#Wie unsere Wimpern Wasser ableiten

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Unsere Wimpern schützen unsere Augen vor Fremdkörpern. Nun zeigt eine Studie, dass die Form und Struktur der kleinen Härchen perfekt darauf ausgelegt sind, Wasser schnell abzuleiten und so unsere klare Sicht zu bewahren. Dazu trägt sowohl die Mikrostruktur innerhalb jeder einzelnen Wimper bei, als auch die leicht gebogene Form und die Anordnung der Wimpern nebeneinander. Die Ergebnisse können dazu beitragen, künstliche Wimpern zu verbessern – sei es für kosmetische Zwecke oder für Anwendungen im technischen Bereich.
Im Laufe der Evolution hat unsere Behaarung an Körper und Gesicht deutlich abgenommen. Erhalten geblieben sind jedoch unsere Wimpern. Auch viele andere Säugetiere haben diese stabilen, leicht gebogenen Härchen am oberen und unteren Augenlid. Doch welche Funktion erfüllen sie? Frühere Studie haben bereits nahegelegt, dass die Wimpern unsere Augen vor kleinen Schutzpartikeln und anderen Fremdkörpern schützen. Die genaue Funktion ist allerdings nach wie vor umstritten.
Mikrostruktur ähnelt einer Treppe
Ein Team um Shan Zhou von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking hat nun die menschlichen Wimpern genauer unter die Lupe genommen. Dazu untersuchten die Forschenden einerseits unter dem Elektronenmikroskop die Mikrostruktur jedes einzelnen Härchens. Andererseits testeten sie an dreidimensionalen Modellen sowie an menschlichen Freiwilligen die Eigenschaften der Wimpern in ihrer natürlichen Anordnung sowie mit Mascara.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass menschliche Wimpern durch eine Kombination verschiedener struktureller Merkmale in der Lage sind, Flüssigkeiten schnell und gezielt abgleiten zu lassen“, berichtet das Team. Das beginnt auf mikroskopischer Ebene: „Elektronenmikroskopische Aufnahmen von natürlich ausgefallenen Wimpern offenbarten, dass die Härchen eine stufenartige Mikrostruktur aufweisen.“ Mehrere Schichten sich überlappender Zellen bilden eine Art Treppe, die von der Basis bis zur Spitze der Wimper abwärts führt. Trifft beispielsweise ein Wassertropfen auf die Wimper, bewegt er sich dadurch bevorzugt treppab, also zur Spitze der Wimper.
Optimiert für Abtransport von Flüssigkeit
Zusätzlich trägt die makroskopische Form der Wimper dazu bei, Wasser rasch abzutransportieren. Wie Zhou und sein Team berichten, entspricht die gekrümmte Form der Wimper einer sogenannten Brachistochrone – also der Bahn zwischen zwei Punkten, auf der eine Kugel durch den Einfluss der Gravitation am schnellsten vom Anfangs- zum Endpunkt gelangt. Auch die Anordnung der Wimpern nebeneinander hilft dabei, Flüssigkeiten schnell loszuwerden. „Wimpern sind an der Basis dicht und quasi-parallel angeordnet“, beschreibt das Team. Dadurch bilden sie eine wirksame und zugleich flexible Barriere. So sorgen die Wimpern dafür, dass wir selbst bei starker Anstrengung kaum Schweiß in die Augen bekommen und unsere Augen auch unter der Dusche oder im Platzregen weitgehen trocken bleiben.
„Um die zugrundeliegenden Mechanismen zu untersuchen, ließen wir einen Wassertropfen auf die Wimpern einer geradeaus schauenden Testperson fallen“, erläutern die Forschenden. Das Experiment nahmen sie mit einer hochauflösenden Kamera auf. Das Ergebnis bestätigt die Vermutungen auf Basis der strukturellen Beobachtungen: „Der Tropfen gleitet von den gebogenen Wimpern ab, ohne dass es zu einem Rückfluss oder sichtbaren Rückständen kommt“, berichten Zhou und sein Team. Anhand von Berechnungen zeigten sie zudem, dass der Tropfen 20 Prozent schneller abgleitet als auf einer starren, gerade Piste.
Praktische Anwendungen
Aus Sicht der Forschenden könnten diese Ergebnisse zahlreiche praktische Implikationen haben. So wies das Team nach, dass die Verwendung von kosmetischen Produkten wie Mascara die hydrophoben Eigenschaften der Wimpern verringert, da die Schicht aus Schminke die ausgeklügelte Mikrostruktur der Wimpern überdeckt. Auch wenn die Wimpern mit Hilfe von Zangen und ähnlichen Schönheitswerkzeugen nach oben gebogen werden, können sie Wasser schlechter ableiten. „Die natürlich gebogenen Wimpern eines Kindes zeigen ein Design, das sowohl für den Schutz als auch für ein ästhetisches Erscheinen optimiert ist“, schreiben Zhou und seine Kollegen. „Für Menschen mit spärlichen Wimpern könnten künstliche Wimpern, die sich an der natürlichen Form orientieren, eine Lösung bieten, die es erlaubt, das Aussehen zu verbessern, ohne die Schutzfunktion zu gefährden.“
Doch künstliche Wimpern könnten den Forschenden zufolge auch über die Kosmetik hinaus von Bedeutung sein. „Das Verständnis der Wimpernstruktur hat weiterreichende Auswirkungen und kann die Entwicklung innovativer Wasserschutzlösungen für verschiedene Anwendungen inspirieren“, erklären sie. Denkbar wäre beispielsweise, die Linsen von Fotodrohnen mit Wimpern auszustatten, oder Elektronik mit Filterschirmen aus Wimpern zu versehen, die Wasser ablenken und gleichzeitig eine gute Belüftung gewährleisten.
Quelle: Shan Zhou (Chinesische Akademie der Wissenschaften, Peking) et al., Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.adr2135
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