#Wie stark sind Insekten auf einheimische Baumarten angewiesen?
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Was Insekten nicht kennen, das fressen sie nicht: Einheimische Gehölze sind für etwa ein Drittel der Insekten in Deutschland unverzichtbar, wie eine Studie zeigt. Gebietsfremde Pflanzen können die hiesigen Gewächse als Nahrungsquelle und Lebensraum für Insekten demnach nicht ersetzen. Um das fortschreitende Insektensterben zu bremsen, muss die Forstwirtschaft daher beim klimabedingten Umbau der Wälder auch einheimische Baumarten nutzen, sagen die Umweltwissenschaftler.
Die Zahl und Vielfalt der Insekten gehen seit Jahren zurück. Das hat Folgen für Ökosysteme, denn Insekten sind als Nahrung für andere Tierarten unersetzlich. Um sie zu schützen, gibt es bereits verschiedene Ansätze. „In den letzten Jahren konzentrierten sich Insektenschutzmaßnahmen überwiegend auf die Anlage von Blühflächen und die Vermeidung von Lichtverschmutzung“, erklärt Matthias Nuß von den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen in Dresden. Doch reicht das aus, um das Insektensterben zu bremsen? Vor allem in Wäldern könnte den Tieren weiteres Ungemach drohen. Denn weil die heimischen Forste immer stärker unter dem Klimawandel leiden, müssen die Wälder umgebaut werden. Dafür werden in Deutschland zunehmend auch gebietsfremde Baumarten gepflanzt, weil sie widerstandsfähiger gegenüber Hitze und Trockenheit sind.
Welche Bäume brauchen heimische Insekten?
Das wirft die Frage auf, ob durch diesen Waldumbau der Lebensraum der Insekten nachteilig verändert wird. Denn viele Insekten ernähren sich von einheimischen, holzigen Pflanzen. Um herauszufinden, ob die Tiere stattdessen auch gebietsfremde Gewächse akzeptieren, hat ein Team um Nuß und Erstautor Sebastian Schuch nun die bevorzugten Baumarten von tausenden Insektenarten analysiert. Dafür sichteten die Umweltwissenschaftler Daten von etwa 74 Prozent aller in Deutschland einheimischen pflanzenfressenden Insektenarten. Dabei zeigte sich, dass etwa ein Drittel der hiesigen Insekten direkt oder indirekt von einheimischen Gehölzen abhängen.
„Von den insgesamt 8.127 betrachteten Blattkäfern, Prachtkäfern, Rüsselkäfern, Pflanzenwespen, Schmetterlingen, Wanzen, Wildbienen und Zikaden sind 3.140 Arten in mindestens einem Entwicklungsstadium direkt auf Gehölze als Nahrungspflanzen angewiesen“, sagt Schuch. „Berücksichtigt man, dass an Gehölzen zusätzlich auch Insektenarten leben, die sich von anderen Insekten, Pilzen, Algen, Flechten, Moosen oder toter organischer Substanz ernähren, ist die Anzahl der insgesamt an Gehölzen vorkommenden Insektenarten sogar noch erheblich höher“, ergänzt er.
Die Auswertungen ergaben auch, dass Insekten kaum auf gebietsfremde Gewächse als Nahrungsquelle und Lebensraum umsteigen, wie das Team berichtet. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass gebietsfremde Gehölze nur von einem sehr kleinen Teil der einheimischen Insektenarten als Nahrung genutzt werden können“, so Nuß. Nur zehn Prozent der betrachteten Insektenarten nutzten sowohl heimische als auch fremde Gehölzarten. Je weiter entfernt deren Ursprungsgebiet liegt und ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zu einheimischen Baumarten sind, desto weniger würden sie akzeptiert, so die Biologen.
Insektenschutz und Klimaschutz schließen sich nicht aus
Nach Ansicht des Forschungsteam sollten daher auch heimische Baumarten erhalten und gepflanzt werden, um dem Insektensterben zu begegnen. „Gehölze spielen eine herausragende Rolle für die Erhaltung der einheimischen Insektenfauna und müssen in die Betrachtungen zum Insektenschutz mit einbezogen werden“, so Nuß. Dabei müssen sich Insekten- und Klimaschutz nicht widersprechen, betonen die Forschenden. „Es gibt Studien, die zeigen, dass beispielsweise verschiedene Individuen der Rotbuche innerhalb eines Bestands unterschiedlich auf Trockenstress reagieren und dass diesem Phänomen eine genotypische Variabilität zugrunde liegt. Bei der Auswahl geeigneter Gehölze zur Klimawandelanpassung sollte deshalb die vorhandene genetische Variabilität einheimischer Arten eine viel größere Rolle spielen“, erläutert Nuß.
Wenn dennoch klimaresiliente Gehölzarten aus anderen Regionen in Deutschland gepflanzt werden, dann sollten diese den einheimischen Arten stammesgeschichtlich möglichst nahestehen und aus nahegelegenen Gebieten stammen, damit sie möglichst vielen einheimischen Insekten als Nahrung dienen können, so das Team. „Hitze- und trockenheitsresistentere Gehölzarten lassen sich nicht nur auf anderen Kontinenten, sondern auch in Süd- oder Südosteuropa finden“, betont Nuß.
Quelle: Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung; Fachartikel: Natur und Landschaft, doi: 10.19217/NuL2024-04-02
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