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#90% spielen fair – Mathlog

90% spielen fair – Mathlog

Schach ist vermutlich die einzige Sportart, die in der Pandemie boomt. Es gibt jede Menge Online-Turniere, viel mehr als früher in der Offline-Welt stattfanden.

In der Deutschen Schach-Online-Liga wurden Ende März die Vorrunden beendet. Natürlich wurden wie bei Online-Turnieren inzwischen üblich die Partien auf Computer-Betrug geprüft und in offensichtlichen Fällen die Betrüger gesperrt.

Mit Gewissheit könne man sagen, „90 Prozent der Spieler in der DSOL 2 spielen fair“, ihre Statistiken zeigten keine Auffälligkeiten, so lautete nach dem Turnier das Urteil eines Experten, der sich mit der Betrugsabwehr in der Online-Liga beschäftigt. (Quelle)

Nun ist es natürlich bemerkenswert, wenn 90 Prozent fairer Spieler bereits als Erfolg verkauft werden. Sicher, in manchen Sportarten wäre man froh über 90% Teilnehmer, die nicht dopen. Aber in anderen Sportarten ist es auch nicht wie im Schach möglich, dass „gedopte“ Amateure den Weltmeister schlagen.

Andererseits ist es natürlich wirklich schwierig, rechtssicher Spieler des Betrugs zu überführen. Bei Offline-Turnieren genügt dafür das Handy in der Hosentasche, online hat man nur die Partien als Beweismittel. Und natürlich darf es nicht sein, dass ein schwächerer Spieler nur deshalb des Betrugs verdächtigt wird, weil er einen deutlich stärkeren geschlagen hat.

Als Spieler merkt man es in aller Regel, wenn man gegen einen Computer spielt. Man verliert in der Regel nicht wegen taktischer Überseher, sondern die eigene Stellung wird nach und nach immer noch ein klein wenig schlechter. SCHACH-Chefredakteur Raj Tischbierek hat das in seiner Zeitschrift am Beispiel einer von ihm gegen einen 600 Elo-Punkte schwächeren Gegner verlorenen Partie analysiert. Der Mensch wird vom überlegenen „Verständnis“ der Maschine nach und nach erdrückt, bis er und seine Stellung kollabieren, faßt es Conrad Schormann zusammen.

Mir ist es im Laufe des letzten Jahres nur zweimal passiert, dass ich bei internen Vereinsturnieren das Gefühl hatte gegen Computer zu spielen. Beide Male wurden die Gegner kurz danach von der Plattform gesperrt, ohne dass ich oder – soweit ich weiß – ein anderer Spieler Beschwerde eingelegt hätten.

Die eine der beiden Partien war der Klassiker: ein nominell etwas stärkerer Spieler spielte die gesamte Partie einfach nur ein klein bißchen stärker und am Ende verlor ich ohne sagen zu können, woran es eigentlich gelegen haben könnte. Der Gegner schrieb mir im Chat noch ein „Gut gespielt!“, was ich etwas arrogant fand. Nachdem er das Turnier (wie schon das zwei Wochen zuvor) gewonnen hatte, wurde er am nächsten Tag von der Plattform gesperrt. Inzwischen spielt er mit einem anderen Benutzerkonto und hat mit diesem nun Ergebnisse entsprechend seiner realen Spielstärke.

Sehr viel schwieriger zu bemerken ist es natürlich, wenn starke Spieler nicht die gesamte Partie über Computerzüge spielen, sondern den Rechner nur in an einigen wichtigen Stellen der Partie verwenden oder ihn nur benutzen, um grobe Fehler zu vermeiden. In meinem Verein gab es da einen Spieler, der vor 25 Jahren zu den stärksten Jugendspielern im sächsischen Schachverband gehörte, inzwischen nicht mehr so erfolgreich war, aber im letzten Jahr bei Online-Turnieren überraschend stark aufspielte mit Partien, die keineswegs dem üblichen Computer-Schema entsprachen. In einer Schnell-Partie gegen mich kam es nach ziemlich wildem (und definitiv nicht computer-typischem) Partieverlauf zu der unten abgebildeten Stellung.

Man denkt natürlich, dass hier (mit Schwarz am Zug) etwas in der Luft liegen könnte, ich hatte (als Weißer) aber keine unmittelbare Bedrohung gesehen. Schwarz jedenfalls dachte hier nicht lange nach, sondern packte nach wenigen Sekunden das spektakuläre Opfer Dd2+ aus.

Nun ist das eine Kombination, die ein erfahrener Schachspieler tatsächlich in wenigen Sekunden durchrechnen kann. Die meisten Spieler würden wohl erst einmal andere Möglichkeiten prüfen, aber grundsätzlich ist es natürlich möglich, dass jemand als erstes das Damenopfer anschaut (vielleicht weil er die Möglichkeit schon zuvor in Betracht gezogen hatte) und dieses dann schnell durchrechnet.
Aber … ein menschlicher Spieler würde wohl zögern, er würde die Variante zur Sicherheit noch ein zweites oder drittes Mal durchrechnen, bevor er hier eine ganze Dame ins Geschäft steckt. (Schwarz war auch nicht in großer Zeitnot.) Jedenfalls fand ich das Ziehen ohne längeres Nachdenken hier doch sehr verdächtig, auch wenn der Rest der Partie in keiner Weise nach Computerschach ausgesehen hatte. Der Schwarzspieler wurde dann von der Plattform zwei Tage später gesperrt, nicht wegen dieser Partie sondern wegen eines drei Wochen zurückliegenden Chess960-Turniers, dessen Auswertung wohl etwas länger gedauert hatte.

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