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#Auftrumpfen ist nicht sein Fall

Auftrumpfen ist nicht sein Fall

Alles richtig machen auch Jazzmusiker nicht. Mit Ausnahme von John Scofield. Es mag an einer Eigenschaft des Gitarristen liegen, die der coole Jazz-Guru Miles Davis seinerzeit schnell erspürt hat. Als die beiden sich Anfang der achtziger Jahre über den Weg liefen, holte Miles den jungen Mann aus Dayton, Ohio, in seinen offenen Musikerpool. Begründung: Nun habe er endlich jemanden, der seinem Gitarristen Mike Stern ein wenig Understatement beibringen könne. Ob die Zähmung des wilden Mike Stern durch den zurückhaltenden John Scofield funktionierte, mag ungeklärt sein; ihr Zusammenspiel bei Miles war ohnehin nur von kurzer Dauer. Festzuhalten aber bleibt, dass John Scofields nie auftrumpfendes Gitarrenspiel fern allen Stargehabes ihm die Sympathien der Zunft gesichert und viele Türen im Jazz und zu anderen Musiksparten geöffnet hat.

Wer heute einen Jazzgitarristen nach seinen Vorbildern fragt oder auch Rocker, wen sie als Jazzmusiker schätzen, kann Wetten abschließen, dass der Name Scofield fallen wird. Das hängt natürlich in erster Linie mit dessen musikalischer Kompetenz zusammen, und dabei wiederum mit einer nahezu enzyklopädischen Stilvielfalt, die er beherrscht, ohne sich als musikalischer Universalgelehrter aufzuspielen. Bestes Beispiel dafür, wie John Scofield sein Können dosiert und sein Wissen diskret andeutet, ist das Stück „She Was Young“ von seiner jüngsten Aufnahme „Swallow Tales“ aus dem vorigen Jahr mit dem Bassisten Steve Swallow und dem Schlagzeuger Bill Stewart. Gegen Ende der Improvisationen tauchen – auf seiner Ibanez AS-200 von 1986 klug vorbereitet – spitze Zerrtöne wie aus einer anderen Klangwelt herübergeweht auf. Und kurz danach folgt ein Rock ’n’ Roll-Lick, wie man es vom legendären Chuck Berry in Erinnerung hat, bevor er zu einem seiner kuriosen Duckwalks über die Bühne ansetzte. Mehr braucht es nicht, um anzuzeigen, dass ihm nichts Musikalisches fremd ist.

Eine musikalische Frischzellenkur ohne Schnickschnack

John Scofield hatte nach Ausbildung an der Berklee School of Music in Boston 1974 gleich einen spektakulären Einstieg in die professionelle Musikszene bei der Reunion von Gerry Mulligan mit Chet Baker in der New Yorker Carnegie Hall, bevor er zur Power-Band von Billy Cobham stieß. Danach reihten sich musikalische Höhepunkte aneinander, Auftritte mit Charles Mingus und Gary Burton, mit Lee Konitz, Ron Carter, McCoy Tyner, Joe Lovano und schließlich die Immatrikulation an der privaten Jazz-Universität von Miles Davis. Von Miles hat er wohl auch gelernt, jungen Musikern eine Chance zu geben und sich zugleich selbst damit musikalische Frischzellenkuren zu verabreichen. Faszinierend war, wie er sich dabei stilistisch wandelte und doch immer gleich blieb, stets mit diesem klaren, bisweilen auch kantigen, melodisch fassbaren, am Blues orientierten Spiel ohne virtuosen Schnickschnack.

Spürbar wird das bei den kammermusikalischen Verdichtungen mit Marc Johnsons „Bass Desires“ , dem Duo-Album mit Pat Metheny „I Can See Your House from Here“ und den exotischen Indientrips auf „Überjam“, dann bei seinen Souljazz-Adaptionen mit „Up All Night“ oder den Folk-Ausflügen mit Larry Goldings auf „Country for Old Men“. Als der britische Komponist Mark-Anthony Turnage für sein Orchesterwerk „Blood on the Floor“ mit dem Ensemble Modern einige Jazzsolisten suchte, fiel die Wahl wie von selbst auf John Scofield. Und auch in dieser düster-melancholischen Avantgarde-Komposition hat John Scofield seinen vollkommen in Noten fixierten Part „Elegy for Andy“ mit seiner charakteristisch markanten Jazzartikulation erkennbar gestaltet, ohne doch eigentlich Jazz zu spielen. Unter den Jazzgitarristen der Gegenwart ist er einer der produktivsten, vielseitigsten, originellsten, offensten und sicherlich einer, der geistig jung geblieben ist. Am zweiten Weihnachtsfeiertag wird er siebzig.

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