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#So macht man Geschichte

„So macht man Geschichte“

Obwohl die Entscheidungen traditionell als großes Geheimnis gehandelt wurden, wäre vorab zu erahnen gewesen, wer beim Erlanger Comicsalon die Max-und-Moritz-Preise erhält, denn gleich zwei der Gewinnerinnen wurden auch mit großen Ausstellungen gewürdigt: Liv Strömquist und Birgit Weyhe. Über die Schwedin, die den Preis für den besten Sachcomic erhielt, muss man kaum noch ein Wort verlieren; sie ist ein kommerzielles Phänomen, eine zeichnende Aktivistin, die mit feministischen Co­mics das Erbe von Claire Brétecher angetreten hat, wenn es um sarkastische Schilderung des Alltags von Frauen in aller Welt und zu allen Zeiten geht. Das verkauft sich weit über Comicpublikumskreise hinaus, wie auch die Resonanz auf ihre Auftritte in Erlangen zeigte. Wie hätte die Jury daran vorbeigekonnt? Strömquist zu nominieren be­deutete, sie auszuzeichnen. Und für Weyhe kann man das Gleiche sagen.

Mit der Hamburger Autorin verhält es sich indes in einer Sache anders. Sie ist nicht everybody’s favourite. Aufgewachsen als Kind deutscher Gastarbeiter in Uganda und Kenia, hat sie seit ihrem Debüt „Ich weiß“ (2008) das Verhältnis zwischen Afrika und Europa zum zentralen Thema ihrer Comics gemacht – und das hat ihr den Vorwurf „kultureller Appropriation“ eingebracht; als Weiße dürfe sie nicht von Farbigen erzählen. Aus Trotz heraus hat Weyhe in ihrem jüngsten Band, „Rude Girl“, die Lebensgeschichte von Priscilla Layne erzählt, einer schwarzamerikanischen Germanistin, die Weyhes Arbeit an dem Buch bei jedem Schritt kommentierend begleitet hat, so dass Laynes Anmerkungen zu Klischees oder Missverständnissen im Fortgang der Handlung Berücksichtigung finden: Ge­zeichnete Hautfarben verändern sich, Figuren bekommen plötzlich neue psychologische Facetten – „Rude Girl“ ist ein Lackmustest auf verständiges Comiczeichnen und -lesen, Weyhes Auszeichnung als beste deutschsprachige Comic-Künstlerin war überfällig. Schade nur, dass ihre Ausstellung die einzige des Salons war, für deren Zutritt noch strenge Coronaregeln galten, so dass sich permanent lange Warteschlagen bildeten.

Ausschnitt aus Birgit Weyhes „Rude Girl“. Die Hamburger Zeichnerin gewann den Max-und-Moritz-Preis für die beste deutschsprachige Comiczeichnerin.


Ausschnitt aus Birgit Weyhes „Rude Girl“. Die Hamburger Zeichnerin gewann den Max-und-Moritz-Preis für die beste deutschsprachige Comiczeichnerin.
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Bild: Birgit Weyhe / avant-verlag

Es ist eine altbekannte Crux des alle zwei Jahre veranstalteten Erlanger Co­mic­salons, dass die meisten seiner gut zwei Dutzend Ausstellungen nur in den paar Tagen zu sehen sind, die der Salon währt. Zwei der wenigen Ausnahmen waren Übernahmen aus Ba­sel beziehungsweise Dortmund: Schauen zum Werk der Französin Catherine Meurisse und des amerikanischen Altmeisters Will Eisner. Nebeneinander im Kunstmuseum der Stadt gezeigt, demonstrierten sie aber auch die Publikumsspaltung bei diesem mittlerweile zwanzigsten Salon seit 1984. Zu Eisner liefen die Veteranen, überwiegend männliche Nerds jenseits der fünfzig, in den Räumen mit Meurisses Arbeiten fanden sich ungleich jüngere, überwiegend weibliche Besucher ein. Grenzüberschreitung gab es selten.

Für die Zukunft sucht man nach einem anderen Publikum

Der Erlanger Comicsalon sucht nach einem neuen Profil, denn die Gründungsgeneration verheißt keine Zukunft mehr. Da signalisiert die Auszeichnung von Steven Applebys „Dragman“, der Geschichte eines Trans-Superhelden (F.A.Z. vom 5. Mai 2020), als bester internationaler Comic Aufbruchstimmung gen Diversität. Und der vorab verkündete Lebenswerkpreis für den Japaner Naoki Urasawa war eine Reaktion auf die Bedeutung von Manga auf dem deutschsprachigen Co­micmarkt; im vergangenen Jahr stieg der Umsatz in dieser Sparte um 75 Prozent. Getragen wird dieser Boom von jungen Lesern, und auch wenn Urasawa selbst nicht mehr jung ist (Jahrgang 1960), steht er doch für die Faszination seines Metiers. Frühere Lebenwerkpreiszuerkennungen waren noch an die An­wesenheit des Gewinners in Erlangen gebunden, der Weltstar Urasawa aber ließ sich nicht blicken. Das zeigt leider auch, was für einen Stellenwert Erlangen hat. Wenn es um Manga geht, ist die MCC Leipzig das Maß der deutschen Dinge. Dorthin kommen 100 000 Besucher, in Erlangen waren es wieder einmal um die 30 000.

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