#Wie Pendler das Klima schonen können
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„Wie Pendler das Klima schonen können“
Die Deutschen sind ein Volk der Pendler. Rund 16 Kilometer beträgt der Weg zu Arbeit – durchschnittlich. Viele nehmen noch sehr viel weitere Strecken in Kauf. Rund 1,3 Millionen Menschen legen sogar mehr als 150 Kilometer auf einer Strecke zurück, wie das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung noch in Vor-Corona-Zeiten feststellte. Meist fahren die Beschäftigten übrigens allein: Rund 63 Prozent der Berufswege werden mit dem Auto zurückgelegt, heißt es in einer aktuellen Studie der Denkfabrik Agora Verkehrswende, die am Dienstag veröffentlicht wurde, nur 4 Prozent davon als Mitfahrerin oder Mitfahrer.
In Pandemiezeiten hat sich die Pendelei vorübergehend drastisch reduziert, aber es spricht nicht viel dafür, dass dieser Einbruch von Dauer sein wird. Nach einer langen Zeit der Homeoffice-Pflicht rufen viele Unternehmen ihre Mitarbeiter wieder ins Büro zurück – schon um den Teamspirit zu retten. „Eine Trendumkehr ist auch infolge der Corona-Pandemie aktuell nicht absehbar“, heißt es in der Studie deshalb nüchtern. Agora Verkehrswende hat sie zusammen mit dem Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung in Dortmund erstellt.
In Zeiten des Klimawandels und der Energieknappheit scheint das ein Konzept längst vergangener Zeiten zu sein. Agora Verkehrswende hat deshalb im Zusammenhang mit der Studie Vorschläge für eine umfassende Reform des Pendelverkehrs vorgelegt. Das Ziel: „Pendlerinnen und Pendler brauchen von der Politik nicht immer neue finanzielle Entlastungen, sondern einen Plan, wie sie zukünftig klimafreundlich zur Arbeit kommen können“, sagte Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende mit Blick auf das jüngst beschlossene Entlastungspaket der Ampelkoalition. Es sieht unter anderem vor, die Preise an der Zapfsäule über eine Senkung der Steuer zu drücken.
Falsche Anreize gesetzt
Nötig wäre stattdessen eine deutliche Kehrtwende: Über Jahrzehnte habe die Politik Anreize gesetzt, immer längere Arbeitswege in Kauf zu nehmen und diese vorrangig allein mit dem privaten Pkw zurückzulegen. Weil viele Familien sich inzwischen nicht nur ein, sondern zwei Fahrzeuge leisten und gerne im Grünen wohnen, wurden die Wege zur Arbeit in den vergangenen Jahrzehnten immer länger – vor 45 Jahren war die durchschnittliche Wegstrecke zur Arbeit nur halb so lang. „Die aktuelle Krise zeigt, dass dies nicht nur der Gesellschaft hohe ökologische Kosten aufbürdet, sondern auch sicherheitspolitische Risiken mit sich bringt und die Menschen in die Ölpreisfalle treibt“, monierte Hochfeld. Überholte Privilegien des Autoverkehrs behinderten die Transformation und gingen auf Kosten der Allgemeinheit.
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Für eine Verkehrswende auf dem Weg zur Arbeit ist ein Abbau von Autoprivilegien „unabdingbar“, heißt es deshalb in der Studie. Schließlich spiele der Pendelverkehr „eine Schlüsselrolle“ auf dem Weg zu einer klimaneutralen Mobilität in Deutschland. Der Weg zwischen Heim und Arbeit ist für ein Fünftel des gesamten Personenverkehrs verantwortlich. Die Menschen müssten stattdessen dazu bewegt werden, stärker den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu nutzen. Dazu müsse man aber auch die richtigen Anreize setzen.
Citymaut als mögliche Maßnahme
Eine spürbare Reduzierung der Autonutzung im Berufsverkehr und der so verursachten CO2-Emissionen könne nur erreicht werden, wenn preisliche und infrastrukturelle Maßnahmen zur Begrenzung des Autoverkehrs ergriffen werden. Als Maßnahme genannt wird etwa eine Citymaut, die wie in London Autofahrern höhere Kosten auferlegt, wenn sie mit ihrem Fahrzeug in die Innenstadt einfahren wollen. Außerdem soll Parken teurer werden, kostenlose Parkplätze sollten reduziert werden. Die Pendlerpauschale solle in ein Mobilitätsgeld umgewandelt werden, so lautet ein weiterer Vorschlag, die Kfz-Steuer stärker an den CO2-Emissionen zu orientieren. Und auch in diesem Paket findet sich eine Forderung, die in den vergangenen Wochen wieder häufiger erhoben wird: ein generelles Tempolimit, nicht nur auf der Autobahn, sondern vor allem innerorts – auf 30 Kilometer pro Stunde.
Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs
Das freilich müsse flankiert werden von besseren Alternativen: Ein zentraler Hebel ist laut Studie ein massiver Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, etwa durch eine höhere Taktung. Daneben gehe es darum, leistungsfähige Nahverkehrs-Achsen zu ergänzen – zum Beispiel durch Quartiersbusse und Fuß- und Radverkehrsangebote, um auch die erste und letzte Meile von Strecken unabhängig vom Auto zurücklegen zu können: Wenn diese Tür-zu-Tür-Mobilität nicht gewährleistet werden könne, werde im schlechtesten Fall die komplette Pendelstrecke mit dem Auto zurückgelegt, und die ÖPNV-Verbindung entfalte nicht ihre vollständige Wirkung.
Wenn es nach den Verkehrsexperten geht, könnte die Zukunft des Pendelns so aussehen: weniger mit dem Auto, viel mehr mit Bussen und Bahnen oder bei kürzeren Strecken mit dem Fahrrad. Deutliche Verlagerungseffekte könnten nur dann erreicht werden, wenn ein Maßnahmen-Mix Instrumente enthalte, die die Nutzung des Autos auf dem Weg zur Arbeit unattraktiv machten, heißt es: „Nur wenn die Pendelnden für die tatsächlichen Kosten für Autobesitz und Autonutzung aufkommen müssen, wird ein Umstieg auf alternative Verkehrsmittel in Erwägung gezogen.“
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