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#Widderstatuen in der Wüste

Ein Ort am Ende der Welt, ein Ort am Beginn einer neuen Welt: Tolkte, eine Residenzstadt des Königreichs Meroe gegen Ende des ersten vorchristlichen Jahrtausends. Damals in Nubien, heute im nördlichen Sudan gelegen und Naga genannt, blühte sie rund fünfhundert Jahre bis ungefähr 250 nach Christus. Warum sie verfiel, ist nicht geklärt. Um sie zu erreichen, muss man zunächst in die Hauptstadt Khartum, wo sich Weißer und Blauer Nil vereinigen; dann hundertachtzig Pistenkilometer durch die Wüste Richtung Nordosten. Der Sudan ist fünfmal so groß wie Deutschland, bei einer halb so großen Bevölkerungszahl.

Mitte der Neunzigerjahre begannen Berliner Archäologen unter Leitung von Dietrich Wildung mit den Ausgrabungen, seit zehn Jahren hat diese Aufgabe ein Team des Staatlichen Museums Ägyptischer Kunst in München übernommen, zunächst unter Sylvia Schoske und nun unter deren Amtsnachfolger Arnulf Schlüter, der die Grabungen in Naga verantwortet. Üblicherweise rü­cken die Münchner zweimal im Jahr zu einer je achtwöchigen Gra­bungs­kam­pa­gne aus, derzeit ruht das Unternehmen allerdings zwangsweise, weil die politische Lage im Sudan so unstabil und gefährlich ist, dass das Risiko in Kampfhandlungen zwischen Militärs und Paramilitärs zu geraten, zu hoch ist.

Normalerweise arbeiten die deutschen Archäologen zweimal im Jahr für je acht Wochen in Naga: Hier ein Blick auf die Reste des Amun-Tempels


Normalerweise arbeiten die deutschen Archäologen zweimal im Jahr für je acht Wochen in Naga: Hier ein Blick auf die Reste des Amun-Tempels
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Bild: Naga-Projekt

Die aktuelle Schau setzt ganz auf digitale Vermittlung, ist also „immersiv“, mit digitalem Storytelling und neun Soundscapes. Kreisförmig gebogene, mehrere Meter breite Fotografien bilden einen Raum, in dem man über Kopfhörer den Erzählungen über die Arbeit der Archäologen lauschen, die Atmosphäre vor Ort akustisch aufnehmen kann. Man hört die Insekten zirpen, das Brummen der Käfer, Getrappel der Ziegen, die Rufe ihrer Hirten. Die giftigen Sandrasselottern und Skorpione hört man nicht, und wird doch hineinversetzt in diese Wüstenwelt. Einzig die Temperaturunterschiede muss man sich dazudenken, Anfang Januar zeigt das Thermometer um die acht, Mitte März sind es dann schon vierzig Grad.

In der frühen Ägyptologie, berichtet Arnulf Schlüter, habe die Kultur Nu­biens keinen hohen Stellenwert gehabt. Sie galt als minderer Abklatsch der ägyptischen Kunst. Dabei verehrte das Königreich von Meroe nicht nur seine eigenen Götter, es baute auch anders, in einem synkretistischen Stil, der alle möglichen Einflüsse in sich aufnahm – was an der geographischen Position gelegen haben wird, an einem Durchgangspunkt zwischen dem südlichen Afrika, Ägypten und dem von Griechen und Römern beherrschten Mittelmeerraum. Entdeckt hatte Naga eine Königlich Preußische Expedition von 1842 bis 1845 unter Leitung von Richard Lepsius.

Die ersten Touristen sind auch schon da

Die Ausdehnung der Anlage beträgt rund einen Quadratkilometer. Die Archäologen leben in einer bescheidenen Basisstation, dem sogenannten Grabungshaus, oberhalb der Stadt am Gebel Naga gelegen, einem flachen Bergrücken, von dem aus man die weite Ebene überblickt. Zwei Dutzend lokale Helfer unterstützen die Münchner, die Antikenverwaltung des Sudan vergibt die Grabungslizenz und begleitet die Arbeiten. Der Lohn wird mit einem Daumenabdruck quittiert, die meisten Helfer sind Analphabeten. Aber wenn die Wissenschaftler abziehen, bewachen sie „ihre“ Stadt. Tourismus hat eingesetzt, Besucher aus den USA, Asien und Europa werden in Jeeps nach Naga gebracht. Mehr als dreißig am Tag kommen selten.

Gefördert wird die Ausgrabung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, das Auswärtige Amt und private Spenden. Den örtlichen, achtzig Meter tiefen Brunnen nutzen die Deutschen nicht, um das Ökosystem der Einheimischen nicht zu belasten. Wasser kommt in einem Tanklastzug, Strom aus Solarzellen, gekocht wird mit Gas, Generatoren versorgen die aufwendige Digitaltechnik. Fünftausend Objekte sind mittlerweile in einer Datenbank katalogisiert. Mit einem Streiflichtscanner werden Objekte vermessen, die man dann mit einem 3-D-Drucker nachbilden kann. Der Sandstein ist brüchig, von Erosion angenagt. Er wird mit Kieselsäureester stabilisiert, der mittels Spritzen dem Gestein injiziert wird.

Was Ludwig I. für eine Rolle spielt

Erst fünf Prozent der weitläufigen, lose in den Sand gesetzten Stadt sind ausgegraben, derzeit steht ein „Tempel 500“ genannter Bau im Zentrum der Arbeiten, in dem die ältesten meroitischen Hieroglyphen entdeckt wurden. Warum Naga auf der Liste des Unesco-Weltkulturerbes steht, macht die Schau plausibel. Die Allee der Widderstatuen führt über eine Kapelle in direkter Linie zum größten Tempel der Stadt, der dem Schöpfergott Amun geweiht ist. Der Löwentempel gehört dem Kriegs- und Fruchtbarkeitsgott Apedemak, der als Mensch mit Löwenkopf dargestellt wird.

Dass Bayerns größter Kunstsammler, König Ludwig I., auch hier eine indirekte Rolle spielt, ist eine hübsche Pointe am Ende der Ausstellung. Der Wittelsbacher erwarb Mitte des neunzehnten Jahrhunderts einen Teil des Schmucks Amanishakhetos. Die nubische Königin regierte am Ende des ersten vorchristlichen Jahrhunderts. Das einzige Exponat im klassischen Sinn, eine Stele, kommt – ursprünglich eine Leihgabe des sudanesischen Antikendienstes – aus dem Bestand des Mu­seums. Sie zeigt ein Relief mit der Kö­nigin, die zwischen den Gottheiten Apedemak und Amesemi thront, zu ihren Füssen gefesselte Gefangene, darunter einer mit Helm, der recht römisch aussieht. Über diese Geschichte wie über die Meoriter und das Reich von Kusch insgesamt hätte man gern mehr erfahren.

Naga. Die verschüttete Königsstadt. Staatliches Museum Ägyptischer Kunst, München. Bis 22. Oktober. Kein Katalog.

Zeugnis einer zweitausend Jahre alten Kultur: Die Tempel von Naga gehören zum Unseco-Weltkulturerbe


Zeugnis einer zweitausend Jahre alten Kultur: Die Tempel von Naga gehören zum Unseco-Weltkulturerbe
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Bild: Naga-Projekt

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