#Werden die Briten zu Gesundheitsfundamentalisten?
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„Werden die Briten zu Gesundheitsfundamentalisten?“
Portugal war das einzige klassische Reiseland Europas, das die Briten (seit Mitte Mai) besuchen durften. Mehr als 10.0000 machten sich in den vergangenen zwei Wochen auf den Weg, viele mehr buchten dort ihren Urlaub für den Sommer. Jetzt kündigte die Regierung in London überraschend an, Portugal von Dienstag an auf die „gelbe Liste“ zu setzen. Wer nicht rechtzeitig zurück ist, muss in zehntägige Quarantäne und mehrere hundert Euro teure Testpakete kaufen. „Gelbe Länder“ (wie auch Deutschland) sollen laut Regierung nur in „extremen Umständen“ aufgesucht werden. Der viel gefeierte „Impferfolg“ hat zumindest für Reisende nichts gebracht, im Gegenteil. Im vergangenen Sommer war das Reisen weniger beschwerlich.
Nicht nur Betroffene und Tourismusunternehmen äußern sich empört. Die portugiesische Regierung hielt London „Gesundheitsfundamentalismus“ vor. Die Lage rechtfertige die strenge Maßnahme nicht, hieß es. Das sieht die Regierung von Premierminister Boris Johnson anders. Mehrere Minister begründeten den Schritt am Freitag mit der jüngsten Verdopplung des Inzidenzwerts in Portugal auf 66 – Großbritannien liegt noch unter 40 – und der Gefahr einer neuen Variante, die Rückkehrer eingeschleppt hätten. Bei dieser sogenannten Nepal-Variante handelt es sich um eine Mutation („Delta+K417N“) der indischen Variante. Über diese wisse man zwar noch wenig, aber sie gebiete Vorsicht.
Verschlechterung der Zahlen
Johnsons Priorität ist der sogenannte letzte Lockerungsschritt am 21. Juni, wenn die Kontaktbeschränkungen aufgehoben und Großereignisse wieder erlaubt werden sollen. Bislang zeigt sich die Regierung noch „vorsichtig optimistisch“, dass der Zeitplan eingehalten werden kann, aber der Druck aus Wissenschaft und Oppositionsparteien wächst. Die indische Variante ist mittlerweile dominant. Sie macht 73 Prozent der Neuansteckungen aus und wurde bei etwas mehr als 12.000 Menschen registriert.
In den vergangenen Monaten war die Zahl der Corona-Neuansteckungen auf etwas mehr als 2000 am Tag geschrumpft. Jetzt ist sie binnen einer Woche um 49 Prozent angestiegen. Betroffen sind überwiegend junge, nicht geimpfte Personen. Die Zahl der Krankenhauseinweisungen hat sich leicht erhöht; sie liegt jetzt bei 110 Personen am Tag – drei Prozent mehr als in der Vorwoche. Die Zahl der Toten geht hingegen weiter zurück. Sie liegt bei weniger als zehn am Tag; am Montag verstarb erstmals seit dem Beginn der Pandemie niemand, der zum Zeitpunkt des Todes positiv getestet war.
Erste Wissenschaftler warnen gleichwohl vor einer „Verschlechterung der Zahlen“ und einer „neuen Welle im Frühstadium“. Der wohl bekannteste britische Epidemiologe, Neil Ferguson, bezweifelte am Freitag bisherige Annahmen über die indische Variante. Diese sei, entgegen früherer Schätzungen, nicht 20 bis 30 Prozent ansteckender als die britische Variante, sondern eher 60 Prozent, sagte er der BBC. Modelle, die unlängst vom Regierungsberatungsgremium SAGE veröffentlicht wurden, hatten bei einer 50 Prozent höheren Ansteckungsgefahr durch eine neue dominante Variante düstere Voraussagen getroffen. Danach würden in einem solchen Fall bis zum Sommer täglich 10.000 bis 20.000 Personen eingewiesen werden und 1000 am Tag sterben. Ferguson erwähnte auch „frühe Hinweise“ darauf, dass Geimpfte vor der indischen Variante B.1.617.2 weniger sicher seien als bislang angenommen.
Das SAGE-Gremium, dem Ferguson angehört, sprach sich am Freitag für eine Verschiebung des nächsten Öffnungsschritts aus. Vereinzelt meldeten sich aber auch Stimmen aus Wissenschaft, Politik und Medien zu Wort, die eine „Verhältnismäßigkeit“ der Maßnahmen anmahnten. Der Tory-Abgeordnete Mark Harper sagte, der Premierminister solle am angekündigten Lockerungstermin festhalten und so seinen früheren Berater Dominic Cummings widerlegen, der Johnson unlängst mit einem hin und her rollenden Einkaufswagen verglichen hatte.
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