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#Zwischen Goldrausch und Altruismus

Zwischen Goldrausch und Altruismus

„Game Changer“ nannte Banksy das Werk, das er im Mai in ein Krankenhaus in Southampton liefern ließ: ein Bild, auf dem ein kleiner Junge zwei Superhelden-Figuren im Papierkorb liegen lässt, um mit der Puppe einer Superhelden-Krankenschwester zu spielen. So drückte der anonyme britische Streetart-Künstler seiner Dankbarkeit aus für den Einsatz des in den Anfangszeiten der Corona-Pandemie noch unermüdlich beklatschten Personals vom National Health Service (NHS).

Ursula Scheer

Sein Geschenk hing monatelang in einem Flur des Krankenhauses. Es sollte die Moral der Angestellten heben. Inzwischen wurde es durch eine Kopie ersetzt. Das Original kam zugunsten des britischen Gesundheitswesens beim Auktionshaus Christie’s in London zum Aufruf: Bei 14,4 Millionen Pfund, umgerechnet rund 16,7 Millionen Euro, fiel der Hammer.

Das ist zwar nicht einmal halb soviel Geld, wie der inzwischen verstorbene Kriegsveteran Captain Tom Moore mit seinem Rollator-Spendenlauf für den NHS sammelte, aber dennoch eine staunenswerte Summe, die in der Krise Wichtiges bewegen kann. Für Banksy bricht sie überdies einen Rekord. Bisher war sein teuerstes versteigertes Werk das großformatige Gemälde „Devolved Parliament“. Auf ihm ist ein mit Schimpansen besetztes Unterhaus in altermeisterlicher Manier in Szene gesetzt; es erzielte 2019 bei Sotheby’s einen Hammerpreis von 8,5 Millionen Pfund.

Wenn auf dem Kunstmarkt schon atemberaubende Summen aufgerufen werden, kann es der pandemiegeplagten Welt – und der eigenen Reputation als Künstler – nicht schaden, etwas von diesem Kapital- und Aufmerksamkeitsstrom in Richtung wohltätiger Zwecke umzuleiten: Diesen Gedanken hatte offensichtlich auch der britische Maler Sacha Jafri.

Die Welt der Kunst kritisiert er einerseits als von Hypes getrieben und bedient andererseits den Hebel des maximalen Spektakels selbst mit ungewöhnlichem Elan – doch auch im Dienste anderer. Zu Beginn der Covid-19-Krise in Dubai gestrandet, malte Jafri im Verlauf mehrerer Monate auf dem Boden des Ballsaals im Hotel Atlantis The Palm das größte je angefertigte Gemälde auf Leinwand: ein Fall fürs Guinessbuch der Rekorde.

Wer fragt da nach ästhetischem Wert?

Eine Fläche von ungefähr vier Basketballfeldern bedeckte der Künstler mit seinem knallbunten All-Over gestischer Farbspuren, das er „The Journey of Humanity“, die Reise der Menschlichkeit, nannte. Herzsymbole und Kreise strukturieren die Flächen. Eingearbeitet hat Jafri überdies von Kindern gemalte Bilder, die ihm aus aller Welt zugesandt worden waren. Vielleicht 25 Millionen Dollar, so schätzte er vorab, könne er bei einer Auktion des in siebzig Teile zerlegten Monumentalwerks erzielen und an verschiedene Wohltätigkeitsorganisation spenden, die Kinder unterstützen. Da ist die Frage nach dem künstlerischen Wert Nebensache.

Monumentale Wohltätigkeit: Der britische Künstler Sacha Jafri auf seinem Gemälde „The Journey of Humanity“ (2020).


Monumentale Wohltätigkeit: Der britische Künstler Sacha Jafri auf seinem Gemälde „The Journey of Humanity“ (2020).
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Bild: EPA

Der finanzielle Erfolg des wohltätigen Projekts steht für sich: André Abdoune, ein in Dubai lebender französischer Geschäftsmann, kaufte sämtliche Teile des Riesengemäldes für einen Gesamtpreis von 62 Millionen Dollar. Es ist wohl kein Zufall, dass Abdouné ausgerechnet in der Krypto-Industrie tätig ist, die zurzeit durch den Aufstieg von NFT-Kunstwerken zu überaus heiß gehandelten Spekulationsobjekten von sich reden macht.

Einen Hammerpreis von 60,25 Millionen Dollar erreichte das erste je bei Christie’s in New York versteigerte rein digitale Kunstwerk, die in Form eines „non-fungible token“ (NFT) in der Blockchain abgelegte Collage „Everydays: The First 5000 Days“ des Netzkünstlers Beeple. Der Verkauf machte den bislang eher im Pop-Business und unter seinen Instagram-Followern hoch geschätzten Digitalgrafiker zum drittteuersten auf Auktionen gehandelten lebenden Künstler überhaupt – nach Jeff Koons und David Hockney. Die kommenden Diskussionen um die künstlerische Wertbeständigkeit seiner Bildschöpfungen werden interessant zu beobachten sein.

Klimakiller Kryptokunst

Dass Charity und Kryptokunst zusammenkommen müssen, war dagegen klar, zumal weil kopier- und fälschungssichere digitale „Originale“, als NFTs in Blockchains gespeichert und gegen Kryptowährungen gehandelt, einen nicht unerheblichen Makel haben: Sie sind ihres monströsen Energieverbrauchs wegen echte Klimaschädlinge. Weil sich das nicht gut macht, hat Beeple inzwischen Auktionen mit NFTs apokalyptisch anmutender Beispiele seiner Werke angekündigt, deren Erlös der in Hongkong ansässigen und dem Klimaschutz verschriebenen Open Earth Foundation zugute kommen sollen.

Soll nun auch einen Beitrag zum Klimaschutz leisten: Eines von Beeples Bildern aus der Collage „Everydays: The First 5000 Days“.


Soll nun auch einen Beitrag zum Klimaschutz leisten: Eines von Beeples Bildern aus der Collage „Everydays: The First 5000 Days“.
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Bild: Reuters

Jeremy Deller, der als mit dem Turner Prize ausgezeichneter britischer Konzept- und Videokünstler eigentlich nicht in der NFT-Welt zuhause ist, hat derweil ein offenes Experiment auf dem Feld der Kryptokunst gestartet. Das Kunstmagazin „The Art Newspaper“ begleitet ihn Schritt für Schritt dabei, wie er einen endzeitlichen Digital-Clip namens „The Last Day“ als NFT erzeugt, online versteigert und den größten Teil des Erlöses nach Deckung der eigenen Kosten aufteilt unter einer Hilfsorganisation für in Not geratene Künstler und einer Klimaschutz-Charity.

Sein Kurzvideo zeigt eine bukolische englische Landschaft, über der die Sonne sich in einen alles vernichtenden Todesstern verwandelt. Die Kunst zwischen Goldrausch und Altruismus in Zeiten voller Zukunftsangst: Für Deller sind die gehypten NFTs genau das richtige Medium, um genau das zu reflektieren.

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