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#Wie Delta die Aufbruchstimmung in Deutschland verdirbt

Wie Delta die Aufbruchstimmung in Deutschland verdirbt

Deutschland nähert sich dem Normalbetrieb: Kneipen, Restaurants, Bahnen und Flugzeuge füllen sich, und das Bundesgesundheitsministerium ist dafür, dass für vollständig Geimpfte bald alle Corona-Einschränkungen fallen. Von denen gibt es immer mehr, mittlerweile haben knapp 40 Prozent der Deutschen die volle Dosis erhalten. Mindestens erstgeimpft sind etwas mehr als 55 Prozent. Das belebt die Wirtschaft und die Stimmung.

Johannes Pennekamp

Verantwortlicher Redakteur für Wirtschaftsberichterstattung, zuständig für „Die Lounge“.

Dennoch werden Stimmen laut, die vor zu viel Lockerung warnen. Sie fürchten, dass es wegen der Ausbreitung der Delta-Variante im Herbst ein böses Erwachen geben könnte. „Wir sind dabei, denselben Fehler wie im letzten Jahr zu machen“, urteilt Andreas Peichl, Makroökonom am Münchener Ifo-Institut und in der No-Covid-Initiative aktiv; vergangenen Sommer sank die Inzidenz auf ein noch niedrigeres Niveau als aktuell, bevor die Zahlen im Herbst wieder stark stiegen. Auch Veronika Grimm, Mitglied der „Wirtschaftsweisen„ beobachtet dieselben Versäumnisse wie vor zwölf Monaten – vor allem durch die, wie sie sagt, „nachlässige Kontrolle der Urlaubsrückkehrer“.

Beide Wirtschaftsforscher wollen nicht zurück zu einem harten Lockdown. Sie warnen aber davor, dass die Zahlen durch zu viel Offenheit ähnlich wie in England steigen könnten. Zwar drohten wegen des besseren Impfschutzes dann wahrscheinlich weniger Krankenhauspatienten und Tote als in den ersten Wellen, gesteht Ifo-Forscher Peichl. Er sieht aber zwei Gefahren: „Es steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sogenannte Escape-Varianten entstehen, die auch für Geimpfte gefährlich werden“, sagt er. Zudem wisse man noch immer zu wenig über langfristige Folgen der Erkrankung.

Um einen Anstieg der Infektionszahlen zu verhindern, fordert Peichl, dass in Geschäften, Bussen und anderen Innenräumen die Maskenpflicht auch weiter für alle gilt. Er begründet das unter anderem mit neuen Erkenntnissen aus Israel. Dort hat eine Untersuchung gezeigt, dass die Wirksamkeit des BioNTech-Impfstoffs wegen der Delta-Variante gesunken ist: Er schütze dem Gesundheitsministerium zufolge nur noch zu 64 Prozent vor einer Ansteckung.

Einig sind sich Grimm und Peichl, dass Urlaubsrückkehrer aus dem Ausland besser getestet werden müssen. „Konsequente Test- und Quarantänekonzepte sind essenziell“, sagt Grimm. Und vor allem auf die Situation in den Schulen blicken beide Forscher mit großer Sorge. „Es darf nicht noch mal so ein chaotisches Schuljahr geben, die Kinder sind die größten Verlierer“, sagt Peichl – befürchtet aber, dass es genau so kommen wird.

Die „Wirtschaftsweise“ Grimm wirft der Politik auf diesem Feld Untätigkeit vor: „Es passiert zu wenig, da regiert wohl das Prinzip Hoffnung in den zuständigen Ministerien.“ Ein Umstieg auf Gurgel- oder Lollitests, die man klassenweise gepoolt auswerten kann, sei „dringend notwendig“. Damit gemeint sind PCR-Tests, die schneller Infektionen identifizieren können. Der Vorteil aus Sicht von Grimm: Es gelinge dann besser, einzelne Klassen in Quarantäne zu schicken, bevor sich das Virus an der Schule weiter verbreitet.

Keine prophylaktischen Eingriffe in Grundrechte

„Technisch ist man nicht vorbereitet, wie die Installation von Lüftern zeigt“, konstatiert auch Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, mit Blick auf die Schulen. Doch rät Hüther wie schon im Winter zu einem anderen Umgang mit Corona als einige seiner Fachkollegen.

„Die Debatte in Politik und Gesellschaft sollte sich der durch die Impfung veränderten Risikolage stellen“, sagt Hüther. „Wenn die Erwachsenen umfangreich geimpft sind, dann sind die Jüngeren auch kein besonderes Risikopotential mehr.“ Das Augenmerk der Politik sei nun auf die Kinder und Jugendlichen zu richten, die bisher ein Großteil der Lasten tragen mussten. Auch müsse endlich geklärt werden, wie die Schulen die Kompensation der Bildungsverluste organisieren sollen – und können.

Mit Blick auf die Delta-Variante sagt Hüther: „Eingriffe in Grundrechte können nicht prophylaktisch mit Blick auf unspezifische Risiken vorgenommen werden.“ Die Lage sei durch die Impfkampagne eine grundsätzlich andere, weil dadurch nicht nur die Ansteckungsgefahr abnehme, sondern auch das Risiko schwerer Verläufe. Damit sei das Ziel der Corona-Bekämpfung ungefährdet, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Man könne das Virus wohl nicht ausrotten. Ziel müsse also die „Kontrollierbarkeit“ des Infektionsgeschehens sein.

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