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#Würdigung von Jon Fosse angesichts des ihm zugesprochenen Literaturnobelpreises

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Ihm ist das Schreiben Therapie, dem Publikum sind seine Bücher und Stücke schwarze Lust und Last: Der norwegische Schriftsteller Jon Fosse erhält den Nobelpreis für Literatur.

Wüsste man nicht um die gänzliche Unzugänglichkeit der Schwedischen Akademie für Ironie, dann müsste man ihre Begründung für die Vergabe des diesjährigen Literaturnobel­preises an Jon Fosse für ebendies halten: ironisch. Nicht weil die Entscheidung selbst so gemeint gewesen sein könnte, sondern weil Fosse von den Akademikern bescheinigt wird, „dem Unsagbaren eine Stimme zu geben“. Das ist eine Floskel aus der untersten Schublade ästhetischer Legitimation, von der man dachte, dass sie längst selbst einem gnädigen Schweigegebot unterworfen wäre. Aber dafür kann ja Jon Fosse nichts.

Andreas Platthaus

Verantwortlicher Redakteur für Literatur und literarisches Leben.

Dabei hätte man sich in Stockholm lange genug Gedanken über eine weniger aussagelose Formulierung machen können, denn Fosse gilt seit mindestens einem Jahrzehnt als aussichtsreicher Kandidat für die wichtigste Literaturauszeichnung. Dem norwegischen Rundfunk NRK sagte Fosse gestern nach Bekanntgabe der Entscheidung denn auch: „Ich wurde überrascht, als sie anriefen, aber gleichzeitig auch nicht. Ich habe mich in den letzten zehn Jahren vorsichtig darauf vorbereitet, dass dies geschehen könnte.“ Er ist also, was man bisher noch nicht ahnte, ein Virtuose der Untertreibung. Ansonsten gilt er eher als Meister der Schwarzmalerei.

Pikanterweise nennt die Nobelpreis­begründung das dramatische Werk des 1959 im norwegischen Haugesund als Sohn einer Bauernfamilie geborenen Schriftstellers vor dem prosaischen und dem ­poetischen. Dabei debütierte der zuvor als Journalist tätige Fosse 1983 als Romancier mit „Raudt, svart“ (bis heute unübersetzt ins Deutsche). Das war ein selbstbewusster erster Auftritt, bei dessen Titel – aber auch nur dabei, denn es geht um eine verzweifelte Existenz, die schließlich Zuflucht beim Selbstmord sucht – man gar nicht anders konnte, als an Stendhals „Rot und Schwarz“ zu denken. Und noch viele weitere düstere ­Romane und Gedichtbände folgten, ehe 1994 sein erstes nicht weniger dunkel gestimmtes Stück die Uraufführung erlebte: „Und trennen werden wir uns nie“, womit eine intensive Theaterproduktion einsetzte, die anderthalb Jahrzehnte lang währte und Fosse zu einem der weltweit meistgespielten Dramatiker machte – weitaus mehr Menschen haben Werke von Fosse gesehen als gelesen.

Prosa bedeutet ihm mehr als Theater

2010 sagte er dann der Bühne mit „Tod in Theben“, einer Sophokles-Paraphrase, Lebewohl – damals verfasst für und aufgeführt von den Salzburger Festspielen. Er ging auf dem Höhepunkt des Ruhms, und es war eine bewusste Entscheidung in der Mitte seines Lebens, wie Fosse später bekannt hat. Er wollte zur Prosa zurück. Sie bedeutet ihm viel mehr als das Theater.

Deshalb hatte er sich auch schon mit Ende zwanzig von einer Schreibakademie in der Universitätsstadt Bergen als Dozent für literarisches Schreiben anheuern lassen und diese Tätigkeit sechs Jahre lang ausgeübt. Schon im zweiten Jahr gehörte zu seinen Studenten ein gewisser Karl Ove Knausgård, der seine Erlebnisse in Fosses Kurs ein Vierteljahrhundert später in „Träumen“, dem fünften Band seines autobiographischen Romanzyklus „Min kamp“, schildern sollte. Weitaus mehr Menschen werden auf diese Weise etwas über Jon Fosse gelesen haben als von ihm. Unter anderem, dass er „zögernd, voller Pausen, Einschnitte, Räuspern, Schnauben und mitunter von einem plötzlichen, tiefen Atemholen unterbrochen“ sprach – das Zögerliche ist in der Tat sein Markenzeichen geblieben, aber die dahinter verborgene, damals von Knausgård schon beobachtete Selbstsicherheit auch. Je nach Betrachtungsweise täuscht das eine über das andere hinweg, und das ­erklärt sowohl die ambivalente Rezeption des schriftstellerischen Werks als auch dessen Ambiguität.

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