Wissenschaft

#3D-Gedrucktes aus luftigem Bio-Material

Federleicht, raffiniert gestaltet und biokompatibel: Forschenden ist es gelungen, durch ein neues 3D-Druckverfahren komplex gestaltete Aerogele aus dem Naturstoff Cellulose herzustellen. Durch ihre stark isolierenden Merkmale könnten die Gebilde der präzisen Wärmedämmung in der Mikroelektronik dienen. Außerdem bieten die porösen Kreationen Potenzial für die Entwicklung medizinischer Implantate, sagen die Wissenschaftler.

Die Entwicklung additiver Fertigungstechniken boomt: Viele spannende Verfahren zur Herstellung komplexer Objekte aus unterschiedlichen Materialien wurden in den letzten Jahren entwickelt. Bereits seit einiger Zeit beschäftigen sich Forschende der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in Dübendorf dabei mit einem Baustoff der Natur: Das Biopolymer Cellulose ist der Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände und unter anderem für die Festigkeit von Holz verantwortlich. Das Team hat sich nun der Herausforderung gewidmet, dieses Material mittels 3D-Druck in Aerogele zu verwandeln, um gleich drei Aspekte zu nutzen: Cellulose belastet die Umwelt nicht und ist biokompatibel, mit dem 3D-Drucker lassen sich ohne Materialverschwendung komplexe Strukturen herstellen und die ultraleichten Aerogele bieten interessante Anwendungsmöglichkeiten.

Cellulose-Tinte für den Aerogel-Druck entwickelt

Cellulose-Formulierungen herzustellen, die als „Tinte“ in 3D-Druckern eingesetzt werden können, ist allerdings knifflig, betonen die Entwickler. Dabei ist das Fließverhalten entscheidend: Die Tinte muss dickflüssig genug sein, um vor der Aushärtung eine dreidimensionale Form halten zu können. Um durch die Druckerdüse strömen zu können, muss sie sich aber unter Druck verflüssigen. Um diese Merkmalskombination im Fall einer Cellulose-Tinte zu erreichen, erzeugten die Wissenschaftler zwei Versionen des Materials: Cellulose-Nanokristalle und Cellulose-Nanofasern. Wie sich zeigte, ermöglicht eine Mischung dieser Stoffe tatsächlich die gewünschten Merkmale. Wie die Forschenden erklären, führen die langen Nanofasern dabei zu einer hohen Viskosität, die eher kurzen Kristalle sorgen dagegen dafür, dass unter Druck eine sogenannte Scherverdünnung eintritt – die Tinte wird vorübergehend flüssig.

Als optimal stellte sich eine Flüssigkeit heraus, die aus insgesamt zwölf Prozent Zellulose und 88 Prozent Wasser besteht. Besonders ist dabei: „Wir konnten die benötigten Eigenschaften alleine mit Cellulose erreichen, ohne jegliche Zusätze und Füller“, sagt Erstautor Deeptanshu Sivaraman von der Empa. Die Cellulose-Tinte lässt sich im 3D-Druckverfahren einsetzten, um formstabile Rohlinge herzustellen, zeigten die Versuche. Durch ein Trocknungsverfahren kann das Wasser dann schließlich durch Luft ersetzt werden, ohne dass es zu Formveränderungen kommt, erklären die Forschenden. So entsteht am Ende ein ultraleichtes, poröses Gebilde aus Cellulose – ein geformtes Aerogel.

Die gedruckten Objekte lassen sich wiederholt trocknen und hydrieren und nach Bedarf auch wasserabweisend gestalten. © Empa

Wie das Team berichtet, weisen die Druck-Objekte aus dem speziellen Stoff gefragte Materialeigenschaften auf. Grundsätzlich machen der hohe Luftgehalt sowie die geringe Größe der einzelnen Poren Aerogele zu äußerst effektiven Wärmeisolatoren. Die Cellulose-Substanz besitzt dabei aber noch eine besondere Eigenschaft, ergaben die Untersuchungen: Die Festigkeit und die Wärmeleitfähigkeit sind richtungsabhängig. „Diese sogenannte Anisotropie entsteht dabei teilweise durch die Ausrichtung der Nanocellulose-Fasern und teilweise durch den Druckprozess selbst“, sagt Wim Malfait von der Empa.

Potenzial für Technik und Medizin

Wie die Forschenden erklären, steckt in diesem besonderen Merkmal der Bio-Aerogele enormes Potenzial für die Technik: Durch die Herstellungsweise lässt sich der Verlauf der isolierenden Eigenschaft in den gedruckten Aerogel-Stücken beeinflussen. Solche präzise isolierenden Bauteile könnten beispielsweise in der Mikroelektronik zum Einsatz kommen, wo Wärme nur in eine bestimmte Richtung geleitet werden soll, erklären die Entwickler.

Außerdem sehen sie erhebliches Potenzial für die Medizin: Da die gedruckten Aerogele aus reiner Cellulose bestehen, sind sie problemlos mit lebenden Geweben kompatibel. So ließen sich durch das Verfahren etwa personalisierte medizinische Gebilde aus Cellulose herstellen, die als Gerüste für Zellwachstum oder als Implantate dienen könnten. Auch ein Einsatz als Medikamenten-Depot bietet sich an: Die porösen Strukturen könnten gespeicherte Substanzen über längere Zeit im Körper freisetzen. Ein Vorteil ist dabei, dass die gedruckten Aerogele nach dem Trocknungsvorgang mehrmals rehydriert und wieder getrocknet werden können, ohne dass sie ihre Form oder Struktur verlieren. „Wenn man das Aerogel mit Wirkstoffen versetzen will, kann dies im letzten Rehydrierungsschritt unmittelbar vor der Anwendung geschehen“, sagt Sivaraman.

Man darf also gespannt sein, was sich aus dem vielversprechenden Konzept entwickeln wird.

Quelle: Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, Fachartikel: Advanced Science, doi: 10.1002/advs.202307921

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