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#Wie die deutsche Polizei ungewollt Erdogan im Wahlkampf hilft

Aus Sicht des türkischen Präsidenten hätte das Timing nicht besser sein können. Die Hausdurchsuchungen bei zwei Mitarbeitern der regierungstreuen Zeitung „Sabah“ im hessischen Mörfelden-Walldorf passen bestens in Recep Tayyip Erdogans Wahlkampf. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt und das Polizeipräsidium Südhessen begründeten die Polizeiaktion mit dem „Verdacht des gefährdenden Verbreitens personenbezogener Daten“. Der Kommunikationsdirektor des türkischen Präsidialamts, Fahrettin Altun, sah darin hingegen nicht nur eine „schamlose Operation” gegen „türkische Journalisten“ und einen „schweren Verstoß gegen die Pressefreiheit“.

Friederike Böge

Politische Korrespondentin für die Türkei, Iran, Afghanistan und Pakistan mit Sitz in Ankara.

Katharina Iskandar

Verantwortliche Redakteurin für das Ressort „Rhein-Main“ der Sonntagszeitung.

Er konstruierte daraus auf Twitter auch einen Beleg für eine angebliche Komplizenschaft Deutschlands mit der türkischen Opposition bei der Präsidentenwahl. „Es ist vollständig klar, dass diese Operation … mit der Annahme geplant wurde, dass bestimmte Politiker, die bei ihren Treffen mit ausländischen Botschaftern versprochen haben, die Türkei auf Linie mit dem Westen zu bringen, am 14. Mai tatsächlich gewinnen konnten.“

Mutmaßlich in Richtung Bundesregierung fügte er hinzu: „Sie werden damit klarkommen müssen, dass die Türkei weiterhin ein großer Staat sein wird, der seine Bürger verteidigt und unter der Führerschaft von Präsident Recep Tayyip Erdogan jene zur Rechenschaft zieht, die es wagen, ihnen etwas anzutun.“ Allerdings entscheidet erst die Stichwahl am 28. Mai, wer die Türkei künftig regieren wird.

Deutscher Botschafter wurde einbestellt

Zuvor hatte das türkische Außenministerium den deutschen Botschafter in Ankara einbestellt, wie aus Berlin bestätigt wurde. Parallel trug das Staatsfernsehen TRT die Empörungswelle bis nach Washington. Der dortige Korrespondent Yunus Paksoy bat den Sprecher des State Departments Vedant Patel um einen Kommentar zu der „furchtbaren Einschüchterung und Behandlung von Journalisten“ in Deutschland.

Als dieser darauf hinwies, dass er die Hintergründe des Falls nicht kenne, unterstellte Paksoy ihm Doppelmoral. Der Fernsehjournalist behauptete außerdem, die beiden Mitarbeiter der Zeitung „Sabah“ seien „vor den Augen ihrer Frauen und Kinder festgenommen worden“. Nach Darstellung der Zeitung jedoch, seien ihre Mitarbeiter daran gehindert worden, ihre Familien zu informieren.

Laut der Staatsanwaltschaft Darmstadt und dem Polizeipräsidium Südhessen gab es gar keine Festnahmen und erst recht keine Inhaftierung, wie von manchen türkischen Stellen behauptet. Nach der Durchsuchung ihrer Wohnungen seien die beiden 46 und 51 Jahre alten Männer freigelassen worden, hieß es in einer Mitteilung. Elektronische Speichermedien seien beschlagnahmt worden. Nach türkischen Angaben handelt es sich bei den Männern um Ismail Erel und Cemil Albay.

„Sabah“ veröffentlicht regelmäßig Namen und Adressen

Aus deutschen Sicherheitskreisen war zu hören, dass die Zeitung „Sabah“ im vergangenen Jahr gezielt Namen und Adressen von regierungskritischen Exiljournalisten veröffentlicht habe. Betroffen waren unter anderen Journalisten in Deutschland und Schweden. Ausgespäht wurden sie mutmaßlich vom türkischen Geheimdienst, so vermuten es die im Ausland lebenden Journalisten selbst. Denn ihre Adressen waren mit einer Auskunftssperre versehen.

Einige von ihnen zogen mehrfach um, um schwerer auffindbar zu sein. In einem Fall war der frühere Chefredakteur der Gülen-nahen Zeitung „Today’s Zaman“ Abdullah Bozkurt daraufhin an seiner neuen Wohnanschrift in Schweden aufgesucht und schwer verletzt worden. In einem weiteren Bericht der „Sabah“ wurde der Exiljournalist Cevheri Güven genannt. Er wurde als „Terrorist“ bezeichnet, auch seine Adresse in Hessen wurde veröffentlicht und auf der Titelseite der Zeitung abgebildet. Güven gilt als einer der schärfsten Kritiker Erdogans. Beide Fälle sind später auch öffentlich geworden.

Ankara wirft Berlin „Doppelmoral“ vor

Kommunikationsdirektor Altun warf den deutschen Behörden hingegen vor, Mitgliedern einer Terrorgruppe Unterschlupf zu gewähren. Das bezieht sich auf die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen, den Ankara als Drahtzieher des Putschversuches von 2016 betrachtet. Der Präsidentenberater Ibrahim Kalin hielt die vermeintliche Affäre am Donnerstag am Köcheln. Vom Nachrichtensender „A Haber“ wurde er gefragt, ob die Polizeiaktion in Hessen mit dem Wahlausgang in der Türkei in Verbindung stehe. Er antwortete, falls dies so sei, werde die Aktion „nach hinten losgehen“.

Die Zeitung „Sabah“ verstieg sich gar zu der Aussage, es seien Gespräche auf ranghoher Ebene im Gange, um „die Freilassung“ Erels und Albays zu erwirken. Das Außenministerium in Ankara nannte die vermeintlichen „Festnahmen“ einen „Akt der Belästigung und Einschüchterung der türkischen Presse“ und warf der Bundesregierung, „die versucht, der Welt Lehren, in Presse- und Meinungsfreiheit zu erteilen“, Doppelmoral vor. Ein türkischer Kommentator bauschte den Vorfall gar zu einer zweiten „Spiegel-Affäre“ auf. All das passt gut zur Wahlkampfrhetorik des Präsidenten, der sich als Verfechter der Unabhängigkeit seines Landes im Kampf mit westlichen Imperialisten, also seinen Nato-Partnern, inszeniert.

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