#Wo der Roboterhund patrouilliert
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„Wo der Roboterhund patrouilliert“
Die erste Liebe hat einen besonderen Sinn, sagen Psychologen: Sie soll uns unsere Illusionen nehmen. Im Falle Chinas kann ich das bestätigen. Ich kenne das Land seit siebzehn Jahren. Lange habe ich geglaubt, die Zukunft sei hier. Doch die hat sich gerade als Dystopie entpuppt.
In Schanghai erleben wir die Corona-Apokalypse. 26 Millionen Einwohner sind seit Wochen im härtesten Lockdown der Menschheit. Unsere schöne Stadt ist so leer, dass es einem das Herz zerreißt. Roboterhunde patrouillieren auf den Straßen.
Dass in unserer eben noch pulsierenden Metropole Endzeitstimmung herrscht, macht dieser Tage Schlagzeilen in der Welt. Vor den Häusern steigen jetzt Drohnen auf und drohen Menschen auf ihren Balkonen, wenn sie aus Protest gegen die Regierung singen. Polizisten in weißem Ganzkörperschutz drücken ihre Lautsprecher Senioren direkt ins Gesicht: „Geh nach Hause!“, dröhnt es mit 130 Dezibel in Endlosschleife vom Band. Im Internet hat jemand die Szene mit einem Technobeat unterlegt. Es ist der Soundtrack des Wahnsinns.
Die Regierung hat spezifische Covid-Behandlungszentren bauen lassen.
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Bild: CNS
„Willkommen im ‚Squid Game‘“, hat Anfang der Woche meine Frau gesagt, die in Schanghai geboren wurde. Wir hatten die koreanische Serie über ein brutales Überlebensspiel zusammen geschaut. Ich finde den Vergleich nicht ganz angemessen. Schließlich kriegt in Schanghai niemand 30 Millionen Euro Preisgeld, der die berüchtigten Isolationslager für Covid-Positive überlebt. Eine Ärztin, mit der meine Frau in der Schule war, hat eines der hastig errichteten Camps besichtigt. Sie hat uns dringend geraten, infektionsfrei zu bleiben.
Stress und Sorge nehmen Überhand
„Hunger Games“ ist ein anderer Film, der die Schanghaier dieser Tage an ihr neues Leben erinnert. Das ist nur ein ganz klein wenig übertrieben. Viele von uns dürfen nicht mal vor die Türschwelle treten. Supermärkte und Lieferdienste sind dicht. Wer Glück hat, dem stellt der Staat alle paar Wochen eine kleine Tüte Gemüse vor die Tür. Als Schanghais Parteiführer am Montag eine Siedlung besuchte, schrie ihn eine Rentnerin an, sie habe vor Urzeiten zwei Karotten, zwei Kartoffeln und eine Zwiebel bekommen.
Selbst Beamte der Schanghaier Seuchenkontrolle sagen mittlerweile öffentlich, dass es keinen Sinn ergibt, eine ganze Stadt wegzusperren, weil 0,5 Prozent der Bevölkerung das Virus haben. Einer meiner Freunde lag für Wochen mit Frau und Baby im Neunbettzimmer und hatte kaum Symptome. Weil Chinas Führung ihre Null-Covid-Politik als reine Lehre verkauft, verlängert sich der Hausarrest jetzt um zwei Wochen, wenn es in einem unserer Wohnblocks auch nur einen einzigen Covid-Fall gibt. Ärzte berichten, sie wüssten nicht, was sie mit den Zehntausenden in den verdreckten Quarantänezentren anfangen sollten, in denen man sich infizieren kann wie nirgendwo sonst. Warum der Staat die Bürger sich nicht zu Hause isolieren lässt und stattdessen Volk und Wirtschaft dem größten Stresstest seit dreißig Jahren unterzieht, ist die am meisten diskutierte Frage der Stadt.
Ein Bewohner sitzt während des Lockdowns auf dem Dach seines Hauses.
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Bild: AFP
In Optimismus-Umfragen schnitten die Chinesen früher immer am besten ab. Jetzt haben wir in Schanghai Angst, den Müll rauszustellen. Sorge bereitet, ein Familienmitglied könnte an etwas anderem als Covid erkranken, weil in den Hospitälern alle Ärzte bis zum Herzchirurgen zur Behandlung des Virus abgeordnet sind.
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