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#Wunden, die nie wieder heilen

„Wunden, die nie wieder heilen“

Das Auffälligste, was es dieser Tage zu sehen gibt in Czernowitz, ist etwas, das man nicht mehr sehen kann. Unten am Bahnhof, wo die Pruth-Straße in die Gagarin-Straße mündet, zwischen dem Hauptpostamt und einem Schönheitssalon im Erdgeschoss eines Gebäudes aus habsburgischer Zeit, ragt ein großes, leeres Postament in die Stadtlandschaft. Das Denkmal, das jahrzehntelang darauf stand, wurde in den ersten Tagen des jüngsten russischen Krieges gegen die Ukraine entfernt.

Michael Martens

Korrespondent für südosteuropäische Länder mit Sitz in Wien.

Eine Inschrift am Sockel kündet in ukrainischer Sprache davon, was hier einst zu sehen war oder zu sehen gewesen sein soll: der Panzer eines gewissen Leutnants Nikitin und seiner Mannschaft. Es war angeblich der erste, der in die Stadt rollte, um Czernowitz von den faschistischen Besatzern zu befreien, am 25. März 1944. Nun thront Leere auf dem Sockel und erinnert daran, dass in der Ukraine neben dem wirklichen Krieg, in dem geschossen und gestorben wird, auch ein Kulturkrieg tobt. Es ist ein Kampf um die Erinnerung und um die Zukunft der Vergangenheit.

Anatolij Kruglaschow kennt sich aus mit solchen Kämpfen. Er ist Historiker und weiß, dass sich die Vergangenheit zwar nicht mehr ändern lässt, die Erinnerung daran aber stetem Wandel unterworfen ist. Das Gedenken an den Zweiten Weltkrieg, das in der Ukraine und in Russland spätestens seit der russischen Annexion der Krim 2014 immer stärker auseinanderdriftet, sei ein ideales Beispiel dafür, hatte er am Telefon gesagt. Darüber wollen wir sprechen, Treffpunkt „Grand Café“ in der Kobyljanska-Straße, Ecke Kathedralenstraße.

Überall die Geschichten der Geflohenen

Die Adresse ist allerdings nicht einfach zu finden. Jedenfalls dann nicht, wenn man die Roamingfunktion des Mobiltelefons wegen der horrenden Kosten außerhalb der EU vorsichtshalber ausgeschaltet hat und somit auch Google Maps nicht funktioniert. So bleibt nur die fast ausgestorbene Kulturtechnik des Durchfragens, um ans Ziel zu kommen. Doch viele Passanten kennen sich selbst nicht aus. Vor dem Krieg hatte Czernowitz etwa 260.000 Einwohner, derzeit sollen es mehr als 310.000 sein. Geflüchtete aus dem Osten haben die Bevölkerungszahl innerhalb von Tagen um die Größe einer Kleinstadt anschwellen lassen.

„Alle Masken gefallen“: Anatolij Kruglaschow im Grand Café


„Alle Masken gefallen“: Anatolij Kruglaschow im Grand Café
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Bild: Laila Sieber

Ein älteres Ehepaar geht in der Nähe des Bahnhofs spazieren, untergehakt und mit kleinen, fast ängstlichen Schritten, als könne sich jeden Moment der Boden unter ihnen auftun. Grand Café? Nie gehört, sie seien erst vorgestern angekommen, sagt der Mann und erzählt ungefragt von den letzten Tagen, von der Flucht aus einem Ort im Oblast Luhansk. Besonders beeindruckt hat den Mann der Staub, der auffliegt, wenn Häuser beschossen werden. „Überall Staub, überall!“, sagt er mehrfach.

Auch die nächsten beiden Versuche, den Weg zu erfragen, scheitern an mangelnder Ortskenntnis der Passanten. Eine Frau aus Butscha bei Kiew und ein Rentner aus Poltawa haben viel zu erzählen, aber Czernowitz und das Grand Café kennen sie nicht. Erst eine Verkäuferin in einer Bäckerei weist den Weg.

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