Wissenschaft

#Wie sich die Venus das Maul nicht verbrennt

Erneut erstaunt die wohl skurrilste Pflanze der Welt mit ihrer Raffinesse: Die Venusfliegenfalle hat ihr Fallen-System auch an die erhöhte Gefahr von Buschfeuern in ihrer Heimat angepasst, berichten Forscher. Die Sinnes-Haare, die auf Berührungen von Fliegenbein und Co reagieren, besitzen demnach auch einen „Feuermelder“: Wenn eine plötzliche Temperaturerhöhung auftritt, werden die speziellen Hitzerezeptoren in den Haaren aktiviert und lösen ein Schließen der Fallen aus. In diesem Zustand kann das empfindliche System dann eine kurze Feuerwelle gut überstehen, zeigen die Experimente.

Sie avancierte sogar zu einer beliebten Zimmerpflanze, denn wie kein anderes Gewächs kann die Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula) für Spannung sorgen: Ihre roten „Mäuler“ schnappen zu, wenn ein Insekt sie betritt oder man sie mit einer Feder kitzelt. Wie erstaunlich raffiniert dieser Mechanismus ist, konnten die Forscher um Rainer Hedrich von der Universität Würzburg bereits eindrucksvoll dokumentieren: Krabbeln Fliege und Co in die Falle, kommen sie dort mit Sinneshaaren in Berührung. Die anschließenden Reaktionen basieren dann auf elektrischen Impulsen – ähnlich wie bei unseren Nerven. Außerdem kann die Venusfliegenfalle sogar zählen: Um das Zuschnappen auszulösen, muss ein Beutetier die Sinnes-Haare zweimal innerhalb von 30 Sekunden berühren. So verhindert die Karnivore, dass ihre kostspieligen Fallen durch Fehlalarm verschleißen.

Klappe zu, wenn’s brennt

Ursprünglich stammt die heutige Bewohnerin so manchen Fensterbretts aus Nord- und Süd-Carolina. Ihr Hunger auf Fleisch ist dort aus der Not geboren: Sie wächst auf sehr nährstoffarmen Sumpfböden. Fliege und Co erfüllen für sie dort gleichsam die Funktion von Düngertabletten. Doch wie Hedrich und sein Kollege Shouguang Huang berichten, haben die Pflanzen in ihrem angestammten Lebensraum noch mit einer weiteren Herausforderung zu kämpfen: Dort wächst Gras, das im Sommer vertrocknet. Durch Blitzschläge wird es dann häufig entzündet und so saust dann ein kleiner Feuersturm durch die Landschaft. Der Venusfliegenfalle kommt dies sogar zugute, denn dann wird das störende Gestrüpp beseitigt und offenbar scheinen die Feuerwellen den Pflanzen kaum zu schaden. Doch wie schützt die Pflanze ihre Klappfallen mit den empfindlichen Sinnes-Haaren vor dem Feuer?

Dieser Frage gingen die Forscher nun experimentell nach: „Um herauszufinden, wie sich die Fliegenfalle beim Abbrennen einer Bedeckung aus trockenem Gras verhält, haben wir Pflanzen mit geöffneten Klappfallen aus dem Gewächshaus ins Freiland verpflanzt und mit Heu überdeckt“, berichtet Hedrich. „Dann haben wir das Heu an einem Ende angezündet und es mit einem Gebläse gezwungen, sich zum anderen Ende auszubreiten“. Wie sich zeigte, hatte das Feuer bei allen Pflanzen zu einem Verschließen der Fallen geführt und viele erschienen anschließend unversehrt. Dies bestätigte sich später auch: Die Fallen öffneten sich wieder und waren voll funktionstüchtig. „So stellte sich die Frage, ob die Fallen bei einem Feuer womöglich schon auf die Hitzewelle im Vorfeld des Brandes reagieren“, sagt Hedrich.

Sensor löst bei schneller Erhitzung aus

Ein erster Versuch mit Heißluftgebläse bestätigte diese Vermutung: Tatsächlich löste die schlagartige Erhitzung den Klapp-Mechanismus aus. Als Nächstes führten die Wissenschaftler dann Hitzeexperimente im Labor durch. Durch eine spezielle Vorrichtung setzten sie die Fallen verschiedenen Temperaturen aus und untersuchten gleichzeitig die elektrischen Spannungspotenziale. So zeigte sich: Beim Überschreiten einer lokalen Temperatur von 37 Grad Celsius bildet sich ein Aktionspotential, das sich über beide Fallenhälften ausbreitet. „Bei einer weiteren Temperaturerhöhung auf 55 Grad Celsius wurde dann ein zweites Aktionspotential ausgelöst und die Falle schnappte zu“, berichtet Shouguang.

Das Besondere war dabei: Die Reaktion der Falle bei 37 und 55 Grad Celsius setzte nur ein, wenn die Temperaturen sprunghaft erhöht wurden – wie bei einer schnellen Hitzewelle im Zuge eines nahenden Feuers. Stieg die Temperatur hingegen wie an heißen Sommertagen nur langsam an, reagierten die Fallen nicht. Offenbar verfügt die Pflanze demnach über ein komplexes Hitzesensor-System. „Im Gegensatz zum Menschen springt es bei der fleischfressenden Pflanze aber nicht beim Überschreiten einer spezifischen Körpertemperatur an, sondern reagiert auf die Geschwindigkeit der Temperaturänderung“, so Hedrich.

Wie die Forscher berichten, ging aus ihren Untersuchungen auch hervor, dass die Hitzerezeptoren genauso wie die Berührungssensoren in den Sinnes-Haaren der Fallen sitzen. Die Temperatursprünge bewirken dort demnach die gleichen kalziumabhängigen elektrischen Ereignisse wie die Berührungen. „Um das Kalziumsignal zu verfolgen, haben wir Fliegenfallen genutzt, die einen genetisch kodierten Kalziumsensor in sich tragen“, so Hedrich. Bei einer Erhöhung des zellulären Kalziumspiegels beginnt dieser Sensor zu fluoreszieren. „Wir haben nicht schlecht gestaunt, dass bei Hitze zuerst das Sinnes-Haar leuchtete. „Das zeigt, dass die Haare als Berührungs- und Hitzesensoren zugleich operieren“, erklärt Hedrich.

Wie die Forscher betonen, handelt es sich um ein aus biologischer Sicht ausgesprochen spannendes Phänomen: Die Ergebnisse lassen vermuten, dass es sich um eine Art membrangebundenes Temperatursensor-System handelt, das bei Pflanzen bisher noch unbekannt ist. Deshalb wird die thermische Sensibilität der vielleicht seltsamsten Pflanze der Welt nun auch weiterhin im Fokus der Würzburger Forscher stehen.

Quelle: Universität Würzburg, Fachartikel: Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2023.07.069

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Wissenschaft kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!