Nachrichten

#Viel Lob und sehr viel Galle

Inhaltsverzeichnis

Boris Johnsons Neigung sich selbst durch parodistischen Humor zu kaschieren, lässt einen umso mehr aufhorchen, wenn er ernst wird. Der Tod von Martin Amis ist ein solcher Moment. Johnson würdigte den Schriftsteller als „den größten, dunkelsten, witzigsten Satiriker seit Evelyn Waugh“ und empfahl all jenen, die Aufmunterung suchen, die Szene mit dem Tennisspiel in dem 1984 veröffentlichten Roman „Money: A Suicide Note“ (deutsch „Gierig“) wiederzulesen, den viele für Amis‘ bestes belletristisches Werk halten. Auf dem Astroturf-Teppich hoch oben in einem Wolkenkratzer von Manhatten tritt der sich den großen Karriere-Durchbruch ausmalende englische Werberegisseur John Self, „hundert Kilo Rowdygene, Alkohol, Kippen und Fastfood, zehn Jahre mehr auf dem Buckel, vom schweren Sprit angeschlagen und verstopft“, gegen den amerikanischen Filmproduzenten Fielding Gooney an, „gebräunt, gut gestimmt, die Zähne für ein mittleres Vermögen reguliert, mit Steaks und eisen-und zinkgesüßter Milch aufgezogen“.

Gina Thomas

Feuilletonkorrespondentin mit Sitz in London.

Der Ich-Erzähler Self, der bekennt, nie ein guter Spieler gewesen zu sein, hat seit einigen Jahren nicht mehr auf dem Tennisplatz gestanden. Dafür hat er viel Tennis im Fernsehen gesehen. Außerdem muss er einsehen, „dass Engländer, wenn sie sagen, sie könnten Tennis spielen, nicht dasselbe meinen wie Amerikaner, die sagen, sie könnten Tennis spielen.“ Amis’ Schilderung der öffentlichen Erniedrigung des als Inbegriff des hedonistischen Kapitalismus karikierten Self ist ein Glanzstück komödiantischer Literatur, getragen von sardonischem Witz, fulminanter Sprachgewalt und einem galgenhumorigen Blick auf eine Welt im Untergang.

Schweres Vermächtnis

Einiges davon hat er von seinem Vater Kingsley Amis geerbt, dessen Debütroman „Lucky Jim“ („Glück für Jim“) mit seiner beißend komischen Darstellung des Affektes eines kleinbürgerlichen Akademikers gegen das universitäre Establishment die Unzufriedenheit der „zornigen jungen Männer“ der fünfziger Jahre gegen die Generation ihrer Väter erfasste. Das Vermächtnis des oft des Rassismus, der Homophobie und der Misogynie bezichtigten Vaters, mit dem sich Martin Amis auch in seinen Büchern kritisch auseinandersetzte, ohne sich je von ihm loszusagen, wog mitunter schwer auf seinen Schultern. Der Spitzname, „little Martin“ den der scharfzüngige Gore Vidal ihm gab, blieb wohl nicht nur wegen des Vaters, sondern auch aufgrund seiner kleinen Statur haften, lange nachdem Martin Amis nicht zuletzt wegen seiner starken erotischen Ausstrahlung als der Mick Jagger der literarischen Welt gefeiert wurde, was er mit der schlagfertig-selbstironischen Frage konterte, warum Jagger nicht als der Martin Amis der Rock-Welt bezeichnet werde. Vor einigen Jahren erklärte Martin Amis, dass seine Situation anders wäre, wenn er einen Schullehrer zum Vater gehabt hätte. Anfangs sei die Herkunft nützlich gewesen, inzwischen aber sei er durch diese Erbschaft „entlegitimiert“, weil sie als Nepotismus empfunden werde.

Wenige Autoren haben denn auch so viel Lob und so viel Giftigkeit auf sich gezogen wie Martin Amis mit seinen den linksliberalen Konsens zunehmend zum Widerspruch reizenden politischen Ansichten, seinen ätzenden Formulierungen, und seinem immer wieder für Schlagzeilen sorgenden Privatleben. Unmittelbar vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion fiel er bei einer internationalen Schriftstellertagung in Lissabon auf, als er mit Salman Rushdie und Ian McEwan gegen Margaret Thatcher wetterte, als lebten sie in einer Quasi-Diktatur, während die russischen und ost-europäischen Teilnehmer in einer bitter erhitzten Debatte über die Frage, ob überhaupt von einer eigenständigen mitteleuropäischen Literatur die Rede sein könne, tatsächliche Existenzkämpfe ausfochten. Der ältere Martin Amis würde wohl ebenso darüber erröten, wie über seine nachlässigen Äußerungen zum islamistischen Terror. Für seine Forderung, die muslimische Gemeinschaft durch Reiseverbote, Deportationen, Freiheitsentzug und anderes „diskriminierendes Zeug“ leiden zu lassen, bis sie ihr Haus geordnet habe, hat er sich am Ende eines langen Interviews entschuldigt, vermochte seine aufgebrachten Gegner jedoch nicht davon zu überzeugen, dass er den Islamismus ins Visier genommen habe, nicht den Islam oder die muslimische Gemeinschaft. Als er sich einmal islamophob nannte, nahm er den Begriff sofort zurück und ersetzte ihn durch die Selbstbezeichnung als Anti-Islamist, „weil eine ‚Phobie“ einen irrationale Angst ist, und Angst vor Menschen, die einen töten wollen, keineswegs irrational ist.“

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!