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#„Augen geschlossen und immer weitergemacht“

„Augen geschlossen und immer weitergemacht“

Strafverfahren haben ihre eigene Dynamik, und zu irgendeinem Zeitpunkt seit Montagnachmittag dieser Woche muss bei dem Angeklagten Detlef M., ehemals Geschäftsführer von Warburg Invest, die Erkenntnis gereift sein, im Cum-ex-Prozess am Landgericht Bonn reinen Tisch machen zu wollen. Er habe intensiv über die hartnäckigen Fragen des Vorsitzenden Richters Roland Zickler zu den dubiosen Aktiengeschäften im Jahr 2009 nachgedacht, erklärt der Fondsmanager am Mittwoch im Sitzungssaal 0.11 des Gerichts. „Bis vorgestern habe ich mir die damaligen Vorgänge und Ereignisse immer wieder schöngeredet, um mein damaliges Handeln vor mir selbst, vor anderen und auch der Justiz gegenüber zu rechtfertigen“, liest der Angeklagte mit klarer, fester Stimme vor – „das war falsch.“

Was folgt, ist das Eingeständnis eines persönlichen Versagens. Der 63 Jahre alte Fondsmanager berichtet darüber, konsequent weggeschaut und Störgefühle bei der Abwicklung der Aktiengeschäfte unterdrückt zu haben. Als Grund nennt er den ständigen Erwartungsdruck seines Arbeitgebers: die tief in den Steuerskandal verwickelten Privatbank M. M. Warburg. Vor allem aber hätten deren Geschäftspartner Druck gemacht: die Investmentbanker Paul Mora, dessen Firma Ballance Capital als Fondsinitiator agierte, sowie die Anwälte S. und Hanno Berger, die unter Flagge der US-Kanzlei Dewey & LeBoeuf und später in ihrer eigenen Boutique zu Cum-ex-Trades berieten.

Überraschendes Geständnis und Reue

Aus seiner Verantwortung stiehlt sich M., der die Warburg-Gruppe zum Jahresende 2021 nach mehr als 27 Jahren in verschiedenen Leitungsfunktionen verlassen hat, nicht davon. Mit der Errichtung der beiden Fonds und der Abgabe falscher Bescheinigungen habe er die Geschäfte erst ermöglicht, betont der Angeklagte. Laut Staatsanwaltschaft Köln entstanden dem Fiskus durch die von Warburg Invest aufgelegten „BC German Equity Special Fund“ und den „BC German Hedge Fund“ in den Jahren 2009 und 2010 ein Schaden von 157 Millionen Euro. „Ich bedauere zutiefst, dadurch eine wesentliche Voraussetzung für die Durchführung der hier behandelten Transaktionen und den dadurch verursachten immensen Steuerschaden geschaffen zu haben.“

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Schon beim ersten Fonds-Projekt habe er von Beginn an „ein Unbehagen“ entwickelt. Bis dahin war der Fachmann für Fonds und Risikoanalysen vor allem mit klassischen Handelsstrategien vertraut. „Hier war jedoch die Steuererstattung einziger Gegenstand“, bringt es der Angeklagte im Fall des „BC German Equity Special Fund“ auf den Punkt. Der Entwurf des Rundschreibens des Bundesfinanzministeriums im März 2009 sowie die hektische Betriebsamkeit der Anwälte und von Mora erhärteten bei M. den Verdacht, dass es sich bei dem Warburg-Invest-Produkt genau um die erwähnte, rechtsmissbräuchliche Gestaltung der Erstattung nicht gezahlter Kapitalertragssteuer handelte. Vor Gericht spricht M. von diversen „Verschleierungen“ durch Ballance Capital und den langjährigen Warburg-Anwalt S.; die einst rechte Hand von Hanno Berger ist mittlerweile Kronzeuge der Anklage und soll nächste Woche in dem Strafprozess als Zeuge aussagen.

Sorge um die eigene Karriere

Das Störgefühl des Angeklagten wiederum war im Frühling 2009 eigenen Worten nach „so massiv“ geworden, dass er sogar auf das Vorziehen der Transaktionen gedrungen haben will. Dann wäre jedoch der Handel von Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividendenanspruch nicht möglich gewesen. Mora habe damals lautstark interveniert, behauptet M. in seiner Einlassung. Aus heutiger Sicht wäre dies genau der richtige Zeitpunkt gewesen, das Projekt abzusagen, sagt er. „Ich habe allerdings die Augen geschlossen und das Projekt weiter fortgeführt.“

Auch danach hätten der Investmentbanker und die Anwälte Berger und S. massiv Druck ausgeübt, um das Projekt um jeden Preis durchzuziehen. M. fügte sich, weil er sich um seine berufliche Karriere sorgte, von einer Rückendeckung seines langjährigen Arbeitgebers M.M. Warburg ist nicht die Rede. Im Gegenteil: Ihm sei immer bewusst gewesen, dass die Bank die Geschäftsbeziehung nicht gefährden wollte und er daher die Transaktionen fortzusetzen hatte.

„Sie haben sich den größten Gefallen getan“, sagt Roland Zickler, Vorsitzender Richter am Landgericht Bonn zum Angeklagten.


„Sie haben sich den größten Gefallen getan“, sagt Roland Zickler, Vorsitzender Richter am Landgericht Bonn zum Angeklagten.
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Bild: dpa

Noch am Montag hatte die Strafkammer Widersprüche des Angeklagten offengelegt. „„Erzählen Sie uns nichts! Halten Sie uns nicht für naiv!“, fuhr Richter Zickler den Fondsmanager an. Mit dem Geständnis am Mittwoch nimmt das Verfahren nun laut Zickler eine„objektiv überraschende“ Wendung. Fast fürsorglich spricht er Richtung Anklagebank: „Sie haben sich damit den größten Gefallen getan, den ein Mensch sich tun kann.“

Keine Vorteile aus Cum-ex-Geschäften

Man lasse das Geständnis des Angeklagten für sich sprechen, sagte Strafverteidiger Ingo Heuel der F.A.Z. nach der Verhandlung. „Nun liegt es an dem Gericht das zu bewerten. Unser Mandant hat jedenfalls mit keinem einzigen Euro an den Erträgen aus diesen Geschäften partizipiert.

Wie gut es hingegen für die Investoren lief, unter denen sich laut Anklage prominente deutsche Unternehmer mit höheren zweistelligen Millionenbeträgen finden, erläuterte M. wenige Minuten zuvor im Gerichtssaal. Über ein maltesisches Vehikel hätten Investoren von der Deutschen Bank in London als Prime Broker einen Kredit in Höhe von 749 Millionen Euro aufgenommen. Diese Hebelwirkung sorgte seinen Worten nach innerhalb weniger Wochen in der Dividendensaison 2009 für traumhafte Gewinne: „Ich gehe von einer rechnerischen Rendite von 30 Prozent aus.“

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