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Wie BVB-Trainer Niko Kovac das Puzzle von Borussia Dortmund meistert

Offenkundig hat der Fußballtrainer Niko Kovač eine ausgeprägte Neigung zu knappen Anglizismen. Schon recht früh in seiner Zeit als Trainer von Borussia Dortmund hat er ein Paradigma seiner Arbeit in die Worte „Keep it simple“ gefasst und anschließend überzeugend ins Alltagsleben bei Borussia Dortmund übertragen.

Beim 4:0-Sieg über den VfL Wolfsburg formulierte Kovač nun ein anderes Credo: „Do the unexpected“, tue das Unerwartete. Damit spielte er aber nicht etwa auf den vor wenigen Wochen kaum erwartbaren Sprung in die Champions-League-Ränge an, der zumindest für eine Nacht gelungen war.

Vielmehr wählte er erstaunlich kritische Worte, wo andere Trainer ihr Team mit einer warmen Dusche des Lobes übergossen hätten: Vor der Pause habe der BVB „zwar das Tor geschossen“, sagte er, „aber wir haben keine Zweikämpfe gefunden, wir hatten keine Ballbesitzphasen, wir haben einfach nicht gut gespielt.“

Höchste Vorsicht bleibt geboten

Seit etlichen Jahren wird diese Dortmunder Mannschaft als undurchschaubar und unberechenbar, vielleicht sogar als untrainierbar, in jedem Fall jedoch als höchst schwierig beschrieben. Und es ist weiterhin höchste Vorsicht geboten mit Analysen, die irgendwelche Prognosen enthalten.

Aber rückblickend lässt sich schon feststellen, dass Kovač erstaunlichen Erfolg mit seinen unerwarteten Winkelzügen hat, die bei genauer Betrachtung relativ simpel erscheinen. In der ersten Zeit, als das Spiel des Teams noch rumpelte, hat er viel gelobt, was manchen Beobachter am Realitätssinn des Kroaten zweifeln ließ.

Am Samstag erklärte er nun, warum: „Viele haben mir vorgeworfen, dass ich alles rosarot sehe, dass ich nur positiv bin und alle lobe“, sagte er im ZDF: „Aber das hat ja auch seinen Sinn gehabt. Wenn alle draufhauen und der Trainer auch draufhaut, dann gewinnen wir nichts.“

Jetzt sieht das Spiel der Mannschaft viel besser aus. Der BVB ist stabil, gewinnt regelmäßig, und Kovač kontrastiert das positive Feedback mit seinen zweifelnden Anmerkungen. Hinter dieser Art der Kommunikation steckt eine bewährte Art der psychologischen Gruppenführung, die aber nur einen Teil des Dortmunder Aufschwungs darstellt.

Guirassy und Adeyemi treffen

Ein anderer Aspekt ließ sich gut in den letzten zehn Minuten der Partie beobachten, als die Mannschaft die drei Punkte nach jeweils zwei Treffern des Torjägers Serhou Guirassy (3., 59.) und des eingewechselten Karim Adeyemi (69., 73.) längst sicher hatte: Die Spieler auf dem Platz haben weiterhin auffallend intensiv verteidigt und die Energie hoch gehalten. Fast alle jedenfalls.

Denn an der Seitenlinie führte Kovač einen Disput von großer Symbolkraft für den neuen BVB auf: Der Linksverteidiger Daniel Svensson war nach einem Vorstoß in die Offensive noch nicht wieder auf seiner angestammten Position angekommen, die der kurz zuvor eingewechselte Carney Chukwuemeka ein wenig halbherzig übernommen hatte.

Serhou Guirassy ebnete den Weg mit seinen beiden Toren.
Serhou Guirassy ebnete den Weg mit seinen beiden Toren.dpa

Mitten im Wolfsburger Spielaufbau führte der Trainer ein Streitgespräch mit dem Engländer über eine seriöse Positionierung. Es ging um zwei, drei Meter. Chukwuemeka leistete Widerstand, hätte lieber etwas riskiert, um vielleicht noch eine eigene Offensivaktion zu haben. Aber Kovač führt einen entschlossenen Kampf gegen diese Art der kleinen Nachlässigkeiten.

Exakt im Umgang mit solchen Situationen liegt seit Jahren eines der Hauptprobleme der Dortmunder. Die Entwicklung zeige sich auf dem Feld der „Basics, wo der Fußball anfängt“, sagte Pascal Groß später, „wir stehen im Moment sehr gut“. Dabei geht es nicht nur um Einsatzbereitschaft und Disziplin, sondern auch um eine Gruppenatmosphäre, die es allen leichter macht, die Grundlagenarbeit zu verrichten.

Gesunde „Leistungskultur“ gefordert

Auf dieser Ebene, wo etliche von Kovačs Vorgängern sich in Konflikten, Meinungsverschiedenheiten und belastenden emotionalen Dynamiken verloren, scheint der 53 Jahre alte Fußballlehrer – zumindest vorübergehend – die Kontrolle erlangt zu haben.

Genau das hat die Sportliche Leitung gemeint, als sie im Winter mehrmals die Entstehung einer gesunden „Leistungskultur“ anmahnte. Diese Qualität ist nun vorhanden, weil der neue Trainer einerseits durchgreift, wenn kleine Egoismen zur Belastung fürs Kollektiv werden.

„Das Zusammenspiel funktioniert nur, wenn Ordnung und Disziplin herrschen“, sagte Kovač jüngst in einem Interview mit den „Ruhr Nachrichten“. Wenn sich hingegen „jemand permanent außerhalb der vereinbarten Leitplanken bewegt“, werde er „sehr unbequem (…). Dann funktioniert Fußball nicht.“

Zugleich dürfen die Spieler aber viel mitreden, wenn es um die Trainingsgestaltung oder die taktische Vorgehensweise für die Spiele geht. Im Moment funktioniert das Kollektiv so gut wie lange nicht, „da sind wir auf einem richtig guten Weg“, sagte auch Sportdirektor Sebastian Kehl. „Ich sehe eine große Gier, große Laufbereitschaft“. Dass die Leistungskultur in der ersten Saisonhälfte Mängel aufwies, ist wohl das größte Versäumnis von Kovačs Vorgänger Nuri Şahin.

Die bodenständig-westfälische Seite

Jetzt erfolgt die Auswahl der Spieler für die Startelf stärker auf der Grundlage von Form und Trainingsleistungen. Beispielsweise saß Kapitän Emre Can gegen Wolfsburg zu Beginn auf der Bank, während die ehemaligen Problemprofis Niklas Süle und Ramy Bensebaini neben dem auffallend starken Waldemar Anton in der Dreierkette aufgestellt wurden und ordentlich spielten.

Kovač arbeitet eher an solchen Dingen statt an einer taktischen Neuerfindung seiner Mannschaft. Das passt gut zum Wesen dieses Klubs, der jenseits der großen Champions-League- und Klub-WM-Ambitionen auch eine bodenständig-westfälische Seite hat.

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