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#Wie ein Postbote ins Nationaltrikot schlüpfte

„Wie ein Postbote ins Nationaltrikot schlüpfte“

AS Pierrot Vauban Straßburg, SV Linx, US Raon, US Avranche – Jonathan Clauss kennt sich aus in den unterklassigen Amateurligen. In denen seines Heimatlandes Frankreich wie in denen des Nachbarlandes Deutschland, das er beim südbadischen Oberligaklub Linx zwischen 2013 und 2015 zu schätzen lernte.

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Es waren die Jahre zwischen 2010 und 2017, in denen der bei Racing Straßburg ausgebildete rechte Flügelspieler durch die Provinz tingelte, ohne dabei das Interesse eines Profiklubs geweckt zu haben. Wo er war, kickte er gut und gerne mit, und da er sich darüber hinaus noch ein paar Euro mehr verdienen musste, übte er auch den Beruf eines Postboten gewissenhaft und mit der ihm eigenen Freundlichkeit aus.

Eigentlich sprach nichts dafür, dass aus dem Elsässer noch ein erstklassiger Profi, geschweige denn ein Nationalmannschaftskandidat werden sollte. Nachdem er in der Saison 2017/18 in den Reihen des Zweitliga-Aufsteigers US Quevilly Rouen sein Talent auch unter bescheidenen Profibedingungen hatte zeigen können und dann mit seiner Mannschaft in die Drittklassigkeit abgestiegen war, stand Clauss wieder einmal vor der Frage: Was nun? An Angeboten im Fußball mangelte es. Also dachte Clauss ernsthaft daran, seine bis dahin bescheidene sportliche Karriere zu beenden und daheim in Straßburg als Briefträger im Fulltime-Job zu arbeiten.

Immerhin: Ein Klub aus Belarus zeigte Interesse an ihm. Dann aber kam der DSC Arminia Bielefeld auf den damals 26 Jahre alten Gelegenheitsprofi zu. Die Scouts des ostwestfälischen Klubs waren auf Jonathan Clauss aufmerksam geworden, weil er überall auf der rechten Seite zu gebrauchen war.

Ob als Verteidiger, Mittelfeldspieler oder Angreifer: Dieser robuste, technisch begabte, schnelle und auch noch torgefährliche Spieler jenseits der Radarschirme der großen Vereine bot sich als Ergänzung, günstigenfalls als Verstärkung des Kaders einer ambitionierten deutschen Zweitligamannschaft an. Zumal damals der immer noch für Arminia aktive Rechtsverteidiger Cedric Brunner verletzt war und kurzfristig ersetzt werden musste.

Clauss nutzte seine Chance. Als Brunner wieder fit war, rückte er weiter nach vorn und damit in den Blickpunkt einer breiteren Öffentlichkeit. Der zunächst wie ein Aushilfsprofi anmutende Franzose profilierte sich im Eiltempo als unentbehrliche offensive Größe eines Teams, das 2020, nicht zuletzt dank fünf Treffern und sieben Torvorlagen des unaufhaltsamen Jonathan Clauss, nach elf Jahren in der Zweit- und Drittklassigkeit in die Bundesliga zurückkehrte.

Das wiederum nicht mit Clauss, der in seinen beiden Bielefelder Jahren auch andernorts entdeckt worden war und deshalb ablösefrei zurück in sein Heimatland, zum Ligue-1-Aufsteiger RC Lens wechselte. „Ich bin als Kind gekommen und werde als Mann weiterziehen“, rief er den Fans der Arminia nach zwei Jahren des beruflichen Glücks in Bielefeld zu.

Clauss setzte seinen Lauf beim französischen Meister von 1998 derart ungebremst fort, dass der noch nie schwerwiegend verletzte Außenspieler nun in seiner zweiten Saison nach insgesamt sieben Treffern und 15 Torvorlagen ein Traumziel erreicht hat, an das er seit einiger Zeit aus gutem Grund glaubte.

Kindheitstraum über Umwege

„Wenn ich meine Leistungen und ‚Les Bleus‘ mit einer Dreierabwehr spielen sehe, glaube ich an meine Chance, dort mitzuspielen“, sagte er über seine aufkeimenden Nationalmannschafts-Ambitionen. Und so kam es jetzt auch. Didier Deschamps, der Trainer des Weltmeisters Frankreich, berief Jonathan Clauss nach einigem Zögern vergangene Woche mit 29 Jahren erstmals in das Aufgebot der „Equipe Tricolore“ für die bevorstehenden Länderspiele gegen die Elfenbeinküste an diesem Freitag (21.15 Uhr bei DAZN) in Marseille und gegen Südafrika (21.15 Uhr bei DAZN) am kommenden Dienstag in Lille.

Ein Video vom Moment der Kader-Verkündung im französischen Fernsehen aus der Kabine des Racing Clubs Lens verrät alles darüber, wie beliebt dieser Jonathan Clauss, an dem unterdessen auch internationale Spitzenklubs wie Real Madrid und Paris Saint-Germain interessiert sein sollen, innerhalb seiner Mannschaften stets gewesen ist.

Als bei den „Défenseurs“ zuerst sein Name genannt wird, schlägt Clauss, vollkommen überwältigt von seiner ersten Nominierung für sein Nationalteam, die Hände vors Gesicht und versucht, auf einem Sofa liegend, bei sich zu bleiben. Um ihn herum toben seine begeisterten Mannschaftskameraden, die Clauss hochleben lassen und ihm ein Ständchen singen. Für ihn, den Profi auf Umwegen, wird in dieser Woche ein Kindheitstraum wahr, an den er vielleicht schon geglaubt hat, als ihn in Frankreich so gut wie niemand kannte. Und das ist noch gar nicht so lange her.

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