Wie sich Pflanzen gegen Fressfeinde schützen

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Wenn Pflanzen unter Stress geraten – sei es durch Hitze, Trockenheit oder Insektenfraß – produzieren sie zu ihrem Schutz vielfältige chemische Verbindungen. Eine dieser Verbindungen ist das flüchtige organische Molekül Isopren. Seine Rolle war bislang allerdings nur unzureichend verstanden. Eine Studie zeigt nun, dass Isopren den Pflanzen hilft, Fressfeinde abzuwehren. Dazu kurbelt es unter anderem die Produktion des Pflanzenhormons Jasmonsäure an, das Blätter für Insekten ungenießbar macht. Aus Sicht der Forschenden eröffnen die Erkenntnisse neue Möglichkeiten für die Schädlingsbekämpfung.
Fraßschäden an Nutzpflanzen sorgen Jahr für Jahr dafür, dass zwischen 20 und 40 Prozent der Ernten verloren gehen. Die wirtschaftlichen Verluste betragen weltweit rund 70 Milliarden Dollar. Verschärft wird das Problem durch die globale Erwärmung, denn die höheren Temperaturen beschleunigen den Stoffwechsel der Insekten. Trotz ökologischer und gesundheitlicher Bedenken kommen daher mehr und mehr Insektizide zum Einsatz. „Um die weltweite Ernährungssicherheit zu gewährleisten, ist es von entscheidender Bedeutung, Pflanzen mit erhöhter Schädlingsresistenz zu finden oder zu entwickeln“, erklärt ein Team um Abira Sahu von der Michigan State University.
Natürliche Schutzstrategie
Auf der Suche nach neuen Ansätzen für den Pflanzenschutz haben Sahu und ihre Kollegen einen Blick auf die natürlichen Abwehrstrategien der Pflanzen geworfen. „Viele Pflanzen setzen ein flüchtiges organisches Molekül namens Isopren frei, das die Widerstandsfähigkeit gegen verschiedene Umweltbelastungen erhöht“, berichtet das Forschungsteam. Bekannt ist bereits, dass Isopren vor abiotischen Stressfaktoren wie Hitze, Trockenheit und Ozon schützt. Bäume wie Eichen, Pappeln und Fichten setzen Isopren daher vor allem bei hohen Temperaturen frei. Unklar war allerdings bislang, inwieweit die Substanz auch in der biologischen Schädlingsabwehr eine Rolle spielt.
Um diese Frage zu klären, nutzten die Forschenden Tabakpflanzen, die von Natur aus kein Isopren produzieren, sowie modifizierte Tabakpflanzen, die dank einer genetischen Ergänzung in der Lage sind, diese flüchtige Kohlenwasserstoffverbindung freizusetzen. Für ihr Experiment zogen die Forschenden Raupen des Tabakschwärmers auf beiden Arten von Tabakpflanzen auf. Zusätzlich untersuchten sie, inwieweit die beiden Pflanzengruppen von Weißen Fliegen befallen wurden, einer weiteren verbreiteten Art von Pflanzenschädlingen.
Verringerter Insektenfraß
Das Ergebnis: „Tabakschwärmer-Raupen, die auf Isopren-freisetzenden Tabakpflanzen aufgezogen wurden, zeigten im Vergleich zu ihren Artgenossen auf den Kontroll-Tabakpflanzen ein verkümmertes Wachstum“, berichtet das Team. Hatten die Raupen die freie Wahl zwischen Tabakpflanzen mit und ohne Isopren, fraßen sie bevorzugt die Pflanzen ohne diese flüchtige Substanz. Sie krochen zwar auch über die Pflanzen mit Isopren, vermieden es aber, von deren Blättern zu fressen. Ein ähnliches Resultat zeigte sich bei den Weißen Fliegen. „Die Anzahl Weißer Fliegen auf den Isopren-freisetzenden Tabakpflanzen war signifikant geringer“, berichten Sahu und ihre Kollegen.
Um den zugrundeliegenden Mechanismen auf die Spur zu kommen, analysierten die Forschenden die Genaktivität der Tabakpflanzen unter dem Einfluss von Isopren. Dabei stellten sie fest, dass diese Kohlenwasserstoffverbindung die Gene für natürliche Abwehrstoffe der Pflanzen hochreguliert. So produzierten die Pflanzen unter Isopren-Einfluss verstärkt das Pflanzenhormon Jasmonsäure, das bekanntermaßen Insekten abschreckt. Wurden die Blätter mechanisch verletzt, steigerte sich sowohl die Freisetzung von Isopren als auch die Produktion von Jasmonsäure. Auch bei nicht-gestressten Pflanzen konnten die Forschenden diese Reaktion auslösen, indem sie die Pflanzen mit Isopren begasten.
Abwägung zwischen Wachstum und Verteidigung
Die Forschenden weisen darauf hin, dass es für die Pflanzen je nach Umweltbedingungen wichtig ist, einen passenden Kompromiss zwischen Wachstum und Verteidigung zu finden. Denn die Produktion von Abwehrstoffen wie Isopren und Jasmonsäure ist energieaufwendig und je mehr Ressourcen die Pflanze dafür einsetzt, desto weniger kann sie in ihr Wachstum stecken. Tatsächlich zeigte sich auch im Experiment, dass die Isopren-freisetzenden Tabakpflanzen weniger stark wuchsen als die nicht modifizierten Tabakpflanzen. Je stärker jedoch die Bedrohung durch Fraßinsekten ist, desto mehr lohnt sich diese Investition.
Aus Sicht der Forschenden könnten die Erkenntnisse dazu beitragen, neue Strategien für den Pflanzenschutz zu entwickeln. „Wenn Nutzpflanzen durch genetische Modifikationen in die Lage versetzt werden, Isopren zu produzieren, um sich gegen Schädlinge zu wehren, ließe sich die Abhängigkeit von chemischen Pestiziden verringern“, schreibt das Forschungsteam. „Das könnte eine nachhaltige Landwirtschaft fördern und den Landwirten wirtschaftliche Stabilität sichern.“
Quelle: Abira Sahu (Michigan State University, USA) et al., Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.adu4637
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