, einen scheinbar tödlichen Unfall hatte. In der Versuchsanordnung dieses Films fallen Gegenwelten zusammen, die bürgerliche Arbeitswelt und das Reich der Vergnügungen in den beiden Spielarten der Kunst und des Sports ebenso wie Lebensgefahr und Routine. Umgekehrt ist, als Mann und Frau jenseits aller Berechtigungen und Verpflichtungen aus Organisationen zusammentreffen, alles möglich, und nichts kann passieren. Mit Helm und Schutzanzug sieht man Trintignant unter heiterem Himmel in die präparierte Falle der fahrbaren Röhre steigen. Frei ist er nachts am Steuer seines Privatwagens, wenn er mit Anouk Aimée zunehmend weniger verstohlene Blicke tauscht, wenn seine Finger unternehmungslustig zittern, als müssten sie das Lenkrad nicht halten, wenn der Mann und die Frau lachend die Dinge laufen und die Welt fahren lassen.

Man möchte glauben, dass ein Schauspieler keine Kenntnisse des Rennsports braucht, um einen Sportwagenpiloten zu verkörpern. Trintignant wird sie auch nicht gebraucht haben, aber er hatte sie. Er kommt aus einer Familie von Rennfahrern. Sein Onkel Maurice nahm 1954 an den 24 Stunden von Le Mans teil, bei denen auch der Held von Lelouchs Film antritt. Für Porsche ging Jean-Louis Trintignant 1980 selbst in Le Mans an den Start. Schauspieler ist er geworden, um die Angst zu besiegen, seine Menschenfurcht, die Schüchternheit. Den Lebensplan fasste er, als er 1949 in Aix-en-Provence Charles Dullin als Molières Geizigen sah.

Der Novize musste sein Idol verdrängen

In einem Interview hat er gesagt, er wisse den Tag noch ganz genau: Der 11. Dezember 1949 war sein neunzehnter Geburtstag. Die Begebenheit belegt eine Regel, die der Historiker Johannes Fried aufgestellt hat: Gewissheit über das Datum ist das sichere Indiz einer falschen Erinnerung. Am 11. Dezember 1949 ist Dullin in Paris gestorben. Das Gastspiel in Aix hatte er im November absolviert. Welche nachträgliche Verarbeitung in Trintignants Gedächtnis stattfand, scheint am Tag zu liegen: Furchtlos wollte er Dullins Platz auf der Bühne einnehmen, und dafür musste der Novize sein Idol verdrängen.

Trintignant studierte in Paris an der von Dullin gegründeten Schauspielschule, wo weiter nach den Prinzipien des Verstorbenen unterrichtet wurde. Gleichzeitig nahm er Stunden bei Tanja Balachowa, wobei er sein Doppelengagement nach beiden Seiten hin geheim halten musste. So stand seine Ausbildung im Zeichen des Widerstreits von Maximen zweier klassischer Epochen der Schauspielkunst.

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