Wissenschaft

#Wie beeinflussen Voreinstellungen wissenschaftliche Ergebnisse?

Was braucht es, damit Forschende aufgrund neuer Erkenntnisse ihre Meinung ändern? Stellen sie höhere Anforderungen an Studien, die ihrer Überzeugung widersprechen, als an solche, die sie bestätigen? Und wie reagiert die wissenschaftliche Gemeinschaft, wenn jemand Ergebnisse publiziert, die eigenen früheren Veröffentlichungen entgegenstehen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich ein wissenschaftstheoretischer Diskussionsbeitrag.

Ob in der Physik, der Medizin oder auch bei der Rekonstruktion der Erdgeschichte und dcer Entstehung des ersten Lebens: In vielen Bereichen der Wissenschaft gibt es konkurrierende Theorien und Erklärungsansätze, bei denen noch nicht klar ist, welche davon zutreffen und welche nicht. Dies gilt auch für die psychologische Forschung. Dort existieren beispielsweise unterschiedliche Modelle, um zu erklären, wie Menschen Entscheidungen treffen. Einige Forschende haben den größten Teil ihrer beruflichen Laufbahn damit verbracht, eines dieser Modelle zu verfechten. Sie haben unzählige Experimente dazu durchgeführt und in ihren Veröffentlichungen immer wieder für das von ihnen favorisierte Modell argumentiert.

Voreingenommene Interpretationen?

Können die Forschenden mit einem solchen, stark von einer Sichtweise oder einem Modell geprägten Hintergrund noch einen unvoreingenommenen Blick auf neue Ergebnisse haben? Was wäre, wenn sie in einem neuen Experiment plötzlich feststellen, dass das konkurrierende Modell viel besser passt? Und wie würde eine entsprechende Veröffentlichung in der wissenschaftlichen Gemeinschaft wahrgenommen? Diese Fragen wirft der Psychologieprofessor Ami Eidels von der University of Newcastle in Australien in einem Diskussionsbeitrag auf. „Wir sollten uns damit beschäftigen, wie sich unsere früheren Überzeugungen und Erwartungen auf unsere Interpretation wissenschaftlicher Ergebnisse auswirken, und möglicherweise auch auf den Umfang der Beweise, die wir benötigen, um unsere Überzeugungen zu ändern“, schreibt er.

Zur Veranschaulichung entwirft Eidels ein Szenario, in dem die fiktiven Personen Alex und Bea seit Jahren das gleiche Phänomen erforschen, wobei Alex Theorie A vertritt und Bea Theorie B. Beide erhalten nun unabhängig voneinander die gleichen experimentellen Ergebnisse, die besser zu Theorie A passen. Aus Eidels Sicht wäre es plausibel, dass Bea höhere Anforderungen an die Belege stellt, bevor sie einräumt, dass die neuen Ergebnisse für Theorie A sprechen, während Alex sich womöglich auch von schwächeren Belegen in seiner Meinung bestätigt fühlt.

Welche Rolle spielt der Kontext einer Veröffentlichung?

„Angenommen, Alex und Bea würden nun beide die neuen Ergebnisse veröffentlichen: Wie würde die wissenschaftliche Gemeinschaft die Studien bewerten? Würde die Arbeit von Bea höher gewichtet, weil sie ihre jahrelang verfochtene Überzeugung geändert hat?“, fragt Eidels. „Wenn wir davon ausgehen, dass die Studien in den Laboren von Alex und Bea mit der gleichen Sorgfalt durchgeführt wurden, erscheint es unfair, den gleichen Ergebnissen aus dem einen Labor eine größere Bedeutung beizumessen als denen aus dem anderen.“ Dennoch hält es Eidels für wahrscheinlich, dass dieser Kontext bei der Bewertung der Veröffentlichung eine Rolle spielt.

Als ein Beispiel nennt er eine Studie aus dem Jahr 2011, in der 100 Testpersonen raten sollten, hinter welchem von zwei Vorhängen sich ein erotisches Bild befindet. Während die zufällige Trefferquote bei 50 Prozent gelegen hätte, tippten die Testpersonen tatsächlich in 53 Prozent der Fälle richtig. Das Autorenteam der Studie deutete das dahingehend, dass die Personen zu einem gewissen Grad dazu in der Lage waren, in die Zukunft zu blicken – eine ziemlich gewagte Interpretation. „Seitdem hat es viele Versuche gegeben, diese Ergebnisse zu replizieren“, berichtet Eidels. „Auch hier stellt sich die Frage, inwieweit die Ergebnisse dadurch beeinflusst werden, ob die Forschenden an übernatürliche Phänomene glauben.“

Voreinstellungen erheben und einbeziehen?

Bestätigt wurden die Ergebnisse in größeren Versuchen nicht. Studien aus verschiedenen Laboren, in denen mehr als 2000 Testpersonen fast 38.000 Durchläufe absolvierten, kamen auf eine Trefferquote von 49,89 Prozent. Das Ergebnis sprach demnach nur noch für eine zufällige Verteilung der Treffer. Dabei fragten die Forschenden bei allen Mitgliedern der beteiligten Forschungsteams ab, ob sie an übernatürliche Phänomene glauben. „Direkt nach den Voreinstellungen zu fragen, ist ein wichtiger Schritt“, schreibt Eidels. „Da diese individuellen Angaben aber verzerrt sein können, können ergänzende Ansätze sinnvoll sein.“

So könne man beispielsweise anhand der früheren Publikationen von Forschenden eine Art Score bilden, wie überzeugt sie von einer bestimmten Theorie sind. Auch künstliche Intelligenz, die hunderte von Studien automatisiert auswerten kann, könnte laut Eidels zukünftig dabei helfen. „Wenn man die Voreinstellungen mit Hilfe von Selbstberichten oder einer futuristischen KI erfasst, stellen sich neue Fragen“, schreibt Eidels. „Sollten Leser Informationen über die früheren Überzeugungen der Forscher bei der Interpretation wissenschaftlicher Ergebnisse berücksichtigen? Und wenn ja wie? Diese Frage überlasse ich zukünftigen Diskussionen.“

Quelle: Ami Eidels (University of Newcastle, Callaghan, New South Wales, Australia), Royal Society Open Science, doi: 10.1098/rsos.231613

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