#Wie Insekten über den Winter kommen
„Wie Insekten über den Winter kommen“
Als die Biene Maja und ihr Freund Willi eines Tages aufwachen und sich wie gelähmt fühlen, geraten sie in helle Aufregung. „Wieso kann ich plötzlich weder Arme noch Beine bewegen?“, fragt Maja. Die Antwort bekommt sie von einem Totengräber. Der Käfer heißt so, weil er mit dem Aas verstorbener Organismen seinen Nachwuchs ernährt. Er sagt: „Die Körpertemperatur von uns Insekten richtet sich nach der Außentemperatur. Das heißt, wenn es draußen kalt wird, werden auch unsere Körper kälter. Tja, und weil heute so ’ne Hundekälte ist, sind eure Arme und Beine steif.“ In der Wissenschaft gibt es einen Fachbegriff für solche Tiere – man nennt sie wechselwarm. Das verschweigt der Totengräber. Lieber versichert er, dass man so schnell nun auch wieder nicht ums Leben komme, da müsse es noch viel kälter werden.
Daran sieht man, dass der Käfer zwar ganz gut informiert, aber eben kein waschechter Forscher wie Jürgen Tautz ist. Der nämlich hat als Professor an der Universität Würzburg gearbeitet und weiß alles über Bienen. Zum Beispiel dies: „Setzt man eine einzelne Biene in ein Gefäß, das man langsam herunterkühlt, wird sie ab zehn Grad bewegungsunfähig. Kühlt man weiter, stirbt sie bei vier Grad.“ So niedrig, wie der Totengräber uns weismachen will, muss die Temperatur also nicht sein, um für Maja und Willi gefährlich zu werden. Bienen sind allerdings nicht dumm, na ja, Willi vielleicht schon ein bisschen. Jedenfalls tun sie sich im Winter gerne zusammen, um ein lebensrettendes Verhalten an den Tag zu legen: Power-Kuscheln. So überstehen sie selbst die eisigsten Nächte.
Kuscheln oder Wegfliegen?
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Die Überlebenstricks der Insekten im Winter
Was passiert dabei genau? Wird es draußen frostig, greifen die Bienen auf einen Honig-Vorrat zurück, den sie sich als Proviant für ungemütliche Zeiten in den Waben ihres Stocks angelegt haben. Kleines Problem: Honig wird, man kennt das von zuhause, schnell hart, wenn man ihn in einer kühlen Umgebung lagert. Da die Insekten keine Zähne haben, um den kostbaren Brennstoff anzuknabbern, müssen sie etwas anderes unternehmen. Deshalb rücken sie dicht zusammen und bilden die sogenannte Wintertraube, in deren Zentrum sich die Königin befindet. Wird es kälter als zehn Grad, zittern die kleinen Tierchen mit ihrer Flugmuskulatur und heizen damit – Reibung erzeugt Wärme – die Umgebung einen Tag lang auf sommerliche dreißig Grad hoch. Jürgen Tautz sagt: „Der Honig verflüssigt sich, die Bienen nehmen ihn auf – und haben neue Energie. Dann kühlt die ganze Bande wieder runter.“ Nach einigen Tagen wiederholen die gewieften Kerlchen den Trick.
Klingt simpel, ist aber eine unglaubliche Strapaze. In dreißig Minuten verbrennt so ein sechsbeiniges Kraftpaket 0,03 Kalorien – bei einem Volk von vierzigtausend Individuen macht das insgesamt tausendzweihundert Kalorien. Ein Mensch müsste ungefähr zwei Stunden joggen, um auf dieses Ergebnis zu kommen. Wahnsinn! Wieso aber heben die Bienen nicht ab, wenn sie ihre Heizung anwerfen? Ganz einfach, weil der Flugmotor volle Pulle läuft, während sich die Flügel kein bisschen mit bewegen. Das ist Jürgen Tautz zufolge etwa so, als würde man beim Auto den Gang rausnehmen und aufs Gas drücken – der Wagen heult auf, rührt sich jedoch nicht vom Fleck. Eine Biene erzeugt mit dieser Technik Spitzentemperaturen von vierundvierzig Grad, wobei sie die Wärme in ihrem Mittelteil speichert. Ihr Hinterleib bleibt kalt. Auf diese Weise geht keine Energie verloren, wenn sie sich, Kopf voran, so tief in die Gruppe ihrer Artgenossen hineinschmust, dass nur noch ihr Po herausschaut.
Andere Strategien gegen den Frost sind ähnlich raffiniert. Wie wir Menschen bestehen Insekten zu drei Vierteln aus Flüssigkeit. Während in unseren Adern Blut fließt, verfügen sie über die sogenannte Hämolymphe. Bilden sich darin Eiskristalle, platzen die Zellen, was sofort zum Tod führt. Um das zu verhindern, ist die Natur auf einen genialen Einfall gekommen: Wie wäre es, manche Insekten mit einer Art Frostschutzmittel auszustatten? Würde das was bringen? Und ob das was bringen würde! So haben zum Beispiel Marienkäfer, einige Mücken oder Hornissen Glycerin in ihrer Hämolymphe. Dabei handelt es sich um Zuckeralkohol, der den Gefrierpunkt von Wasser senkt. Eine Hornisse muss dank dieses Kniffs auch bei minus fünfzehn Grad nicht nervös werden. Wer will und Glycerin zuhause hat, kann den Effekt überprüfen. Man stelle einen Behälter nur mit Wasser und einen mit Glycerin und Wasser ins Gefrierfach. Nach einiger Zeit wird das Wasser einfrieren, während das Gemisch flüssig bleibt.
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Im Gegensatz zu Bienen summt sich bei Hummeln, Wespen und Hornissen übrigens nicht der ganze Staat durch den Winter. Nur die begatteten Königinnen überleben und verbringen die kalten Monate in Ritzen, Blätterhaufen oder auf Dachböden. Jürgen Tautz sagt: „Ihre Flügel klappen sie dabei auf die Bauchseite zwischen ihre Beine, so dass sie vor Verletzungen geschützt sind. Das sieht total verrückt aus.“ Noch einmal anders machen es Ameisen. Sie verziehen sich in die Tiefen ihres Baus unter der Erde, wo es immer etwas wärmer ist als auf dem gefrorenen Boden. Falter wiederum können in all ihren Stadien überwintern: als Ei, als Raupe, als Puppe oder als erwachsener Schmetterling. Das hängt von der Art ab. Manche flüchten in unsere Keller, andere haben Glycerin in der Hämolymphe. Der hübsche Admiral geht sogar auf Wanderschaft, so ähnlich wie es Zugvögel machen. Wird es ihm bei uns zu kalt, fliegt er mal eben Hunderte Kilometer in den Süden.
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Man sieht also: Insekten haben faszinierende Wege gefunden, um durch den Winter zu kommen. Wer sie unterstützen möchte, sollte Laub und Totholz im Garten liegenlassen. Darin gibt es viele Schlupfwinkel, die zum Verkriechen einladen. Außerdem ist es sinnvoll, ein Insektenhotel aufzustellen, kleine Steinhaufen zu errichten und Stauden erst im Mai zurückzuschneiden. Solche einfachen Maßnahmen bewahren Maja, Willi und all ihre netten Mitstreiter davor, zu früh vom Totengräber abgeholt zu werden.
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