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#Corona-Proteste: Maskenlos durch die Nacht?

Corona-Proteste: Maskenlos durch die Nacht?

Vor einer Woche marschierten 15.000 Protestierer durch Stuttgart. Der Schlachtruf, mit dem sie gegen die Pandemiepolitik zu Felde zogen, lautete „Maskenlos durch die Nacht“. Was als Demonstration angekündigt war, wurde binnen kurzem zu einem enthemmten Infektions-Happening.

Zwei Aussagen verantwortlicher Politiker über die aus dem Ruder gelaufene „Querdenker“-Demonstration machen hellhörig: Rechtfertigend hieß es nachträglich, die Zulassung der Aufmärsche sei „alternativlos“ gewesen. Und immerhin seien sie „friedlich“ verlaufen.

„Alternativlos“ kann staatliches Handeln in einer Demokratie niemals sein. Es gehört zu den Wesensmerkmalen der Politik, zwischen verschiedenen Lösungen abwägen und entscheiden zu können. Der Befund, die Aufmärsche seien „friedlich“ gewesen, ist mindestens beschönigend: Ein Reporter der ARD musste nach Steinwürfen seinen Live-Auftritt abbrechen.

Versammlungs- und Meinungsfreiheit sind Güter von Verfassungsrang. Das Bundesverfassungsgericht hat schon vor Jahrzehnten hohe Hürden für jedwede Einschränkung von Grundrechten errichtet. Über die Versammlungsfreiheit heißt es, dieser komme eine „konstituierende Bedeutung“ für die demokratische Staatsordnung zu. Eingriffe darin seien nur zulässig, wenn „gleichwertige andere Rechtsgüter“ zu schützen seien.

Ein freiheitlicher Staat muss seine Feinde aushalten, er sollte ihnen auch die Märtyrer-Rolle nicht zu leicht machen. Aber in einer Pandemie tritt neben den Schutz der Freiheitsrechte die Aufgabe des Staates, die körperliche Unversehrtheit der Bürger zu gewährleisten. Die Polizei und die kommunalen Behörden, bei denen Versammlungen angemeldet werden müssen, begeben sich dabei auf eine schwierige Gratwanderung.

In Stuttgart haben Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) und sein Ordnungsbürgermeister wenig bis nichts unternommen, um den Aufmarsch zu verhindern. Die Stadt untersagte keinem der Anmelder, die Versammlung abzuhalten. Sie hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, Tatsachen zusammenzutragen, mit denen ein Verbot hätte begründet werden können. Auf die Expertise des Landesgesundheitsministeriums verzichtete man dankend.

Klingt eher nach Kapitulation

Offenbar war es der Polizei schon früh gelungen, ihre Linie durchzusetzen. Die lautete: Wegen des hohen Werts der Versammlungsfreiheit einerseits und der Erfordernisse des Infektionsschutzes andererseits könne man nur am Straßenrand stehen. Es sei schlichtweg nicht möglich, Demonstrationen aufzulösen, auf denen gegen Hygiene-Auflagen verstoßen werde, denn das gefährde die Gesundheit der Polizisten, der Demonstranten und am Ende der unbeteiligten Bürger.

Diese Einschätzung klingt eher nach Kapitulation und nicht nach einer intelligenten Taktik. Die Polizei darf ein solches Vorgehen vorschlagen – verantwortungslos ist es aber, wenn die Politik nicht versucht, die rechtsstaatlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um Schaden von der Allgemeinheit abzuwenden.

Auch Symbolpolitik entfaltet eine Wirkung

Im Übrigen hat das oberste Verwaltungsgericht Baden-Württembergs schon vor diesem „neuen Stuttgart 21“ mehreren Stadtverwaltungen recht gegeben, die Demonstrationen von „Querdenkern“ nicht genehmigt hatten. Die Richter hatten begründete Zweifel an der Einhaltung der Hygiene-Auflagen, sie erkannten eine Gefährdung von Sicherheit und öffentlicher Ordnung und waren der Auffassung, dass der Schutz zentraler Rechtsgüter (in diesem Fall Leben und Gesundheit) nur schwerlich zu gewährleisten sei. So können sich auch die vielen Verwaltungen anderer Städte im Recht fühlen, die dafür gesorgt haben, dass sich die Szenen aus Stuttgart an diesem Wochenende bei ihnen nicht wiederholen.

Ob eine Demonstration zugelassen wird oder nicht, ist eine begründungspflichtige Einzelfallentscheidung. Das heißt aber auch, es wäre in Stuttgart auf einen Versuch angekommen, wenigstens eine der angemeldeten Demonstrationen zu untersagen. Auch Symbolpolitik entfaltet eine Wirkung. Möglicherweise wären dann weniger Demonstranten angereist.

Gerichte müssen Handlungsrahmen der Politik vorgeben

Über das Stuttgarter Osterchaos berät in der kommenden Woche der Innenausschuss des Landtags in einer Sondersitzung. Wenn Landes- und Kommunalpolitiker es nicht bei gegenseitigen Schuldzuweisungen belassen, sondern vorsorgen wollen, dass Stuttgart nicht die Hauptstadt der Corona-Proteste wird, dann sollten sie auch einen Blick in die Corona-Verordnungen anderer Länder werfen: In Brandenburg werden Demonstrationen auf 500 Teilnehmer begrenzt, die zudem „ortsfest“ sein müssen. Bislang haben die Gerichte diese Verordnung nicht außer Kraft gesetzt.

Die Gerichte können und müssen im Rechtsstaat den Handlungsrahmen für die Politik vorgeben. Eines können aber weder Politiker noch Richter verhindern: dass sich ein immer größer werdender Teil der Bürger in der Pandemie asozial und unsolidarisch verhält. Daran muss die gesellschaftliche Mehrheit die Minderheit in der öffentlichen Debatte immer wieder eindringlich erinnern.

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