Zahlen Ausländer mehr Miete als Deutsche?

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Das Statistische Bundesamt vermeldet eine Zahl, die Fragen aufwirft. Und zwar berichten die Statistiker, dass in Deutschland Ausländerinnen und Ausländer im Durchschnitt eine deutlich höhere Miete zahlten als Deutsche. Grundlage ist der Zensus, also die direkte Bevölkerungsbefragung der Statistikämter. Aus der habe man errechnet, dass Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft hierzulande im Durchschnitt eine Nettokaltmiete von 7,75 Euro je Quadratmeter zahlten. Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft dagegen müssten im Durchschnitt nur 7,08 Euro berappen. Ausländer zahlten also 9,5 Prozent mehr.
Grund genug, sich einmal umzuhören, ob das so stimmt und woran es liegen mag. Denkbar wäre ja, dass es sich tatsächlich um einen Missstand handelt. Denkbar wäre aber auch, dass es eine Koinzidenz und keine Kausalität ist, dass also die unterschiedlichen Miethöhen nicht ursächlich mit den unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten zusammenhängen. So wie das zum Beispiel bei dem Phänomen der Fall ist, dass in Gegenden in Deutschland, in denen es viele Störche gibt, auch überdurchschnittlich viele Kinder geboren werden.
Lage, Mietdauer, Quadratmeter?
Einige Einwände, die einem auf Anhieb einfallen würden, schließen die Statistiker schon aufgrund der ihnen vorliegenden Zahlen aus. Zum Beispiel: Es liegt nicht daran, dass die in der Statistik vertretenen Deutschen einfach schon sehr lange in ihren Wohnungen wohnen und deshalb stärker als die Zuwanderer von niedrigen Altmieten profitieren. Zwar sei es in der Tat so, dass ein größerer Teil der Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, nämlich 22 Prozent, erst weniger als ein Jahr an ihrer aktuellen Anschrift wohnten, während es unter den Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit nur sieben Prozent seien. Aber: Auch nach Dauer des Mietverhältnisses aufgegliedert zahlten die Ausländer mehr als die Deutschen. Der Abstand sei je nach Mietdauer etwas unterschiedlich, für neuere Mietverhältnisse sei er kleiner – aber die Reihenfolge sei gleich.
Man könnte sich dann noch vorstellen, dass es mit der Lage zusammenhängt. Vielleicht wohnen Menschen aus anderen Ländern tendenziell eher in Großstädten, wo es noch andere Menschen aus ihrem Heimatland gibt, oder in der Nähe von Flughäfen in Ballungsräumen, und nicht unbedingt in einem Dorf in Bayern. Schließlich zahlt man in der Großstadt höhere Quadratmetermieten als an der Peripherie.
Aber auch da parieren die Statistiker: Egal, ob Stadt, ob Land – das Phänomen, dass die Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit mehr zahlten, tauche überall auf. Während der Unterschied in Großstädten von 100.000 Einwohnern an 7,3 Prozent betrug, belief er sich in mittelgroßen Städten mit 50.000 bis unter 100.000 Einwohnern auf 6,6 Prozent, in kleineren Städten mit 10.000 bis unter 50.000 Einwohnern auf 9,3 Prozent und in Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern auf 10,6 Prozent. Das Phänomen ist zumindest nicht allein oder primär lageabhängig.
Geht es auch um Diskriminierung?
Denkbar wäre ja auch, dass es irgendwie mit der Wohnungsgröße zusammenhängt. Der Vergleich wurde allerdings mit der durchschnittlichen Quadratmetermiete angestellt. Wenn es also etwa so wäre, dass ausländische Familien im Durchschnitt mehr Kinder hätten und deshalb größere Wohnungen bräuchten, müsste nicht unbedingt die Quadratmetermiete höher sein. Es scheint aber sogar umgekehrt zu sein: Die Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft leben im Durchschnitt in kleineren Wohnungen. Im Durchschnitt wohnten Ausländerinnen und Ausländer auf einer Wohnfläche von 85,7 Quadratmetern, berichtet das Statistische Bundesamt, während Deutsche im Durchschnitt Wohnungen mit 109,6 Quadratmetern Wohnfläche bewohnten.
Allerdings: Je Quadratmeter sind kleine Wohnungen oft teurer als große. Die durchschnittliche Nettokaltmiete in Wohnungen mit weniger als 60 Quadratmetern betrug der Statistik zufolge 8,01 Euro und damit 15,6 Prozent mehr als in Wohnungen mit 60 oder mehr Quadratmetern. So paradox es also klingt: Wenn sich Menschen aus anderen Ländern nur eine kleine Wohnung leisten können, müssen sie je Quadratmeter mehr Miete zahlen als Deutsche, die sich eine größere Wohnung leisten können.
„Ich halte die Zahlen für realistisch“, sagt Reiner Braun, Vorstandsvorsitzender des Immobilieninstituts Empirica: „Zum einen haben Ausländer bei der ersten Wohnungssuche keine lokalen Netzwerke; das heißt, sie sind auf die öffentlich inserierten Angebote angewiesen“, sagt Braun: „Und öffentlich inserierte Wohnungen sind teurer als andere, die übers Weitersagen vermittelt werden.“
Zum anderen würden Ausländer natürlich auch diskriminiert: „Nicht jeder Ausländer und nicht von jedem Vermieter, aber im Durchschnitt wohl schon“, meint Braun. Man verlange von Anfang an mehr, weil man unsicher sei: Zahlt der Mieter regelmäßig? Ist es ein Mietnomade? Man werde aber vermutlich auch eher die Miete erhöhen und sich insgesamt vielleicht weniger an Mietpreisbremse und Kappungsgrenze halten, weil man unterstelle, dass „der Ausländer“ seine Rechte nicht so genau kenne, meint Braun: „Ich vermute mal, dass die fehlenden Netzwerke aber mehr ausmachen als die Diskriminierung – diese dürfte eher dazu führen, dass ,der Ausländer’ gar nicht zum Zuge kommt.“
„Möblierte Wohnungen sind teurer“
Vor einigen Jahren hatte es mal eine Studie gegeben, die nahelegte, dass schon ausländisch klingende Namen die Wohnungssuche erheblich erschweren könnten. In Städten wie Frankfurt sogar noch stärker als anderswo. Wer Yilmaz oder Hamed heiße, habe es auf dem Wohnungsmarkt deutlich schwerer als ein Braun oder Buschle, hieß es in der Studie.
Weitere Gründe könnten hinzukommen, sagt Braun. „Bei Illegalen oder Flüchtlingen mag auch eine Rolle spielen, dass man Wohnungen als WG oder als Massen-Unterkunft an mehrere Einzelpersonen vermietet und dabei erheblich höhere Mieten verlangt als bei normaler Vermietung“, sagt er. Zudem gebe es eine Gruppe von gut verdienenden Ausländern, die möbliert wohnten, weil sie nur kurz in Deutschland seien oder öfters umziehen müssten, bei denen der Arbeitgeber die Miete zahle, sagt Braun: „Möblierte Wohnungen sind teurer.“
Der Deutsche Mieterbund äußerte sich nicht zu dem Thema. Der Vermieterverband „Haus und Grund“ vertrat die Einschätzung, die höhere durchschnittliche Nettokaltmiete von Ausländern lasse sich durch strukturelle Marktmechanismen und ungleiche Zugangsvoraussetzungen erklären – nicht durch systematische Benachteiligung oder Diskriminierung.
Viele Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit seien ,Outsider’ auf dem jeweiligen lokalen Wohnungsmarkt – ihnen fehlten oft die gewachsenen Netzwerke und informellen Kanäle, über die Wohnungen zu günstigen Konditionen gefunden würden, argumentiert der Verband. Günstige Mietwohnungen – insbesondere von privaten Kleinvermietern, kommunalen Gesellschaften oder Genossenschaften – würden häufig nicht öffentlich inseriert, sondern über Wartelisten, persönliche Kontakte oder Nachmieter-Empfehlungen vergeben. „Wer solche Netzwerke nicht hat, ist auf Immobilienportale angewiesen, bei denen die Angebote oft über dem ortsüblichen Mietenniveau liegen.“
Der Verband behauptet: „Aus unserer langjährigen Erfahrung mit privaten Vermietern können wir sagen, dass neue Mietverhältnisse häufig über persönliche Empfehlungen und aus ökonomischen Erwägungen zustande kommen – unabhängig von Herkunft oder Nationalität.“ Michael Voigtländer, Immobilienfachmann des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln, ist der Meinung: „Die Kombination aus kürzerer Mietdauer und Großstädten könnte durchaus einen Effekt haben – darüber hinaus könnten in der Tat Netzwerke eine Rolle spielen.“
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